HR Today Nr. 5/2022: Debatte

Elternzeit für Haustierbesitzer?

In unserer westlichen Hemisphäre ist für die einen das Haustier praktisch Kindersatz. Warum sollen also nicht die gleichen Regeln gelten wie bei Kindern? Eine Debatte.

Baloup, Hündin von Esmir Davarovic, HR Strategies bei HR Campus: «Die Lösung: Mein Herrchen geniesst flexible Arbeitszeiten und ist oft im Homeoffice.»

Image
Baloup_Debatte.jpg
Als ich als kleiner Welpe ein neues Zuhause fand, absolvierte mein Herrchen gerade ein Vollzeitpraktikum in einem Beratungsunternehmen. Von Homeoffice und flexiblen Arbeitszeiten fehlte damals jede Spur. Tagsüber wurde ich zwischen Vorlesungen und Nebenjob von meinem damaligen Frauchen erzogen. Und jetzt das: eine Elternzeit für Haustierbesitzer. Der Begriff «Elternzeit» steht in diesem Zusammenhang bereits stellvertretend für das Phänomen, uns Tiere in menschliche Konstrukte zu zwängen. Klar bin ich kein wilder Wolf, aber ein kultiviertes Wesen bin ich natürlich auch nicht. Ich empfand es schon immer als befremdlich, wenn andere Hunde in teure Pullover gesteckt und jeden Tag bekocht wurden, während sich deren Besitzer gestresst mit Fast Food ernähren. Wobei, neu ist diese Vermenschlichung nicht. Schon Schopenhauer beschimpfte seinen Pudel als «Mensch», wenn er nicht hörte. Aber anywoof, das ist eine andere Geschichte. Da ich aber in der kultivierten Welt des Menschen lebe, bin ich auf ihn angewiesen, und die Idee einer Auszeit für mein Herrchen klingt verlockend. Das findet sicher auch die Katze, den Reptilien ist es egal. Wie sieht es aber mit Ratten aus? Die sind nämlich auch sehr intelligent. Die Abgrenzung, bei welchem Haustier man eine «Elternzeit» gewährt, führt bereits zu Unklarheiten. Die Elternzeit für Tiere ist auch kontraproduktiv, denn ich brauche von Anfang an eine gewohnte Umgebung. Was aber, wenn ich mich an die ständige Anwesenheit einer Besitzerin gewöhne und diese dann plötzlich wieder zur Arbeit muss? Nein, das ist mir zu stressig. Dabei ist die Lösung viel einfacher: Mein Herrchen geniesst flexible Arbeitszeiten und ist oft im Homeoffice. Für mich ist es kein Problem, einen halben Tag allein zu bleiben, wenn er unterwegs ist. Ich kenne nichts anderes. Und so kann jeder Mensch selbst entscheiden, ob er sich intensiver um sein neues Haustier kümmern will oder seine neue Alexa oder Siri. Das scheint mir fairer und langfristiger gedacht als eine fixe «Elternzeit» für Haustierbesitzer.

Marc P. Prinz, Rechtsanwalt, VISCHER AG: «Ein Recht auf Haustier-Elternzeit gibt es im Arbeitsrecht nicht.»

Image
Marc-Prinz.jpg
Die Schweiz hat erst vor Kurzem einen Schritt nach vorne gewagt und auch für Väter einen Urlaub nach der Geburt eines Kinds eingeführt. Doch wie steht es um die stolzen «Eltern» von Haustieren? Ein Recht auf «Haustier-Elternzeit» gibt es im schweizerischen Arbeitsrecht bislang nicht. Jedoch hat ein Arbeitnehmender Anspruch auf eine kurzfristige Arbeitsbefreiung, sofern eine private Angelegenheit sich nicht ausserhalb der Arbeitszeit erledigen lässt. Anwendungsbeispiele einer solchen Arbeitsbefreiung sind persönliche oder familiäre Angelegenheiten wie die Geburt oder Pflege eines erkrankten Kindes. Ist beim Haustier ein Besuch beim Tierarzt dringend notwendig, ergibt sich daraus ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung, da sich der Arbeitnehmende sonst aufgrund der Verletzung tierschutzrechtlicher Normen strafbar machen könnte. Handelt es sich dagegen um einen Routinebesuch beim Tierarzt, ist davon auszugehen, dass Arbeitnehmende höchstens dann Anspruch auf eine Arbeitsbefreiung haben, wenn sich der Tierarzttermin nicht auf die arbeitsfreie Zeit legen lässt. Arbeitnehmende und Arbeitgebende sollten deshalb versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden. Die Pandemie hatte für viele Haustierbesitzer positive Wirkungen: Sie mussten ihre Haustiere im Homeoffice nicht den ganzen Tag allein lassen. Irgendwann wird jedoch eine Rückkehr an den Arbeitsplatz unumgänglich. Da kann man sich fragen, ob auch das Haustier mitkommen darf. Das schweizerische Gesetz gewährt keinen diesbezüglichen Anspruch. Gestützt auf das Weisungsrecht des Arbeitgebenden erteilt dieser Weisungen über das Verhalten im Betrieb und am Arbeitsplatz. Insbesondere kann er darüber entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Haustier mitgenommen werden darf. Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden bleibt es vorbehalten, im Arbeits­vertrag oder im betrieblichen Personalreglement die Mitnahme an den Arbeitsplatz zu regeln und so einem Konflikt vorzubeugen.

Monika Bütikofer, Senior HR-Manager, Webhelp Schweiz AG: «Sind Tiere Kinder oder Kinderersatz?»

Image
Monika-Bütikofer.jpg
Eine neue Umfrage bei vier- bis achtjährigen Kindern hat gezeigt, dass sie wissen, dass es Kinderrechte gibt. Weiter sind bereits «Grundrechte für Primaten» im Gespräch. Die Schweiz kennt zudem ein sehr strenges Tierschutzgesetz. Wir alle wissen: Auch Tiere haben Gefühle. Sie empfinden Neid, Eifersucht, Schmerz und können gegen Sachen und Personen eine Aversion haben oder auch niedergeschlagen sein. Wer sich ein Tier zulegt, sollte zumindest wissen, dass diese Partnerschaft lange Jahre dauern wird und Höhen und Tiefen mit sich bringt. Wofür sollte also solch eine «Elternzeit» dienen? Zur Angewöhnung in die neue Familie, zur Unterstützung, wenn Minka Junge gekriegt hat oder Hasso an einer schweren Erkrankung leidet? Soll die Adoption eines Hundes aus Bulgarien derjenigen eines heimischen Tierheimhundes gleichgestellt sein? Nach Möglichkeit sollte in der heutigen Zeit ein Arbeitsausfall durch den Arbeitgebenden oder eine Versicherung gedeckt sein, aber nicht durch das eigene Portemonnaie. Je nach Spezies kann pro Jahr eine mehrfache «Elternzeit» begründet werden. Doch während sich Mitarbeitende in «Elternzeit» befinden, müssen Arbeitskollegen dessen Arbeiten mittragen, da der ausgetrocknete Arbeitsmarkt keinen Spielraum für den kurzfristigen Ersatz bei einer Minka-Auszeit zulässt. Bei diesen neuzeitlichen Thematiken sollte man sich auch überlegen, wie es ist, wenn man das Tier nicht mehr will. Oftmals wird es einfach «entsorgt», entweder im Tierheim, auf der Strasse oder via Inserat. Hat das Tier somit nicht auch Anrecht auf eine gerechte und geordnete Scheidung mit entsprechendem Unterhalt? Wenn wir unsere tierischen Begleiter gedanklich weiter vermenschlichen, müsste die nächste Frage sein, sich mit der «Familienzulage» für Fiffi und Mimmi auseinanderzusetzen.

 

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos
Text:
Weitere Artikel von

Das könnte Sie auch interessieren