Gastkommentar über Generationenmiteinander

«Fairness bedeutet, dass Arbeitgebende individuelle Unterschiede anerkennen und fördern»

Die Generation Z tritt zunehmend in die Berufswelt ein und hat die Babyboomer zahlenmässig überholt. Dies bringt neue Herausforderungen und Chancen für Arbeitgebende mit sich. Fairer Umgang mit unterschiedlichen Generationen bedeutet dabei nicht Gleichbehandlung, sondern individuelle Förderung nach den jeweiligen Bedürfnissen, sagt Alex Blunschi.

Als ehemaliger Leiter von «SRF Virus», einem digitalen Radiosender, der sich auch auf TikTok gezielt an junge Menschen richtet, habe ich intensiv mit der Generation Z (Gen Z) gearbeitet. Gemeinsam mit einem Team aus zwölf Mitarbeitenden, die allesamt der Gen Z angehören, durfte ich die Marke «SRF Virus» revitalisieren. Ich habe gelernt, dass diese Generation Erwartungen an das Berufsleben hat, die sich deutlich von denen früherer Generationen unterscheiden. Einige sind noch etwas unentschlossen, viele aber agieren schon sehr jung sehr zielstrebig, stellen auch hohe Ansprüche – an sich selbst und an ihre Arbeitgebenden.

Individuelle Förderung statt Einheitlichkeit

Ein häufiger Fehler in Unternehmen ist der Versuch, Fairness mit Gleichbehandlung gleichzusetzen. Dies führt oft zu Missverständnissen, besonders wenn es um Generationenunterschiede geht. Die Gen Z ist in einer Welt aufgewachsen, in der Individualität grossgeschrieben wird. Social Media, personifizierte Werbung und massgeschneiderte digitale Erlebnisse, die ständig verfügbar sind, haben sie geprägt. Sie erwarten diese Individualisierung auch im Arbeitsleben.

Während ein strukturiertes Mentoring-Programm für die eine oder den einen ideal sein kann, benötigt eine andere Person vielleicht eher eine flexiblere Form der Unterstützung. Die Gen  Z schätzt es, wenn auf ihre spezifischen Bedürfnisse und Stärken eingegangen wird – sei es durch flexible Arbeitszeiten, persönliche Weiterentwicklung oder die Möglichkeit, eigenständig an Projekten zu arbeiten. Fairness bedeutet hier, dass Arbeitgebende diese individuellen Unterschiede anerkennen und fördern.

Transparenz und Offenheit statt Hierarchie

Eine der grössten Herausforderungen im Umgang mit der Gen Z ist die Art, wie sie Feedback erwartet – nämlich direkt, häufig und konstruktiv. Anders als ältere Generationen, die in hierarchischen Strukturen aufgewachsen sind, wo Feedback oft selten und formell war, erwartet die Gen Z offene Kommunikation. Sie will wissen, wo sie steht, was sie gut macht und wo sie sich verbessern kann – und zwar in Echtzeit. Dies ist für Führungskräfte nicht nur zeitlich sehr intensiv, sondern auch emotional anspruchsvoll.

Ich habe in meiner Karriere als Leader und Vorgesetzter einige junge Menschen erlebt, die noch nie ein direktes und ehrliches Feedback erlebt haben. Auf Kritik reagierten sie verletzt und abwehrend. Statt ein ehrliches und konstruktives Feedback anzunehmen, war ihre Erwartung viel eher, dass ich als Vorgesetzter dafür zu sorgen habe, dass sie sich emotional wohlfühlen. Dieses Verhalten mag selten sein, ich stelle aber eine Unerfahrenheit fest, Kritik und andere Meinungen akzeptieren zu können. Das muss nicht zwingend der Fehler der Gen Z sein – sie lernen es in der aktuellen Medienwelt und Gesellschaft nicht anders, als sich in den eigenen Meinungsblasen zu bewegen – aber Vertreterinnen und Vertreter dieser Generation müssen sich bewusst sein, dass sie in diesem Punkt empfindlicher sind als jene der Generationen vor ihnen, die oft etwas direkter und härter formulieren und kommunizieren.

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«Nicht das Entgegenkommen der Firma muss gleich sein, sondern der Nutzen muss gleich hoch sein, dann ist es «fair».»

 

 

Im Feedback liegt aber sehr wohl eine grosse Chance für Unternehmen, die bereit sind, ihre Feedback-Kultur zu modernisieren. Statt auf jährliche Mitarbeitergespräche zu setzen, könnte ein kontinuierliches, dialogorientiertes Feedback-System eingeführt werden, das es Mitarbeitenden ermöglicht, sich ständig zu verbessern. Ein solches System ist nicht nur fairer, es motiviert auch, da es den ständigen Austausch und die Weiterentwicklung fördert. Und über die Art und Weise der Wortwahl des Feedbacks kann man sich als HR Professional oder Führungskraft ab und an auch selbst reflektieren.

Technologie und Flexibilität ist ein Muss

Für die Gen Z ist der Umgang mit Technologie so selbstverständlich wie das Atmen. Sie erwarten, dass ihnen die nötigen digitalen Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden, um ihre Arbeit effizient und flexibel erledigen zu können. Homeoffice oder hybride Arbeitsmodelle sind für sie keine «Sonderleistungen», sondern die neue Normalität. Unternehmen, die diesen Erwartungen nicht gerecht werden, laufen Gefahr, diese Talente zu verlieren.

Fairness bedeutet hier, dass Arbeitgebende moderne Technologien und Arbeitsstrukturen anbieten, die den Bedürfnissen dieser Generation entsprechen. Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort und -zeit wird dabei besonders geschätzt. Gleichzeitig sollten Unternehmen nicht davon ausgehen, dass jede und jeder die gleichen technischen Fähigkeiten mitbringt. Fairness bedeutet auch, Mitarbeitende in ihren digitalen Kompetenzen gezielt zu schulen und individuell zu fördern. Vielleicht arbeitet eine junge Mitarbeiterin dann tatsächlich am Samstagabend auf dem Handy von unterwegs und kommt dafür am Montag erst nach dem Ausschlafen um 11 Uhr zur Arbeit, während ein Kollege regelmässig um 7 Uhr im Büro ist und dafür stets am Freitag um 12 Uhr ins Wochenende geht. Nicht das Entgegenkommen der Firma muss gleich sein, sondern der Nutzen muss gleich hoch sein, dann ist es «fair».

Generation Z sucht mehr als nur einen Job

Die Gen Z sucht nicht nur nach einem Job, sondern nach einem tieferen Sinn in ihrer Arbeit. Sie möchte das Gefühl haben, dass ihre Arbeit einen positiven Einfluss auf die Welt hat. Das bedeutet für Arbeitgebende, dass sie sich klar zu ihren Werten bekennen und diese auch authentisch leben müssen. Unternehmen, die sich sozial und ökologisch engagieren, haben einen klaren Vorteil, wenn es darum geht, junge Talente zu gewinnen.

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«Die Gen Z möchte nicht nur arbeiten, sie möchte mitgestalten, und das ist eine wertvolle Chance für jedes Unternehmen.»

 

 

Doch auch hier gilt: Fairness bedeutet nicht, dass alle den gleichen «Purpose» finden. Während manche sich für ökologische Nachhaltigkeit interessieren, liegt der Fokus anderer vielleicht auf sozialer Gerechtigkeit oder persönlicher Weiterentwicklung. Ein Unternehmen, das Fairness wirklich lebt, bietet seinen Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihre eigenen Interessen und Werte in die Arbeit einzubringen.

Die Generation Z als Chance sehen

Ja, die Gen Z bringt neue Herausforderungen mit sich. Ihre Erwartungen an Individualität, Flexibilität und Sinnhaftigkeit mögen für traditionelle Unternehmen manchmal überwältigend erscheinen. Doch diese Erwartungen bieten auch grosse Chancen. Wer diese Generation versteht und ihre Bedürfnisse ernst nimmt, kann nicht nur ihre Arbeitskraft optimal nutzen, sondern auch von ihrer frischen Perspektive und ihrem Engagement profitieren. Die Gen Z möchte nicht nur arbeiten, sie möchte mitgestalten, und das ist eine wertvolle Chance für jedes Unternehmen. Gerade weil die Gen Z den Sinn in der Arbeit sucht, stellen junge Mitarbeitende oft die Frage nach dem Wieso. «Wieso machen wir das?», «Wieso muss ich das so und so machen?».

Wer solche Fragen nicht als Provokation auffasst, sondern als Chance sieht, sich, die Arbeitsprozesse und die Tätigkeit der eigenen Firma zu hinterfragen, der bringt sich und sämtliche seiner Mitarbeitenden weiter. Ehrliche und plausible Antworten zu finden, mag zeitraubend und nervenaufreibend sein, ich habe aber als Leiter von «Radio SRF 3» und «SRF Virus» selbst versucht, das Wieso ehrlich zu beantworten. Immer dann, wenn ich keine klare Antwort fand, war es ein Zeichen, dass es sich durchaus lohnt, das Thema genauer anzuschauen. Prozesse und Inhalte danach zu optimieren, ist nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch fair gegenüber dem ganzen Team.

Fazit: Fairness ist ein Erfolgsfaktor

Fairness bedeutet nicht, jede und jeden gleich zu behandeln, sondern allen Mitarbeitenden das zu geben, was für sie den grössten Nutzen bringt. Für die Gen Z bedeutet dies mehr als für andere Generationen individuelle Förderung, flexibles Arbeiten, kontinuierliches Feedback und eine sinnhafte Arbeit. Die Gen Z ist eine Bereicherung für die moderne Arbeitswelt – wenn wir bereit sind, ihre Bedürfnisse als Chance zu begreifen. Unternehmen sollten sich damit vertieft auseinandersetzen und sich dabei häufiger die Frage nach dem Wieso stellen – es lohnt sich.

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Alex Blunschi

Alex Blunschi ist Inhaber der Blunschi Story GmbH, Beratung für Kommunikation und Story­telling. Er berät Firmen im Umgang mit der Generation Z. Blunschi arbeitet seit 25 Jahren in den ­Medien, mehr als 10 Jahre davon in leitender Funktion, zuletzt als Leiter der beiden Radiosender «SRF 3» und «SRF Virus». www.blunschi-story.ch

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