Formlose Kündigungen: Arbeitgeber verliert Rechtsstreit wegen fehlender Nachweise
Eine Arbeitgeberin kündigte über das Telefon, der betroffene Arbeitnehmer bestritt dies und klagte erfolgreich auf Lohnnachzahlung. Ein Urteil des Bundesgerichts zeigt, wie wichtig die schriftliche Bestätigung formloser Kündigungen ist.
Eine telefonische Kündigung ist zwar rechtskräftig, kann aber ohne entsprechende Dokumentation angefochten werden. (Bild: iStock)
BGE 4A_55/2023 Urteil vom 25. März 2024
Eine Arbeitgeberin stellte mit Arbeitsvertrag vom 8. Mai 2018 einen Arbeitnehmer unbefristet als Broker ein. Am 15. November 2018 meldete sich der Arbeitnehmer krank und fragte die Arbeitgeberin, ob er ein ärztliches Attest schicken solle. Die Arbeitgeberin verneinte dies mit dem Hinweis, dass das Arbeitsverhältnis bereits am 24. August 2018 telefonisch beendet worden sei, da der Arbeitnehmer die Probezeit nicht bestanden habe. Der Arbeitnehmer bestritt dies, verlangte Lohnnachzahlung und machte geltend, dass ihm die Beendigung des Arbeitsvertrags nicht mitgeteilt worden sei, sodass er weiterhin von zu Hause aus gearbeitet habe.
Die Klage wurde in zweiter Instanz gutgeheissen und die Arbeitgeberin zur Lohnnachzahlung verurteilt. Diese erhob gegen das Urteil Beschwerde ans Bundesgericht.
Das Bundesgericht hielt fest, dass der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag auf Art. 335a ff. OR betreffend Kündigungsfristen verweist. Die Kündigung werde wirksam, wenn sie dem Adressaten zugehe. Das Gesetz schreibe für die Kündigung keine bestimmte Form vor, doch müsse die Absicht klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden. Die Beweislast für die Kündigung und deren Datum liege bei der Partei, die daraus Rechts- folgen ableite. Im Zweifel sei auf die Aussagen des Empfängers abzustellen.
Im vorliegenden Fall lag die Beweislast für das Aussprechen der Kündigung und deren Zustellung unstreitig bei der Arbeitgeberin. Diese machte geltend, sie habe hinreichend dargelegt, dass sie den Arbeitnehmer durch ein Telefonat, das vor Ablauf der Probezeit stattgefunden habe, über die Beendigung des Arbeitsvertrags informiert habe.
Das Bundesgericht erachtete indessen die gegenteilige Feststellung der Vorinstanz als nicht willkürlich. Diese befand die Aussagen der angerufenen Zeugen als nicht ausreichend, zumal die Zeugen teilweise nicht genügend unabhängig von der Arbeitgeberin waren und keine weiteren Beweise vorlagen. So fehlte es insbesondere an einer schriftlichen Bestätigung der Kündigung oder an einem Beleg für das angebliche Telefonat mit dem Arbeitnehmer. Zudem hatte der Arbeitnehmer nach dem vermeintlichen Telefonat weiterhin bis mindestens Mitte November 2018 mit dem Backoffice der Arbeitgeberin und potenziellen Geschäftspartnern weitergearbeitet und E-Mails ausgetauscht. Die geschäftliche E-Mail-Adresse des Arbeitnehmers war nicht blockiert worden und er hatte begonnene Projekte weiterverfolgt.
Angesichts dieser Umstände erachtete das Bundesgericht die Feststellung der Vorinstanz, dass die Arbeitgeberin den Beweis für die Kündigung nicht erbracht habe, als nicht willkürlich und wies die Beschwerde der Arbeitgeberin ab.
Konsequenz für die Praxis: Dokumentation vermeidet teure Folgen
Das Urteil des Bundesgerichts unterstreicht, wie wichtig es aus Arbeitgebersicht ist, Kündigungen genügend zu dokumentieren. Sieht der Arbeitsvertrag keine Schriftlichkeit für die Kündigung vor, kann diese zwar gültig mündlich ausgesprochen werden. Arbeitgeber sollten aber sicherstellen, dass mündliche Kündigungen im Anschluss stets schriftlich bestätigt werden, sei es mittels E-Mail oder normaler Post. Andernfalls besteht das Risiko, dass der Arbeitgeber eine ausgesprochene Kündigung im Streitfall nicht beweisen kann – mit potenziell teuren Folgen, wie der vorliegende Fall zeigt.