Führung teilen: Risiken, Nebenwirkungen und die richtige Umsetzung
Co-Führung erlebt gerade ein Revival. Eine Führungsfunktion zu teilen funktioniert aber nur mit Kenntnis der Risiken und deren Prävention. Ohne offene Fehlerkultur und Lernbereitschaft sind keine nachhaltigen Erfolge zu versprechen.
Eine geteilte Führungsspitze, richtig koordiniert, ist ein Mehrwert für Team und Kultur. (Bild: iStock)
Es gibt es zahlreiche Varianten, wie Führung geteilt wird. Diese reichen von geteilten Arbeitsbereichen bis hin zu identischer gemeinsamer Verantwortung. Darüber hinaus gibt es Modelle, die für einen Übergang formuliert werden, wenn zum Beispiel eine Pensionierung ansteht oder eine Reorganisation einen Bereich verändert. Solche Konstellationen sind oft nur für eine bestimmte Zeitspanne gedacht und besagen wenig für eine zukünftige geteilte Führung als Modell.
Es gibt aber auch Modelle von Co-Führung auf Zeit, wo eine Führungsposition sozusagen «ausprobiert» und in diese hinein geschnuppert werden kann. Wenn eine Nachfolgelücke besteht, kann so den unterrepräsentierten Mitarbeitenden der Einstieg in die Führung erleichtert werden – beispielsweise, um Frauen in die Teamleitung zu bringen. Wenn sie gut Fuss fassen, sind neue Führungskräfte gewonnen.
Schliesslich gibt es Top-Sharing-Paare mit den unterschiedlichen Anstellungsgraden. Es sind nicht notwendig zwei 50-Prozent-Pensen, die ein solches Tandem ausmachen. Möglich sind auch Varianten mit bis zu zwei Vollzeitprofilen, wobei die Führungskräfte noch eine andere Aufgabe ohne Führung verantwortet.
In jedem Fall ist eine Anstellung in Co-Leitung individuell ausgestaltet und in der Umsetzung stark von der Kultur im Betrieb abhängig.
Weshalb erlebt Co-Leitung gerade ein Revival?
Das Konzept ist nicht neu: Schon vor zwanzig Jahren wurde Co-Leitung als «Topsharing» für die Förderung von Frauen und einen gleichwertigen Zugang von Frauen in der Führung angepriesen. Co-Leitungen waren aber bis vor wenigen Jahren eher selten.
Aufgrund der Digitalisierung sind neue Arbeitsweisen entstanden. Deshalb ist jetzt die Zeit reif, um neue Arbeitsmodelle und Zusammenarbeitsmodelle auszuprobieren:
- Man arbeitet agiler, mehr im Team und testet öfter etwas Neues aus auf Zeit, weil die Planbarkeit sinkt (Stichwort «VUKA» oder «BANI»).
- Die Digitalisierung und künstliche Intelligenz ermöglichen neue Kommunikationsformen mit Kunden und Partnerinnen und die automatisierte Auswertung von Daten. So entstehen neuartige Geschäftsmodelle, oft auch in ausgelagerten Plattformen.
- Die individuelle Haltung zur Erwerbsarbeit ist im Wandel: Lebenspläne gewinnen eine grössere Bedeutung gegenüber der linearen Karriereplanung. Die junge und diverse Mitarbeitendengruppen stellen neue Anforderungen an Arbeitgebende. Deshalb enttabuisieren sich vormals harte Konzepte wie eine eindeutige Karriereorientierung.
- Führung wird stärker als Coaching verstanden: die traditionelle Top-Down-Perspektive und das klassische Kästchen-Organigramm sind nicht mehr zukunftsweisend. - Der Fachkräftemangel drückt auf den Innovationsknopf: Arbeitsformen wie Teilzeit und Home Office gehören zum Standard. Auch wenn sich einige Unternehmen dagegen wehren, zeigt sich, dass Vollzeianstellungen mit Präsenzpflicht wenig attraktiv sind und dort, wo die Präsenz notwendig ist, zusätzliche Benefits erwartet werden.
- Führungskräfte wünschen sich zunehmend Entlastung durch mündige und zur Kreativität fähige und mittragende Mitarbeitende: Die Führung zu teilen setzt ein starkes Zeichen, das Führung anders herangegangen wird.
Was Mitarbeitende wollen
Die Einführung von geteilten Führungsfunktionen – und nicht nur von solchen unter Führungsverantwortlichen – hängt davon ab, wie sehr man sich an den Erfolgsgaranten, die Mitarbeitenden, orientiert. In einer Google-Studie wurden 2019 das Vorgesetztenverhalten, der Arbeitsrahmen und Grad an Verantwortung als Schlüsselfaktoren für gute Leistung identifiziert. Das mag nicht für jede Branche hundertprozentig zutreffen, gibt aber Hinweise, worauf zu achten ist, gerade wenn es um das erfolgreiche Gewinnen und Halten von Mitarbeitenden geht.
Arbeit in geteilter Führung ist vielfältig erlebbar und zeigt besser auf, was für Leistung die Führung erbringt. Mehr Augen sehen mehr und bringen unterschiedliche und sich ergänzende (Führungs-)Kompetenzen ins Spiel. Geteilte Führung kommt auch den Wünschen für Gestaltungsfreiheit entgegen: Wer Führung teilt hat mehr Zeit für anderes hat wie Familienpflichten und Freizeit.
Diese Faktoren unterstützen das Gelingen
Damit eine geteilte Führungsposition funktioniert, braucht es ein Zeitversprechen, wie lange ein bestimmtes Duo sich verpflichtet. Dies ist dem Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeitenden geschuldet. Auch braucht es eine klare Kommunikation, wer was als Führungsduo verantwortet sowie sensibilisierenden Schulungen im Team, in der Firma insgesamt und für andere Führungskräfte.
Entscheidend ist das Einhalten von Versprechen und laufende Verbesserungen. Ist die Leistung des Führungsduos anders als erwartet, ist das Thema geteilte Führung schnell gänzlich vom Tisch, wenn ein Partner geht.
Keine Kontrolle, dafür laufendes Lernen
Wird eine geteilte Führung installiert, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass es «einfach läuft». Folgendes ist zu beachten:
- Verantwortungen, Kommunikationswege und die Akzeptanz in der Abteilung und im Team müssen geklärt sein. Dies muss periodisch geprüft werden – die unterstellten Mitarbeitenden erleben das Tandem vielleicht anders als angestrebt war.
- Die Erwartungen an die neue Struktur müssen klar sein: Was soll sich damit verbessern und welcher Mehrwert wird gesucht? Was sind umgekehrt die Risiken von Führungsduos? Was könnte im schlimmsten Fall eintreten?
- Führungsduos sollen nicht übersteuert werden und somit untergraben, aber es sollte Wert auf offene Kommunikation über alle Ebenen hinweg über das Erleben des Zweierteams gelegt werden. Dabei helfen regelmässige Gesprächsrunden, unter anderem auch mit Stakeholdern, über den Verlauf und das Erleben der doppelter Führung. Die Learnings sollten offen kommuniziert und unter Einbezug von Personalverantwortlichen dokumentiert werden für zukünftige Rollen.
Wann doppelte Führung nicht empfehlenswert ist
Steht die Einstellungsinstanz den Führungsduos kritisch gegenüber oder wehrt sie Verantwortung für den Erfolg von Topsharing ab, dann sind dies keine guten Vorzeichen. Topsharing ist noch neu, deshalb sollte es wohlwollend auf aufmerksam begleitet werden.
Dies erfordert in der Abteilung, in der Firma oder im Amt eine offene Führungskultur. Man spricht darüber, wie man führt und gesteht sich zu, dass man lernen möchte. Dies ist keine Selbstverständlichkeit: eine solche Kultur muss top down transparent und lernorientiert sein. Geteilte Führung in Duos ist so nicht eine Massnahme, die man einmal einführt, sondern ein Teil eines organisationalen Wandels.