Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance
Ob physisch oder digital: Ein Onboarding will gut vorbereitet sein. Was bei einem virtuellen Einstieg besonders wichtig ist und welche Rolle HR übernimmt.
Digitales Onboarding kann anspruchsvoller sein als das «normale» Onboarding. (Bild: iStock)
«Vor der Pandemie bedeutete digitales Onboarding meist, Tools einzusetzen, die das physische Onboarding unterstützen, begleiten oder vorbereiten», sagt Onboarding-Expertin und Bloggerin Eva Stock. «Beispielsweise durch automatisierte Arbeitsabläufe, Terminerinnerungen und Bestellungen.» Nun bekomme das Thema ein ganz neues Gewicht: «Die Technik ist nicht mehr nur unterstützend, sondern schlechthin das Mittel, um ein Onboarding durchzuführen.» Mehr noch: Häufig werde die Technik zur einzigen Verbindung des Unternehmens zu neuen Mitarbeitenden und umgekehrt.
Das ist zweifellos eine Herausforderung für beide Seiten: «War mir etwas unklar, habe ich anfangs noch gezögert, bevor ich eine Mail geschrieben oder angerufen habe», erinnert sich Stefanie Näf, die bei der Yousty AG ihre ersten Wochen im Unternehmen digital erlebt hat. «Man weiss ja nicht, woran jemand gerade arbeitet und ob man stören darf.» Im «normalen» Büroalltag sei das etwas einfacher.
Klare Leitplanken
«Firmen müssen virtuelle Räume für Interaktionen schaffen, weil die sensorischen Aspekte beim digitalen Onboarding wegfallen», sagt Eva Stock. Etwa mit Kaffee-Terminen oder Lunch-Dates, bei denen man vor laufender Kamera isst. «Das erleichtert den Einstieg und das Kennenlernen.» Bevor es zu solchen virtuellen Treffen kommt, müssen die Rahmenbedingungen jedoch stimmen. Beispielsweise die digitale Infrastruktur des heimischen Internets oder die Ausstattung des Laptops. «Das hat einen Einfluss darauf, wie gut die digitale Kommunikation funktioniert», sagt Stock. «Arbeitgeber sollten das nicht den neuen Mitarbeitenden überlassen, sondern ihnen die entsprechende technische Infrastruktur vorher zusenden – inklusive Anleitung und Logins.»
Allgemein gesehen brauche es beim digitalen Onboarding eine gute Planung und einen Fahrplan, auf den alle gleichermassen eingestimmt sind. «Drehbücher haben sich bei der Übergabe von Aufgaben oft als hilfreich erwiesen», ergänzt Executive-Assistant-Beraterin Ute Barnickel. Dazu gehörten nebst allgemeinen Unternehmensinformationen auch Richtlinien, Prozessabläufe, Informationen zu Produkten und Dienstleistungen ebenso wie die Kontaktinformationen der Mitarbeitenden. Bei der Einführung ebenfalls gut angekommen seien sogenannte Screencasts: «Das ist eine Kombination aus Text und Video, bei denen der Bildschirminhalt aufgezeichnet und mit Erläuterungen unterlegt wird.»
HR hält die Fäden zusammen
«Bestenfalls beginnt ein digitales Onboarding damit, dass ein neuer Mitarbeitender entspannt ins erste Tagesmeeting kommt, wo die technische Ausstattung und sonstige operative Fragen thematisiert werden», skizziert Eva Stock den idealen Onboarding-Prozess. Danach folge eine Begrüssungsrunde im virtuellen Meetingraum, wo die Geschäftsleitung Einblicke in die Firmenwerte gäbe und sich die neuen Mitarbeitenden vorstellen. «Das löst bei niemandem Schweissausbrüche aus, weil das HR in diesem perfekten Szenario eine Agenda im Vorfeld verteilt hat, an der sich jeder orientieren kann.» Im Anschluss sei ein Gespräch mit einem «Unternehmens-Buddy», einem bestehenden Mitarbeitenden, geplant, der dem «Neuen» während der Onboarding-Phase Fragen zum Unternehmen und den internen Abläufen beantworte. Nach der Mittagspause gehe es mit einem Termin mit der Führungskraft weiter. «Dann sollte aber Schluss sein. Neue Mitarbeitende müssen den ersten Arbeitstag erst einmal verdauen.» Die folgenden Tage seien für neue Mitarbeitende ebenso herausfordernd, da sie in den ersten Wochen das Team kennenlernen und die Abläufe verinnerlichen müssten. Das erfordere regelmässige Feedback- und Teammeetings sowie virtuelle Lunch-Dates oder Kaffeepausen, sagt Stock. «Führungskräfte und HR sollten damit immer wieder prüfen, ob sich neue Mitarbeitende wohlfühlen und sie im Unternehmen angekommen sind.»
Nicht nur beim physischen, auch beim digitalen Onboarding kommt der HR-Abteilung eine wichtige Rolle zu: als Unterstützer, Ratgeber und als Instanz, die im Hintergrund alle Fäden zusammenhält, präzisiert Stock. Dafür brauche die Personalabteilung jedoch Freiräume. Die Verantwortungsbereiche müssten zudem klar abgesteckt sein. Dennoch könne HR nicht allein für die Einarbeitung von Neuankömmlingen sorgen. «Sehr wohl aber dafür, dass die Infrastruktur bereitsteht und die Mitarbeitenden alle Tools und unternehmerischen Herausforderungen kennen. Oft noch vor dem ersten Arbeitstag.»
Post-Corona-Zeit
Doch können virtuelle Sitzungen und Kaffee-Treffen einen physischen Einstieg ersetzen? An Bemühungen seitens der Unternehmen fehlt es jedenfalls nicht: «Viele Firmen wollen den Start ihrer neuen Mitarbeitenden zu einem gelungenen Erlebnis machen», sagt Ute Barnickel. Bisher hat sie überwiegend positive Rückmeldungen erhalten. «Vor ihrem ersten Arbeitstag erhalten Neuankömmlinge beispielsweise eine Welcome-Box mit personalisiertem Büromaterial und Kaffeebecher oder eine Willkommens-Videobotschaft des Teams.»
Nicht allen Mitarbeitenden geht es beim virtuellen Onboarding jedoch gleich gut. Besonders junge Menschen tun sich laut Eva Stock eher schwer damit. «Sie sind zwar in einer digitalen Welt aufgewachsen, dennoch funktioniert die Berufswelt in ihren Augen vielfach übers ‹ins Büro gehen›, ‹mit Kollegen zusammenarbeiten› und ‹Spass› bei der Arbeit haben.» Tendenziell falle es Menschen zudem durchs Zusehen und Beobachten leichter, herauszufinden, wie Systeme funktionieren. Insbesondere bei unausgesprochenen «Gesetzen». «Ein Arbeitsplatz ist ein geschlossenes System mit Codes, die man erst erkennen muss», sagt Stock. «Das ist schwierig, wenn alle zu Hause am Küchentisch sitzen.»
Das findet auch Stefanie Näf. Erst bei den ersten Lockerungen im Sommer 2020 trifft sie das Yousty-Team wieder im Büro. «Ein Team-Meeting vor Ort zu erleben, Mittagspausen zusammen zu verbringen oder einen Schwumm in der Limmat zu nehmen, sind Momente, in denen man seine Teamkollegen von einer ganz anderen Seite kennenlernt.»
Checkliste: Tipps für HR und Unternehmen
- Eine ordentliche Zeitplanung und Dokumentation sind entscheidend: Pünktlichkeit, Planung, dokumentierte Standardprozesse und Verantwortlichkeiten.
- «Unwritten rules» per Video übermitteln: Nehmen Sie in die Einarbeitung ein Modul für Werte, Unternehmenskultur und sozial erwünschtes Verhalten auf.
- Bestimmen Sie einen Onboarding-«Buddy»: Dieser sollte erreichbar sein und bei Fragen und Problemen zur Verfügung stehen.
- Regelmässiges Feedback: Achten Sie darauf, dass Vorgesetzte regelmässig Feedback-Termine vereinbaren, damit das Probezeitgespräch nicht zur unangenehmen Überraschung wird.
- Vergessen Sie das persönliche Onboarding nicht: Das Vermitteln von Sicherheit und Zugehörigkeit, virtuelle Treffen mit allen Teammitgliedern und der informelle Austausch, zum Beispiel durch digitale Kaffeepausen oder Afterwork-Drinks, sind wichtig.
Quelle: Capterra
Erlebnisbericht
Im Frühling 2020 traten Sie eine neue Stelle bei der Yousty AG an. Anfangs noch im Büro, hat sich das Onboarding zunehmend ins Homeoffice verlagert. Wie haben Sie die ersten Wochen erlebt?
Stefanie Näf: Technisch war ich super ausgestattet. Mein Chef machte sogar eine kleine Schweizer Rundreise und brachte uns Bildschirme vom Büro nach Hause. Anfangs zweifelte ich daran, virtuell alles kennenzulernen, zu verstehen und dann anwenden zu können. Dank eines gut strukturierten Onboarding-Plans erhielt ich während der ersten drei Wochen aber eine Einführung in allen Abteilungen der Firma und lernte die verantwortlichen Personen kennen. Ab dann war es learning by doing.
War es schwierig, sich im Team zu integrieren?
Wir hatten tägliche Check-ins am Morgen und Check-outs am Abend. Das gab mir Sicherheit und meinem Tag Struktur. Bei Fragen konnte ich mich jederzeit per Call oder per Chat an mein Team wenden. Deshalb habe ich mich trotz der Umstände als Teammitglied wohl gefühlt und wurde gut unterstützt.
Was haben Sie gelernt?
Eine neue Stelle anzutreten, ist immer anstrengend. Neue Leute, eine neue Umgebung, viele Informationen und ein neuer Arbeitsweg. Im Homeoffice fällt dieser externe Stressfaktor weg. Dadurch spart man Zeit und Energie. Zudem lernt man durch ein digitales Onboarding automatisch alle technischen Möglichkeiten wie Video-Call-Programme kennen, die man auch später im Arbeitsalltag nutzen kann.