HR Today Nr. 7&8/2020: Debatte

Gesundheit der Mitarbeitenden prüfen

Nur gesunde Mitarbeitende können auch Höchstleistungen erbringen. Doch dürfen ­Unternehmen deshalb Gesundheitstests verlangen? Ein HR-Beratungsunternehmen, ein Start-up und eine Anwaltskanzlei legen ihre Sicht dar.

Marco Meister, Co-Founder und Managing Partner atwork: «In Normalzeiten ist es nicht die Aufgabe eines Unternehmens, die Gesundheit der Mitarbeitenden zu kontrollieren.»

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Die amerikanische Umzugsdienstleisterin U-Haul möchte ­ihre rund 18'000 Mitarbeitenden zu besseren Menschen ­erziehen. Schon beim Bewerbungsprozess werden Fragen zum Nikotinkonsum gestellt und Kandidatinnen und Kandidaten müssen jederzeit bereit sein, einen Drogentest zu absolvieren.
Solche Gesundheitskontrollen befremden mich. Bei einer Pandemie mag es sinnvoll sein, über die Gesundheit der Mitarbeitenden Bescheid zu wissen. Dabei geht es nicht um Kontrolle, sondern um den Schutz der Belegschaft. In Normalzeiten ist es jedoch nicht die Aufgabe eines Unternehmens, die Gesundheit der Mitarbeitenden zu kontrollieren. Vielmehr sollte ein Arbeitgebender seinen Mitarbeitenden ein gesundes Arbeitsumfeld zur Verfügung stellen. Dazu gehören ein ergonomischer Arbeitsplatz, Pflanzen im Büro, Sportangebote sowie Orte für den informellen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.
Mit regelmässigen anonymisierten Kurzumfragen kann ein Unternehmen prüfen, ob die Rahmenbedingungen für die Mitarbeitenden stimmen. Dabei wird erfasst, zu welchem Grad sich Mitarbeitende in ihre beruflichen Rollen einbringen und gleichzeitig physisch, kognitiv und emotional, also mit Händen, Kopf und Herz, bei der Arbeit sind. Damit kann nicht nur die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden gemessen, sondern es können auch Verbesserungspotenziale identifiziert werden. Der ­Gesundheitszustand des Einzelnen wird jedoch nicht erhoben und schon gar nicht gespeichert.
Unternehmen sollten also nicht die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden kontrollieren. Vielmehr sollte es darum gehen, ihnen ein optimales Arbeitsumfeld bereitzustellen. Ein Unternehmen hat selbst das grösste Interesse daran, dass sich die Mitarbeitenden wohlfühlen und gesund sind. Denn nur dann können diese ihre bestmögliche Leistung überhaupt abrufen.

Yves Gogniat, Rechtsanwalt, Wicki Partners AG: «Grundsätzlich müssen Mitarbeitende Fragen zum Gesundheitszustand nicht beantworten und können sogar zur Notlüge greifen.»

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Die Überprüfung des Gesundheitszustands von Arbeitnehmenden birgt immer wieder arbeitsrechtliches Konfliktpotenzial. Grundsätzlich müssen Mitarbeitende Fragen zum Gesundheitszustand nicht beantworten und können sogar zur Notlüge greifen. Erkrankungen oder Gebrechen dürfen aber nur verheimlicht werden, wenn diese für die Ausübung der Stelle kein zwingendes Ausschlusskriterium darstellen. Sprich: Die Arbeitstauglichkeit darf dadurch nicht verunmöglicht werden.
Ein Hundesitter, der allergisch auf Hundehaare ist, muss das beispielsweise von sich aus beim Bewerbungsgespräch offenlegen. In solchen Fällen können falsche Angaben sogar einen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen, wobei die Rechtspraxis hier nicht einheitlich ist und die Hürden dafür hoch sind. In einigen Berufen ist eine Gesundheitsprüfung sogar gesetzlich vorgeschrieben. Dieser muss ein Arbeitnehmender Folge leisten. Aufgrund des Persönlichkeitsschutzes darf der Arbeitgebende aber keine direkten Gesundheitsbefragungen durchführen, sei das im persönlichen Gespräch oder mittels Fragebogen.
Die Prüfung hat zudem durch einen Dritten zu erfolgen, beispielsweise einen Vertrauensarzt. Dieser darf im Anschluss den Arbeitgebenden nicht im Detail informieren. Er teilt ihm lediglich mit, ob der Mitarbeitende die Gesundheitsprüfung bestanden hat oder nicht. Die Verweigerung einer gesetzlich vorgeschriebenen Gesundheitsprüfung kann jedoch einen Kündigungsgrund darstellen. Kündigt der Arbeitgebende bei einer Verweigerung einer freiwilligen Untersuchung, wäre das jedoch missbräuchlich und kann zu einem Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmenden führen. Davon abzugrenzen sind vertrauens­ärztliche Untersuchungen, die infolge krankheitsbedingter Absenzen oder wegen eines begründeten Verdachts einer Arbeitsuntauglichkeit erfolgen.

Myriam Best, HR Strategies, HR Campus AG: «Dass Alkohol-, Drogen- oder allgemeine Leistungstests bei Berufsgruppen wie Piloten oder Lokführer durchgeführt werden, scheint sinnvoll.»

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Wo liegen die Grenzen, wenn es darum geht, die Leistungsfähigkeit, Gesundheit oder den Drogen- und Alkoholkonsum von Mitarbeitenden zu überprüfen? Dass Alkohol-, Drogen- oder allgemeine Leistungstests bei Berufsgruppen wie Pilotinnen und Piloten, Lokführerinnen und Lokführer sowie in der Armee oder bei der Rekrutierung von Polizistinnen und Polizisten durchgeführt werden, scheint sinnvoll. Dabei handelt es sich um Berufe, die in einer sicherheitskritischen Umgebung ausgeführt werden. Eine gute physische und psychische Verfassung ist deshalb Voraussetzung für diese Tätigkeiten.
Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit können zur direkten Gefahr für Drittpersonen werden. Doch aus rechtlicher Sicht entsteht durch eine Kontrolle ein direkter Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen. Medizinische Auskünfte unterliegen zudem der Schweigepflicht, weshalb etwa ein Betriebsarzt keine Auskünfte an den Arbeitgebenden zur Gesundheit eines Mitarbeitenden geben darf, ausser, es wurde im Arbeitsvertrag so festgelegt. Gesundheitstests sollten daher immer auf freiwilliger Basis geschehen und eine klare Ausnahme bleiben.
Dennoch hat die physische und psychische Gesundheit der Arbeitnehmenden Priorität. Denn kerngesunde Mitarbeitende bilden die Basis für ein sicheres und erfolgreiches Unternehmen. Arbeitgebende können ihre Belegschaft beispielsweise sensibilisieren, besser mit Stress umzugehen oder einen gesunden Lebensstil zu pflegen. So schaffen es Firmen, die grundlegenden Ursachen von beispielsweise Suchtproblemen anzugehen und zugleich eine gelebte Vertrauenskultur im Betrieb zu verankern.
Ergänzend könnte mittels einer freiwilligen, anonymen Umfrage Feedback zur aktuellen Befindlichkeit und zum Unterstützungsbedarf der gesamten Belegschaft eingeholt werden. Die zusammengefassten Ergebnisse könnten anschliessend dazu verwendet werden, um geeignete Massnahmen abzuleiten. So wird die Privatsphäre der Angestellten nicht verletzt und die Förderung der Gesundheit basiert auf Prävention, Freiwilligkeit und Vertrauen.

 

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