HR-Debatte

Graphologische Gutachten

Um für eine vakante Stelle den besten Kandidaten zu finden, stehen Rekrutierern 
verschiedene Methoden zur Auswahl. Eine davon ist das graphologische Gutachten. 
Doch kaum ein Auswahlverfahren ist derart umstritten wie die Analyse der Handschrift. 
Früher häufig eingesetzt, wird sie heute oft als unseriös und pseudowissenschaftlich 
abgetan. Ursula Keist, Leiterin HR im Eventhotel Seedamm Plaza, sieht das anders. 
Sie ist Verfechterin der graphologischen Gutachten. Auf der Kontra-Seite tritt ihr Alex 
Khatuntsev entgegen, HR Director bei der Actelion Pharmaceuticals Ltd.

«Die ersten Eindrücke werden in den meisten Fällen bestätigt»

Das Eventhotel Seedamm Plaza in Pfäffikon setzt bei der Rekrutierung von Kadermitarbeitern seit vielen Jahren graphologische Gutachten ein. Unsere Erfahrungen damit sind durchaus positiv. Berücksichtigt werden dabei die Persönlichkeit, die Intelligenz und das Leistungsverhalten der Kandidaten. Die Auswertung der Handschrift kann somit im Rekrutierungsprozess durchaus ein entscheidendes Element für oder gegen den Kandidaten sein.

Bisher waren alle Interessenten damit einverstanden, ein graphologisches Gutachten erstellen zu lassen, und kaum ein Bewerber war von seiner Persönlichkeitsbeschreibung nicht begeistert – oder konnte sich darin nicht finden. Ab und zu wird vielleicht skeptisch darauf reagiert, jedoch spätestens bei der vorliegenden Auswertung ist der Kandidat positiv davon überzeugt. Denn eine graphologische Einschätzung ist weder stimmungsabhängig noch manipulierbar, und selbst wenn die Handschrift verstellt wird, wird dies vom Graphologen erkannt.

Graphologische Wertungen sind absolut vertraulich zu behandeln und können durchaus wegentscheidende Auswirkungen haben, daher sollten sie nur von hoch qualifizierten und topseriösen Graphologen erstellt werden. Wir werden seit 15 Jahren vom gleichen ausgewiesenen Graphologen begleitet, alle unsere Entwicklungen und Veränderungen sind ihm bekannt. Er interessierte sich stets für unsere Unternehmung und kennt somit unsere Bedürfnisse und die Ansprüche an neue Kaderpersonen.

Auch während der laufenden Zusammenarbeit im Betrieb ist die graphologische Beurteilung ein hilfreiches Instrument. Bei Veränderungen, Entwicklungen oder auch Krisen im Unternehmen trägt die Charakterbeschreibung zum besseren Verständnis und zur Klärung von schwierigen Situationen bei. 

Durch die graphologischen Auswertungen sind unsere Rekrutierungen im Kaderbereich effizient und gezielt. Die ersten Eindrücke werden in den meisten Fällen bestätigt und vertieft. Stärken können von Anfang an genutzt werden, und auf Schwächen kann rechtzeitig eingegangen werden. Im Grunde genommen ist der Inhalt des Schreibens für den Graphologen nicht massgebend, jedoch bitten wir jeweils die Kandidaten um eine Beschreibung, warum sie sich für die richtige Persönlichkeit halten und aus welchen Gründen wir uns für sie entscheiden sollen. Oftmals entstehen daraus richtige Statements für die zukünftige Zusammenarbeit.

Verbunden mit weiteren Kriterien sind die graphologischen Gutachten Bestandteile  einer sorgfältigen Rekrutierung und einer daraus resultierenden, erfolgreichen Zusammenarbeit. Wir werden daher sicher auch in Zukunft unseren Graphologen in die Auswahlverfahren miteinbeziehen. 

  • Ursula Keist ist Leiterin Human Resources im Kongress- und Seminarhotel Seedamm Plaza in Pfäffikon am Zürichsee.

 

«Graphologie ist so aussagekräftig
wie Astrologie»

Zu den Merkmalen einer leistungsstarken, professionellen Organisation gehören die Methoden zur Talentidentifizierung sowie – namentlich in Bezug auf die Rekrutierung – der Einsatz wirksamer und zuverlässiger Auswahlinstrumente. Wirksamkeit bezieht sich hier auf die Frage, inwieweit eine Auswahlmethode jene Grössen misst, die sie messen soll. Zuverlässigkeit der Methode bedeutet, dass bei gleichen Messungen immer wieder die gleichen Ergebnisse erzeugt werden. Als Instrument zur Messung von Persönlichkeitsmerkmalen und Vorlieben sowie zur Vorhersage der Arbeitsleistung fehlt es der Graphologie an Wirksamkeit und Zuverlässigkeit. Obwohl manche Argumente für die Graphologie sprechen, haben Studien gezeigt, dass sich Persönlichkeitsmerkmale und Arbeitsleistung mit dieser Methode nicht schlüssig vorhersagen lassen. Die British Psychology Society setzt die Graphologie mit der Astrologie gleich, der sie keinerlei Aussagekraft zugesteht.

Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass ich als HR-Spezialist glaubwürdig erscheine. Dies nicht nur im Hinblick auf meinen eigenen Erfolg, sondern auch auf die Fähigkeit, mit nützlichen Ergebnissen zum Erfolg meiner Kunden beizutragen. Deshalb stütze ich mich bei der Beratung von Führungskräften in Einstellungsfragen niemals auf unseriöse Auswahlinstrumente, zumal es sich um einen der wichtigsten Prozesse einer Organisation handelt. In Unternehmen, die nach Leistungssteigerung streben, sind datengesteuerte, forschungsgestützte und erprobte Lösungen erwünscht, die beweisen, dass das HR geschäftlichen Mehrwert erzeugt.

Darüber hinaus stünden die Reputation eines Unternehmens und das Image als Arbeitgeber auf dem Spiel, wenn Bewerber feststellen, dass veraltete oder ungültige Rekrutierungsmethoden angewandt werden. Gewiss: Für Unternehmen, denen es gleichgültig ist, wie sie von Bewerbern angesehen werden, mag dies keine Rolle spielen; ausschlaggebend ist letztlich, welche Unternehmensstrategie im Bereich Talentsuche und -management verfolgt wird. Als junger Kandidat aus der neuen Arbeitskräftegeneration würde ich aber darauf achten, wie man mich beim Auswahlverfahren behandelt.

Auch in juristischer Hinsicht stellt der Einsatz der Graphologie als Rekrutierungsinstrument ein Risiko dar, vor allem für internationale Unternehmen, die sich der Gleichbehandlung der Geschlechter verpflichtet fühlen. So ermöglichen beispielsweise die Bundesgesetze gegen Diskriminierung in den USA den Betroffenen, erfolgreich zu klagen. Die Analyse der Handschrift lässt Rückschlüsse auf das Geschlecht, die Rasse oder die Nationalität zu, welche die Beurteilung des Graphologen beeinflussen und letztlich zu Diskriminierung führen können.

Ich möchte hier nicht dogmatisch erscheinen und habe auch Verständnis für die menschliche Neugier, «sich selbst zu erkennen». Für gewisse Leute kann die Graphologie bei der Beurteilung eines Kandidaten durchaus von Interesse sein. Dennoch stellt sich im Geschäftsleben die Frage: Warum wertvolle Zeit und Mittel für etwas verschwenden, das so aussagekräftig ist wie die Astrologie? Würden Sie als Unternehmer einem derart unprofessionellen und juristisch riskanten Verfahren vertrauen, um die bestmöglichen Talente für Ihre Organisation auszuwählen? Ich nicht.

  • Alex Khatuntsev ist
 Human Resources
 Director bei der Actelion Pharmaceuticals Ltd. Er hat einen Master in HRM und ist zertifiziert in psychometrischer Bewertung nach SHL & Lominger, Professional Certified Coach.
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