Hochflexible Netzwerk-Arbeit
Der «Impact Hub Zürich» ist eine pionierhafte Brutstätte innovativer Geschäfts- und Arbeitsmodelle. Augenschein in einem real existierenden Zukunftslabor.
Alles andere als ein 9-to-5-Job: Die HR-Dienstleistungs-Jungunternehmerinnen Nicole Stadler und Sunnie Tölle haben sich im «Hub» mit der Firma Inspire925 selbständig gemacht. (Bild: zVg)
Seit 2011 findet sich unter den rund 60 Bahn-Viaduktbögen im Zürcher Stadtkreis 5 nicht nur ein pulsierendes Konglomerat angesagter Boutiquen, Kulturlokale und Restaurants, sondern auch eine Brutstätte neuer Arbeitswelten. Im doppelten Sinn: Einerseits ist der «Impact Hub Zürich» Innovationslabor für rund 50 Start-ups aus den Sektoren Dienstleistung, Umwelt und Technologie, die sich mit ihren zukunftsträchtigen Geschäftsideen explizit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit verpflichtet haben. -Andererseits ist der Hub als (bezahlbare) Andockstelle einer geteilten Arbeitsplatzinfrastruktur und Begegnungsort für 300 assoziierte Unternehmerpersönlichkeiten selbst ein Mus-terbeispiel dafür, wie modular-flexible Arbeitswelten von morgen aussehen könnten.
Im Schnitt arbeiten im Hub täglich 20 bis 30 Leute an ihren Projekten. Wer Teil der Community sein will, muss sich einem Aufnahmever-fahren stellen und kann – sofern Geschäftsidee und Persönlichkeit überzeugen – zwischen fünf verschiedenen Membership-Packages wählen. Deren Gebühren bewegen sich monatlich zwischen 40 Franken für das Member-Modell «Hub Connect» mit freiem Zugang zum «Working-space» an einem Tag pro Monat, Gratis-Filterkaffee, Tee und Highspeed-Internet sowie diversen Vergünstigungen im internationalen Hub-Netzwerk und 450 Franken für das Member-Modell «Unlimited» mit eigenem Schlüssel, Anspruch auf Beratung am «Hub Business Helpdesk» und Teilnahme an «Peer-2-Peer»-Coachings, Privat-Schliessfach und monatlich acht Stunden Gratisnutzung von Sitzungsräumen.
Im Bogen E, der als Gemeinschaftsbüro konzipiert ist, sitzen die Anwesenden in ruhiger und konzentrierter Atmosphäre an einem frei wählbaren Arbeitsplatz im Erdgeschoss oder auf der Galerie hinter ihren Laptops, während andere sich für (Skype-)Telefonate in schalldichte Telefonkabinen und für Meetings in Sitzungsräume für vier bis 16 Personen zurückziehen. Der Bogen D ist derweil mit einer Bühne, gestufter Zuschauerrampe, Bar und Helpdesk als Interaktionsraum konzipiert, der bis zu 100 Personen Platz bietet.
Eines der rund 50 Start-up-Unternehmen, das sich erfolgreich ans Hub-Netzwerk angedockt hat, ist auch im HR-Sektor aktiv: Sunnie Tölle hat im Juli gemeinsam mit ihrem Bruder Lyle und der ehemaligen Google-HR-Mitarbeiterin Nicole Stadler die Firma Inspire925 GmbH gegründet, die sich auf die Konzeption, Entwicklung und Implementierung von Mitarbeiterengagement-Programmen spezialisiert hat. Ihre Vision steht gleichermassen programmatisch für das eigene Unternehmen als auch für das Hub-Konzept: «Es ist unsere Vision, eine Arbeitswelt zu gestalten, wo jeder Mitarbeiter engagiert und inspiriert bei der Arbeit sein kann.»
Die Arbeitsorganisation der Zukunft
Heute hier, morgen dort
«Keine Zeiterfassung, kein fester Arbeitsplatz, keine Organigramme, keine Stellenbeschreibungen, keine Chefs, keine fixen Saläre. Arbeiten im Netzwerk, Glaubwürdigkeit als Währung: Erfolgreiche Unternehmen der Zukunft funktionieren nach anderen Regeln als heute. Bei meiner ersten Beförderung wurde ich zum Generaldirektor zitiert. Er machte mich darauf aufmerksam, dass ich meine Arbeitskraft die nächsten zehn Jahre loyal dem Unternehmen in den Dienst zu stellen habe.
Loyalität wurde belohnt mit Sicherheit. Heute ist Loyalität höchstens noch eine Massgabe für die Abgangsentschädigung. Innovation und Kreativität sind die entscheidenden Wettbewerbsfaktoren der Zukunft, Agilität und Anpassungsfähigkeit. Rasche Lösungsfindung und Einbindung aller Mitarbeitenden in den Denkprozess machen den Unterschied. Keine Zeit für bürokratische Budgetierungsprozesse, Beförderungsrunden und feste Hierarchien.
Der Niedergang von RIM als Hersteller von Blackberry-Smartphones hat keine fünf Jahre gedauert. Wikipedia hat knapp 70 Angestellte und ist weltweit eine der führenden Enzyklopädien. Hochflexible Organisationen bieten immer weniger Langzeitjobs. Sie mobilisieren Netzwerke. Mehr Projektarbeit, weniger feste Anstellungen. Flexible Arbeitszeiten und mobile Arbeitsplätze geben Arbeitnehmern nicht nur mehr Freiheit. Sie stellen hohe Anforderungen an die Selbstorganisation und das unternehmerische Denken. Das mag bedrohlich klingen, ist aber auch befreiend. Gerade in einem gut funktionierenden, liberalen Arbeitsmarkt wie der Schweiz wird es ungeahnte Möglichkeiten geben, Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen und zu finden.»
- Christoph Jordi ist CEO des Beratungsunternehmens DoD!fferent und Veranstalter der 24thinkpark-Konferenz.