HR Today Nr. 12/2020: Globales HR – Grenzgänger*innen

Homeoffice für Grenzgänger

Ausnahmeregelungen während der Covid-19-Pandemie haben die Einführung von Homeoffice für Grenzgängerinnen und Grenzgänger erleichtert. Doch was bleibt und was kommt nach der Pandemie?

Innert kürzester Zeit hat die Covid-19-Pandemie im inter­nationalen Bereich zahlreiche Ausnahmeregelungen geschaffen. So unterstützt auch das europäische Umland aus gesundheitspolitischen Erwägungen den von Bundesrat Berset geprägten Slogan «Bleiben Sie zuhause!». Da die üblichen Regelungen genau das bei Grenzgängerinnen und Grenzgängern bisher erschwert hatten, wurden verschiedene Massnahmen ergriffen, um Arbeitgebende zu ermutigen, Homeoffice zuzulassen. Diese Regeln mit klaren Enddaten oder Kündigungsformalitäten sind momentan je nach Vereinbarung mit dem jeweiligen Nachbarstaat noch in Kraft.

Das Zurück zum Alltag wird kommen und die jetzt geltenden Ausnahmeregelungen werden aufgehoben oder nicht verlängert werden. Ab diesem Punkt können Arbeitgebende und Grenzgängerinnen und Grenzgänger nicht mehr unbekümmert entscheiden, wie die künftige Homeoffice-Konstellation aussehen soll. Nachdem zahlreiche Mitarbeitende sich ans ­Homeoffice gewöhnt und dessen Vorteile zu schätzen gelernt haben, besteht für viele Firmen deshalb ein grundlegender ­Entscheidungs- und Erklärungsbedarf. Einige wesentlichen ­Aspekte und Risiken zur Arbeit im Homeoffice bei Grenzgängerinnen und Grenzgängern mit Wohnsitz im Ausland sind:

Sozialversicherungen

25-Prozent-Regel
Die Schweiz und ihre Nachbarstaaten haben bestimmt, dass sich die Sozialversicherungssituation aufgrund von Covid-19-­Einschränkungen nicht ändern soll. Eine Person wird also auch dann als in der Schweiz erwerbstätig betrachtet, wenn sie ihre Tätigkeit nicht physisch in der Schweiz ausüben kann. Mit Beendigung dieser flexiblen Anwendung des europäischen Koordinationsrechts tritt jedoch wieder die 25-Prozent-Regel in Kraft. Demnach müssen Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die über 25 Prozent ihrer Arbeitszeit an ihrem Wohnsitzstaat verbringen, Sozialversicherungsabgaben auch überwiegend dort bezahlen. Ausnahmen sind Drittstaatenangehörige und mangels eines Dachabkommens auch EU- und EFTA-Länder. Beispielsweise, wenn ein deutscher Staatsangehöriger in Liechtenstein wohnt und in der Schweiz arbeitet. In diesen Fällen kommt das bilaterale Sozialversicherungsabkommen zwischen den Ländern und somit eine andere Regelung zur Anwendung.

A1-Bescheinigung
A1-Bescheinigungen dienen als Nachweis der anwendbaren Rechtsvorschriften zur sozialen Sicherheit. A1 besagt, dass eine Person nur in dem Land Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat, wo das Formular A1 ausgestellt wurde. Dies verhindert, dass ein anderes Land dieselben Ansprüche stellen kann. Während der aktuellen Gesundheitskrise ist eine A1-Bescheinigung für eine coronabedingte Veränderung der Arbeitskonstellation meist nicht erforderlich, da die Versicherungssituation sich nicht verändert hat. Nach der Pandemie ist es jedoch erneut notwendig, eine A1-Bescheinigung für Mitarbeitende bei einer gewöhnlichen und regelmässigen Tätigkeit in einem EU- und EFTA-Land ausserhalb der Schweiz einzuholen. Für die Beurteilung der Sozialversicherungsunterstellung ist die physische Tätigkeit in einem Land fast ausnahmslos entscheidend. Die simple Regelung, dass nicht über 25 Prozent der Arbeit im Ausland geleistet werden darf, erweist sich als unzureichend, wenn Mitarbeitende im Wohnsitzland oder einem weiteren EU- oder EFTA-Land ausserhalb der Schweiz Nebenverdiensten nachgehen. Homeoffice und Nebentätigkeiten sind also in Kombination zu berücksichtigen, um bei der Sozialversicherungsunterstellung keine bösen Überraschungen zu erleben.

Steuern

Steuergrundsätze
Aus steuerlicher Sicht kann die Situation eines Arbeitnehmenden sehr stark variieren, je nachdem, wo Arbeitnehmende wohnen und arbeiten. Grundsätzlich gilt das Prinzip der Besteuerung am Arbeitsort, womit die Schweiz nur die physisch in der Schweiz verbrachten Arbeitstage besteuern darf. Im Steuerrecht muss man jedoch zwischen echten und unechten Grenzgängern unterscheiden. Echte Grenzgänger kehren täglich an ihren Wohnsitz zurück. Ist dies nicht möglich oder unzumutbar, handelt es sich um unechte Grenzgänger und somit um internationale Wochenaufenthalter im steuerrechtlichen Sinn.

Proportionale Abführung
Die Abführung der Quellensteuer erfolgt auf Basis des gesamten Erwerbseinkommens anteilsmässig nach den verbrachten ­Arbeitstagen in der Schweiz. Falls ein Grenzgänger also nur einen Tag pro Woche von zuhause aus arbeitet, muss eine Quellensteuer auf 80 Prozent seines Einkommens abgeführt werden – zum Steuersatz von 100 Prozent des Einkommens. Die Bezahlung der Quellensteuer liegt in der Verantwortung des Arbeitgebenden, eine allfällige Reduzierung der Quellensteuer dagegen in der des Arbeitnehmenden.

Kalendarium
Da nur die effektiven Schweizer Arbeitstage in der Schweiz besteuert werden, muss der Arbeitnehmende einen lückenlosen Kalender führen, aus dem klar hervorgeht, welche Arbeitstage er in welchem Land verbracht hat.

Ausnahme während Covid-19
Die OECD empfiehlt grundsätzlich, dass die Besteuerung am Arbeitsort gemäss Artikel 15 auch während Covid-19 gilt. Falls Arbeitgebende aufgrund von Kurzarbeit jedoch Entschädigungen vom Staat erhalten, muss der Arbeitsort berücksichtigt werden, an dem ohne Covid-19 gearbeitet worden wäre. Mit Frankreich hat die Schweiz eine Verständigungsvereinbarung und mit Deutschland hierzu eine Konsultationsvereinbarung abgeschlossen. Demgemäss werden bei Grenzgängern jene Tage im Vertragsstaat besteuert, die ohne Covid-19-Massnahmen geleistet worden wären. Österreich dagegen besteht auf der Versteuerung der effektiven Homeoffice Tage während Covid-19.

Abwicklung

Wenn GrenzgängerInnen nach Covid-19 weiterhin mehr als 25 Prozent im Homeoffice an ihrem Wohnsitz arbeiten, müssen Sozialversicherungen im Wohnsitzstaat abgeführt und eine sogenannte Schattenlohnabrechnung eingerichtet werden. Das kann eine Geschäftsniederlassung im entsprechenden Land oder ein privater Anbieter erledigen. Die berechneten ausländischen Sozialversicherungsabzüge müssen der Lohnabrechnungsabteilung des Arbeitgebenden in der Schweiz für die Lohnabrechnung gemeldet werden. Ausschlaggebender ist aber, dass Mitarbeitende somit in ein anderes Sozialversicherungssystem wechseln. Dies hat besonders Konsequenzen für Mitarbeitende, die viele Jahre in das schweizerische Sozialversicherungssystem einbezahlt haben. Bestehen solche Mitarbeitende auf über 25 Prozent Homeoffice, müssen ihnen die Folgen in Bezug auf ihre Versicherungen und Pension aufgezeigt werden. Weil die im Wohnsitzstaat geleistete Arbeitszeit vom Arbeitnehmenden dort versteuert werden muss, fällt dies finanziell besonders bei deutschen unechten Grenzgängern ins Gewicht, die bisher in der Schweiz quellenbesteuert und in Deutschland befreit wurden.

Wichtig

Arbeitgebende müssen Sozialversicherungen für Grenzgängerinnen und Grenzgänger im zuständigen Land bezahlen. Bei einer falschen Abrechnung können Versicherer bei einem Versicherungsfall Leistungen verweigern. Das kann bei einem Invaliditätsfall tragische Auswirkungen haben. Bei regelmässigen Tätigkeiten im Homeoffice sollte eine proportionale Bezahlung der Quellensteuer für die Arbeitszeit in der Schweiz eingerichtet werden. Grenzgängerinnen und Grenzgänger müssen ihr Einkommen für Homeoffice-Tage im Wohnsitzstaat versteuern. Arbeitgebende stellen damit sicher, dass Grenzgängerinnen und Grenzgänger ihr Einkommen im Wohnsitzstaat richtig versteuern und Arbeitgebende nicht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung bezichtigt werden.

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Dagmar Richardson ist Inhaberin und ­Geschäftsführerin der International HR Services AG und ­unterstützt Firmen bei kürzeren oder längeren Arbeits­einsätzen im In- und Ausland. Zudem ist sie unter anderem für die ZGP und die ZHAW als Referentin tätig.

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Claude Angst ist ein ausgewiesener internationaler Steuerberater der Expat Tax Consulting GmbH. Er beschäftigt sich mit internationalen Steuerfragen und Verständigungsverfahren mit Steuerbehörden.

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