HR Today Nr. 9/2017: Im Gespräch

«Ich kenne den Verein»

Nach über 20 Jahren im operativen HR hat Barbara Aeschlimann die Geschäftsführung der Zürcher Gesellschaft für Personalmanagement (ZGP) übernommen, die sie als grösste regionale Unterorganisation des Dachverbandes HR Swiss modernisieren und neu ausrichten will.

Frau Aeschlimann, was war Ihre Motivation, den HR-Chefposten bei EY Schweiz zu verlassen und bei der ZGP die Geschäftsleitung eines Verbandes zu übernehmen?

Barbara Aeschlimann: Nach einer recht langen Zeit in dieser Funktion stellte sich mir die Sinnfrage. Wofür will ich mich einsetzen und welchen Sinn kann ich stiften? Nach mehr als zwanzig Jahren Erfahrung im operativen HR war für mich die Zeit reif, eine Horizonterweiterung anzustreben. Ich durfte in verschiedenen Rollen – vom Projekt-Manager bis zum HR Director – und in unterschiedlichen Branchen Erfahrungen sammeln. Dieser Erfahrungshintergrund ermöglicht mir eine umfassende Herangehensweise an die neue Rolle. Zudem war ich ja bereits mehrere Jahre Vorstandsmitglied bei der ZGP. Ich kenne also den Verein. Unter anderem war und bin ich auch Chair Woman der International Human Resources Community (IHRC), dem internationalen Zweig der ZGP. Dabei habe ich auch Ideen entwickeln können, wie sich der Verein und die Community modernisieren und neu ausrichten liessen. Immer mit dem Ziel, für die Mitglieder attraktiv zu bleiben und den Leuten einen Mehrwert zu bieten.

Mit welchen Zielen verbinden sie Ihren Amtsantritt an der Spitze der ZGP?

Ich bin fasziniert von der Breite der neuen Aufgabe und auch der Change-Aspekt reizt mich sehr. Ich habe grosse Change-Projekte selbst verantwortet und sehe hier Parallelen, durchaus aber auch spezifische Eigenheiten aufgrund der Vereinsstruktur. Ich verstehe mich als Facilitator und Moderatorin der Interessen und Trends, mit dem Ziel, den Mitgliedern neues und spannendes Wissen zur Verfügung zu stellen. Ich möchte die ZGP modernisieren, bei den Angeboten, insbesondere aber auch bei der Kommunikation. Stichwort Social Media und Community Communication.

Apropos Kommunikation: Sie haben mit hrm.ch in eine relativ kostspielige Online-Plattform investiert, die man neulich auf Eis gelegt hat ...

Das ist so, das war ein ZGP-Projekt. Und das ist auch sehr bedauerlich. Selbstredend war es nicht die Absicht, ein Projekt zu lancieren, das nach so kurzer Zeit scheitert. Wir sind eine Milizorganisation. Dahinter möchte ich mich jetzt nicht verstecken, aber es gibt natürlich Limiten, was die Ressourcen und damit auch die Maintenance angeht. Nicht im Sinne von technischem Unterhalt, sondern im Sinne inhaltlicher Pflege. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die man möglicherweise etwas unterschätzt hat. Am Ende hat dies nun zum wahrscheinlich sehr weisen Entscheid geführt, das Projekt für den Moment stillzulegen.

Wäre es auch eine Option gewesen, wieder eine HR-Führungsrolle zu übernehmen?

Das habe ich mir gut überlegt. In früheren Jahren habe ich mir immer vorgestellt, dass es noch schön wäre, in einem Produktionsbetrieb eine HR-Rolle zu haben. In einer Firma, die ein konkretes Produkt herstellt und in der die angebotene Dienstleistung weniger abstrakt ist. Ich bin allerdings zum Schluss gekommen, dass ich genug habe von dieser Transaktions-Büez.

Was meinen Sie mit «Transaktions-Büez»?

Der Anteil transaktionaler Arbeit ist im HR immer noch relativ hoch: Man muss schauen, dass die Zeugnisse gemacht sind, dass die Recruiting- Pipeline stimmt und alle Leute bedient sind. Daran wird man letztlich auch gemessen. Ich habe realisiert, dass ich davon eigentlich genug habe. Klar ist man im HR ein Dienstleister. Und ich halte nach wie vor das Credo hoch, dass Führen auch Dienen heisst. Dies gilt auch für meine Aufgabe bei der ZGP. Allerdings bin ich jetzt in der Art und Weise der Gestaltung meiner Arbeitsinhalte viel freier sowie auf Augenhöhe mit den Mitgliedern und habe einen breiteren Aktionsradius. Das spricht mich an, weil mehr Kreativität gefragt ist. Jetzt muss und darf ich mich um sämtliche Belange kümmern: um Mitglieder, Marketing, Wachstum und Inhalte. Das ist toll. Ich habe die HR-Rolle immer gern ausgefüllt, aber für mich war der Zeitpunkt für etwas Neues gekommen, das auch meinem Wunsch nach mehr Sinnhaftigkeit entspricht.

Welche Zwischenbilanz ziehen Sie nach fünf Monaten im neuen Job?

Ich sehe schon nach wenigen Monaten, dass ich meinen Erfahrungsschatz gewinnbringend einbringen kann, und es bereitet mir grosses Vergnügen, mich mit engagierten Mitgliedern sowie Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Bildungswesen konstruktiv auseinanderzusetzen. Wir haben bei der ZGP drei Pfeiler, die einem modernen HR-Verständnis entsprechen. Einerseits der Wissensgedanke, also die Vermittlung von State-of-the-Art-Wissen, zweitens das Standbein der Weiterbildungen und drittens der Netzwerkgedanke – egal ob analog oder digital. Der persönliche Austausch entspricht klar einem Bedürfnis der Mitglieder. Namentlich bei unserer Nachwuchs-Community «Young@ZGP», die ein intensives Peer-Coaching pflegt. So schwebt mir das auch für die anderen Communitys vor, wo der Netzwerkgedanke heute vielleicht noch etwas stärker fachlich gelagert ist.

An diesen drei Pfeilern wollen Sie also festhalten?

Ich bin noch in der Analysephase und verschaffe mir gerade auch einen genaueren Einblick in die Zahlen. Ich versuche herauszufinden, was unsere Mitglieder eigentlich genau suchen. Am Ende lebt der Verein ja von unseren derzeit rund 2500 Mitgliedern. Wir müssen das Angebot entlang der Nachfrage ausrichten. Als Vorstandsmitglied vom nationalen Verband HR Swiss, betrachte ich uns als Fachinstanz, die auch weitergehende Schnittstellen pflegen sollte. Etwa zu Öffentlichkeit, Politik oder Gesetzgebung. Wir sind die, welche über HR-Themen Bescheid wissen. Und zwar HR im Sinne von Personalmanagement. Dafür steht ja das «P» in unserem Namen. Es geht eben nicht nur um HR-Leute, sondern um Fragen, die alle betreffen – Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Da wollen wir uns stärker in die Diskussionen einbringen und eine Meinung vertreten.

Dann wird man Sie also künftig öfter in Talkshows sehen?

Durchaus. Vielleicht auch mal in einer Arena. Selbstverständlich sind wir als Verein kein politisches Organ. Es geht nicht darum, extrem für politische Vorlagen zu kämpfen. Unsere Rolle besteht vielmehr darin, aufzuzeigen, welche Konsequenzen gewisse politische Entscheidungen haben können. Etwa auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Das Arbeitsgesetz ist ein absolut heisses Thema. Deshalb tauschen wir uns bei der Arbeitsgesetzesrevision mit anderen Verbänden aus und bilden eine Meinung. Bei der ZGP ist uns insbesondere der Gesundheitsschutz ein Anliegen, wobei der Aspekt der psychischen Gesundheit in unserer entgrenzten Arbeitswelt ein besonderes Augenmerk verdient. Natürlich stehen auch Vergütungsfragen oder Fragen nach dem Umgang mit künftigen Business-Modellen – Stichwort Uber – im Zentrum unseres Interesses.

Gutes Stichwort, was ist beim Thema der «Uberisierung» Ihr Standpunkt?

Wir möchten aufzeigen, was solche Business- und Arbeitsmodelle einerseits für eine HR-Organisation bedeuten, andererseits, was solche Modelle mit den Leuten so macht. Man sieht diese Entwicklung ja oft ein bisschen als Schreckgespenst, weil alle nur noch temporär beschäftigt sind, die Leute ausgenützt werden und sie die vollen Sozialkosten oft selber tragen müssen. Interessanterweise hat eine Untersuchung gezeigt, dass die Zufriedenheit und der subjektiv empfundene Gesundheitszustand solcher Arbeitnehmer höher sind als von solchen, die über längere Zeit in einer klassischen Corporate-Struktur arbeiten. Das hängt wohl damit zusammen, dass man im zweiten Fall als Arbeitnehmer stärker firmenpolitischen Auseinandersetzungen ausgesetzt ist, vielleicht in Karrierekämpfe verwickelt ist oder sonst um eine Position kämpfen muss.

Sie sprechen aus eigener Erfahrung?

Wenn man sich länger in der Corporate-Welt bewegt, sieht man natürlich links und rechts resignierte Leute. Und man sieht auch, was es anrichten kann, wenn man sich im Job über ein gesundes Mass hinaus engagiert. Das Ich-AG-Modell gibt einem dagegen eine gewisse Unabhängigkeit, die eben nicht nur negativ ist.

Zurück zur Analyse-Phase. Hand aufs Herz: Welche Situation haben Sie in der ZGP vorgefunden?

Was ich angetroffen habe, ist eine funktionierende Geschäftsstelle mit einem sehr engagierten und motivierten Team von sechs Leuten. (Überlegt.) Es hat bestimmt noch Luft nach oben. Damit meine ich, dass wesentliche Schritte der Zukunftsorientierung noch nicht eingeleitet wurden. Auch bei den Stichworten Digitalisierung und Wachstum. Wir müssen wachsen, an «Dichte» und Grösse. Es geht mir dabei nicht darum, finanziell Profit zu machen, aber man muss etwas Geld verdienen, wenn man investieren will, um für die Mitglieder attraktiv zu bleiben.

Die Mitgliederzahlen sind also rückläufig?

Sagen wir es so: Es hat sich etwas verschoben. Während unsere Communitys wie der IHRC, und Young@ZGP oder unsere Recruiting-Community einen Zulauf verzeichnen, war die klassische ZGP-Mitgliedschaft in den vergangenen Jahren tendenziell leicht abnehmend. Der Trend, dass der spezialisierte Austausch einen Zulauf erlebt, ist für mich keine Überraschung. Die Communitys sind ein wichtiges Standbein, in denen ich grosses Zukunftspotenzial erkenne.

Welche Bedeutung hat für Sie in diesem Kontext der ZGP Circle, der mit seinem doch eher elitären Approach eine Art «Club der HR-Häuptlinge» darstellt?

Der Circle umfasst rund 80 Mitglieder und ist für uns eine Flagship-Community. In der Tat erhält man nur auf Empfehlung Zutritt. Wir haben dort den Fokus bewusst nur auf HR-Leiter gelegt. Dabei geht es nicht nur um die Hierarchiestufe, sondern natürlich auch um die Interessenslage. Das sind Leute, die einen sehr generalistischen Blick haben und in den meisten Fällen in der Geschäftsleitung sitzen oder beisitzen – wobei das keine Bedingung ist. Der Präsident kümmert sich persönlich um den Circle und ist dort auch der Gastgeber. Wir haben realisiert, dass wir auch dort punkto Event-Formate gewisse Modernisierungen vornehmen müssen. Neuerdings bieten wir mit den sogenannten «CEO-Circles» die Möglichkeit, mit CEOs ins Gespräch zu kommen, um sich etwa über neue Führungsmodelle zu unterhalten. Wie letzthin beispielsweise mit dem CEO von Transa, Daniel Humbel. Das war sehr inspirierend.

Ihr Amtsantritt ging mit einigen Rochaden im Vorstand einher. Ein Zeichen des Aufbruchs?

Bei der ZGP hatten wir zwei Wechsel. Das ist einerseits schade, weil uns sehr geschätzte Kollegen verlassen haben. Auf der anderen Seite ist es schön, dass im Vorstand frischer Wind und neue Ideen Einzug halten. Wir haben den Vorstand strategisch und inhaltlich neu aufgestellt, indem jedes Vorstandsmitglied ein spezifisches HR-Fachgebiet vertritt. Diese Spezialisierung scheint uns wichtig, um der Realität gerecht zu werden. Die Neuausrichtung erlaubt es uns auch, künftig je nach Bedarf flexibel weitere Kompetenzen in den Vorstand zu holen. Das stärkt auch die Relevanz der ZGP. Mit Barbara Bourouba, die als Vizepräsidentin den Seminarbereich verantwortet, bin ich derzeit intensiv am Überlegen, wie zukunftsträchtige Seminarformate aussehen könnten. In diesem Zusammenhang sind wir auch im Austausch mit HR Today und der Mehrwertfabrik Oerlikon MFO.

Wie lautet Ihre Message ans HR-Publikum?

Die Erwartungen an die neue Geschäftsführung sind im Verein sicher hoch. Die Rückmeldungen zeigen – und das entnehme ich auch den Gesprächen mit Mitgliedern –, dass die einen natürlich gerne Altes bewahren würden, ein grosser Teil sich aber Veränderungen wünscht. Deshalb ist mir der Austausch sehr wichtig, um mir von den Bedürfnissen ein klares Bild zu machen und Inputs aufzunehmen. Für grössere Veränderungen möchte ich mir jedoch Zeit lassen und wichtige Entscheide mit dem Vorstand fundiert abgestützt fällen, um nichts unbedacht aus dem Boden zu stampfen. 2018 wird man sicher feststellen, dass wir uns modernisiert haben und noch besser auf die Bedürfnisse unserer Mitglieder eingehen.

Zur Person

Barbara Aeschlimann (51) ist als jüngstes von drei Geschwistern in Aarau (AG) aufgewachsen. Ihren Abschluss als Doktorin der Philosophie erlangte sie nach einem sprachwissenschaftlichen Studium an den Universitäten Zürich und Bologna, bevor sie eine HR-Karriere startete.

Diese führt sie in verschiedenen Funktionen von der Bank Leu über die UBS und das Sozialdepartement der Stadt Zürich zu EY, wo sie über zehn Jahre lang als HR-Chefin wirkte. Seit 1. Juli 2017 ist sie offiziell Geschäftsführerin der Zürcher Gesellschaft für Personalmanagement (ZGP). Barbara Aeschlimann ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann in Zürich.

 

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Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

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