«Sei du die Veränderung»
Führungskräfte brauchen Nachhilfe in Sachen «Kulturwandel», so die Überzeugung von Unternehmensberater Sebastian Purps-Pardigol und Hotelier Bodo Janssen. Deshalb gründeten die beiden den «Club of Culture».
Bodo Janssen (links) (Bild: Monique Wüstenhagen) und Sebastian Purps-Pardigol (Bild: Windrich & Sörgel, Thorsten Steinhaus).
Herr Janssen, Herr Purps-Pardigol, Sie sagen, ein Kulturwandel sei in den Unternehmen notwendig. Weshalb? Können wir nicht einfach so weitermachen?
Bodo Janssen: Aktuelle Studien zeigen, dass ein grosser Teil der Mitarbeitenden innerlich gekündigt hat. Der Hauptgrund dafür ist der direkte Vorgesetzte, weshalb Chefs ihre Haltung gegenüber ihren Mitarbeitenden verändern sollten. Generell ist jedoch nicht nur die Chef-Mitarbeiter-Situation zu verbessern, sondern ebenso die Beziehungskultur im Unternehmen.
Sebastian Purps-Pardigol: In fast jeder Mitarbeiterbefragung, die wir in den vergangenen Jahren in zahlreichen Firmen gesehen haben, werden die Unternehmenskultur und das Verhältnis zum Vorgesetzten als Problemfelder benannt. Warum sich etwas verändern muss? Psychische Erkrankungen nehmen zu und es wird schwieriger, gute Mitarbeitende langfristig zu halten, wenn die Kultur nicht stimmt. Zudem brauchen Unternehmen Mitarbeitende, die ihre Potenziale voll entfalten, denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden für viele Firmen immer herausfordernder.
Weshalb klammern sich trotzdem weiterhin viele Unternehmen an starre Befehls- und Ausführkulturen?
Bodo Janssen: Ich sehe bei manchen Führungskräften der Hotelkette Upstalsboom, dass das viel mit Verlustängsten zu tun hat und mit der Frage: «Werde ich überhaupt noch gebraucht, wenn ich mein Wissen teile?» Viele Menschen glauben, dass sie mit der Machtausübung, die an eine Führungsfunktion gebunden ist, glücklich werden.
Bodo Janssen
Bodo Janssen hat mit der Hotelkette Upstalsboom ein vielbeachtetes Beispiel eines gelungenen Kulturwandels erschaffen. Waren seine Mitarbeitenden vor einigen Jahren noch hochunzufrieden und häufig krank, ist Upstalsboom seither zu einem der beliebtesten Arbeitgeber der Branche geworden. Die Krankheitstage sind um 80 Prozent gesunken, die Bewerberzahlen um 500 Prozent gestiegen und der Umsatz hat sich nebenbei nahezu verdoppelt.
Haben Hierarchien ausgedient?
Bodo Janssen: Hierarchien haben nicht unbedingt ausgedient. Wir müssen einfach anders damit umgehen. Firmen benötigen heute Strukturen und Organisationsformen, die genauso dynamisch sind wie das wirtschaftliche Umfeld, in dem wir uns inzwischen bewegen.
Sebastian Purps-Pardigol: Eine hierarchische Struktur zu leben, ist oftmals vollkommen in Ordnung. Die Frage ist vielmehr, mit welcher inneren Haltung und welchem Menschenbild solche Organisationen geführt werden. Ich glaube nicht, dass sich jede Organisation nach der Theorie von Laloux (Reinventing Organisations) oder nach Holacracy ausrichten lässt und agil arbeiten muss. Spätestens, wenn sich Fragen zur Digitalisierung und zur Innovation stellen, werden diese Organisationsformen jedoch relevant und man kann probieren, ob diese zum Unternehmen passen. Ich erlebe jedoch auch Organisationen, die neue, agil arbeitende Bereiche als eigenständige Firmen ausgliedern, weil das Kerngeschäft mit der klassisch-hierarchischen Struktur wunderbar funktioniert und die Mitarbeitenden auch glücklich damit sind.
Wodurch zeichnet sich eine zukunftsträchtige Kultur aus?
Sebastian Purps-Pardigol: Führungskräfte und Mitarbeitende begegnen sich auf Augenhöhe. Die Menschen fühlen sich mit dem Unternehmen verbunden und erleben Sinnhaftigkeit im eigenen Handeln. Es geht darum, dass Führungskräfte erkennen, was Menschen brauchen, damit sie sich entwickeln können. Damit einher geht auch die Umbenennung und Umgestaltung von Human Resources. Eigentlich ein schrecklicher Begriff. Damit degradiert man Menschen zu Objekten, die man wie Waren in einem Lager verschiebt oder abstellt und abschreibt, wenn man sie nicht mehr braucht. Verbundenheit entsteht jedoch nur, wenn sich Menschen als Menschen wahrgenommen fühlen. Sinnhaftigkeit entsteht dadurch, wenn ihr Handeln einen Unterschied macht oder wenn sie wissen, dass sich ihr Unternehmen fair verhält, beispielsweise, indem dieses seine Social-Corporate-Responsibility-Richtlinien offenlegt, diese lebt und darüber berichtet. Daneben spielt es aber auch eine Rolle, wie und ob der Vorgesetzte Feedback gibt, ob er die Arbeitsergebnisse seiner Mitarbeitenden anerkennt oder diese ignoriert. Aus der Forschung weiss man zudem, dass die innere Haltung des Vorgesetzten und sein Verhalten gegenüber den Mitarbeitenden deren Motivation steigern oder senken, je nachdem, ob der Vorgesetzte die Mitarbeitenden für fähig oder unfähig hält.
Sebastian Purps-Pardigol
Sebastian Purps-Pardigol arbeitete als Journalist, baute für Sony Music digitale Geschäftsfelder auf und zog danach in die Schweiz, wo er bei Ericsson eine globale Rolle übernahm. Bei Swisscom begleitete er die Diversifizierungsstrategie und machte sich noch während dieser Tätigkeit im Jahr 2008 als Führungskräfte-Coach und Organisationsberater selbständig. Er ist zertifizierter Coach und Facilitator und hat zu den Themen Hirnforschung, Führung und Kulturwandel Bücher sowie zahlreiche Fachartikel verfasst, unter anderem für HR Today.
Was sind die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Kulturwandel?
Sebastian Purps-Pardigol: In den vergangenen Jahren habe ich mehrere Dutzend Firmen analysiert, die aussergewöhnliche Unternehmenskulturen entwickelt haben. Dabei habe ich drei wiederkehrende Muster erkannt. Erstens braucht es Führungskräfte, die bereit sind, den Wandel bei sich selbst zu beginnen. Zweitens braucht es eine menschenzugewandte statt eine zahlenorientierte Haltung, denn wenn ich einen Kulturwandel nur aufgrund wirtschaftlicher Faktoren beginne, spüren das die Mitarbeitenden. Drittens braucht es Zeit: Nach zwölf Monaten bemerkt man zwar erste Veränderungen, abhängig von der Unternehmensgrösse dauert ein tiefgreifender Kulturwandel aber drei bis fünf Jahre.
Bodo Janssen: Die Führungskräfte müssen darüber hinaus offen für Veränderungen sein, sich demütig zeigen und während des Wandels ein steigendes Mass an Selbstkenntnis gewinnen. Der einzige Feind des Kulturwandels ist das eigene übersteigerte Ego.
Sie haben gemeinsam den «Club of Culture» ins Leben gerufen, um den Unternehmenskultur-Wandel zu beschleunigen. Wie soll das gehen?
Bodo Janssen: Wir wollen Menschen dazu inspirieren, im eigenen Unternehmen eine menschenorientierte Kultur zu etablieren. Eigentümer sowie Geschäftsführer von eigentümergeführten Unternehmen sollen in unserem anderthalb-jährigen Programm einen persönlichen Wandel und eine messbare Kultur-Transformation der eigenen Organisation erleben.
Sebastian Purps-Pardigol: Indem wir die obersten zwei Führungsebenen in Unternehmen ansprechen, wollen wir sicherstellen, dass das Erarbeitete auch umgesetzt werden kann und nicht etwa durch einen Vorgesetzten blockiert wird. Dafür ist uns die Strahlkraft der Ergebnisse zu wichtig. Idealerweise werden die Teilnehmenden zu einer Inspiration für Andere, wenn wir die Ergebnisse dieser Transformation auch der Öffentlichkeit zeigen, indem wir beispielsweise in einem Buch ihre Erfolgsgeschichte nacherzählen.
Weshalb legen Sie so grosses Gewicht auf die «persönliche Transformation» der Führungskräfte?
Bodo Janssen: «Sei du die Veränderung, die du in der Welt sehen willst», hat Ghandi bereits gesagt. Als ich den kulturellen Wandel in meinem Unternehmen initiierte, habe ich zuallererst bei mir selbst begonnen. Wie kann ich denn sonst erwarten, dass mir meine Mitarbeitenden in einem kulturellen Veränderungsprozess folgen?
Sebastian Purps-Pardigol: Viele Mitarbeitende haben in ihrem Unternehmen erlebt, dass schon manche Sau durchs Dorf getrieben wurde. Der Reflex vieler Menschen ist daher dann oft folgendermassen: «Ich warte, bis mein Chef mit der neuen Idee durch ist, und mache dann so weiter wie bisher.» In all den von mir analysierten Unternehmen gelang der Kulturwandel nur, wenn die Führungskräfte beim Wandel bei sich selbst ansetzten.
Der Club of Culture
Das Club-of-Culture-Programm beginnt Ende August 2017, endet im November 2018 und richtet sich an Eigentümer sowie Geschäftsführer von eigentümergeführten Unternehmen. Die Weiterbildung setzt sich aus sieben Modulen zusammen und dauert insgesamt 16 Arbeitstage. Im ersten Teil stehen der persönliche Status Quo sowie die persönliche Transformation im Vordergrund. Es folgen das persönliche Leitbild des Teilnehmenden, die Führungskraft als Coach und Dienstleister, die Initiierung des kulturellen Wandels im Unternehmen, das Erlebbar-Machen des kulturellen Wandels für alle Mitarbeitenden sowie die nachhaltige Verankerung der persönlichen und organisationellen Transformation.