HR Today Nr. 5/2016: Recruiting

Im Online-Marketing angekommen: Das Stelleninserat im Benchmark

Das Online-Stelleninserat ist längst nicht mehr bloss das elektronische Abbild einer gedruckten Stellenanzeige. Aber welche Umsetzung stärkt den eigenen Stellenmarkt und welche externen Recruiting-Kanäle funktionieren wie gut und mit welcher Kosteneffizienz? Klassische Online-Marketing-Kenngrössen sollen Antwort geben. Ein Schweizer Grosskonzern hat sich einer Benchmark-Analyse unterzogen. Ein Einblick.

So viel vorweg: Zahlen gibt es zur Genüge. Online-Plattformen liefern Zahlen, die Rekrutierungssoftware liefert Zahlen und auch das Multiposting-Tool liefert Zahlen. Nur: Absolut betrachtet versprühen diese Zahlen kaum einen Charme und es gelingt nicht wirklich, Rückschlüsse daraus zu ziehen. Erst im Vergleichskontext motivieren die Zahlen zur kreativen Analyse und ermöglichen relevante Interpretationen. Ein namhafter Schweizer Grosskonzern hat uns deshalb beauftragt, die Performance seiner Online-Stellenanzeigen und der externen Recruiting-Kanäle einer fundierten Benchmark-Analyse zu unterziehen. Dieses Mandat soll nachfolgend als Fallbeispiel dienen und aufzeigen, welche Ergebnisse aus einer solchen Untersuchung gezogen werden können.

Die Reichweite messen

Das bekanntlich wichtigste Gut unserer Gesellschaft ist die Zeit. Entsprechend bemühen sich Unternehmen auch beim Rekrutieren neuer Mitarbeitender, die Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppe zu gewinnen, um eine möglichst grosse Reichweite zu erzielen. Eine relevante Messgrösse ist dabei die Anzahl Views, die ein Stelleninserat erreicht, also wie häufig ein Stelleninserat eingesehen wird. Eigentlich eine sehr simple Kenngrösse, dennoch ist bereits hier Vorsicht angebracht. Denn neben «richtigen Menschen» sind im Internet auch zahlreiche Roboter im Einsatz, die Inserate «abspidern», um diese aggregiert auf einer anderen Plattform sichtbar zu machen. Egal, ob diese Roboter-Views nun weggefiltert werden oder nicht, Hauptsache, man nutzt für die Analysen immer dieselbe Zahlenbasis.

Die Bedeutung des eigenen Stellenmarkts

Das in dieser Fallstudie betrachtete Unternehmen verfolgt in seiner Rekrutierungsstrategie ein klares Ziel: Der eigene Stellenmarkt soll eine echte Alternative zu den klassischen Online-Portalen werden und als Hauptanziehungspunkt fungieren. Die Benchmark-Analyse hat aufgezeigt, dass der Weg hierzu bereits gut geebnet ist. Jeder zweite View auf ein Inserat wird über den eigenen Stellenmarkt generiert. Die Arbeitgebermarke funktioniert also gut und die Investitionen im Bereich SEO (Search Engine Optimization) zahlen sich aus: Die Inserate werden namentlich auch über Google gefunden.

Daneben lohnt es sich auch, das User-Verhalten auf dem eigenen Stellenmarkt zu analysieren. «Wer sucht wie?», lautet hier die Kernfrage. Dabei bestätigte sich in unserer Untersuchung einmal mehr, wie wichtig der Arbeitsort ist: So schränkt jeder zweite User auf dem Stellenmarkt die Suche regional ein. Nicht weniger interessant: Jeder zweite Jobsuchende zieht eine Teilzeitstelle in Erwägung. Gerade bei schwierig zu besetzenden Stellen könnte es deshalb sehr zielführend sein, eine offene Position mit einem 80-Prozent- oder 100-Prozent-Pensum anzubieten.

Die «CTR» auf den Bewerberbutton

Begriffe aus dem Online-Marketing haben in der Rekrutierung definitiv Einzug gehalten. Dazu gehört auch das Akronym CTR, das für «Click-Through-Rate» steht und im Falle des Stelleninserats angibt, wie gross der Anteil derer ist, die sich nicht nur das Inserat ansehen, sondern auch auf den «Sich online bewerben»-Knopf drücken. In dieser Kenngrösse suchte unser Mandant den Vergleich mit der Konkurrenz. Um dabei nicht in die klassische Statistikfalle zu tappen und Äpfel mit Birnen zu vergleichen, wurde für diese Benchmark-Grösse ein spezifisches Profil definiert. Dabei liessen sich betreffend CTR unter den verglichenen Unternehmen Werte zwischen 1,1 und 3,0 Prozent messen, wobei die beleuchtete Firma gut abgeschnitten hat. Aber warum? Die Antwort des Analysten müsste ehrlicherweise lauten: «Wir wissen es nicht genau.» Eine mögliche Spekulation sei jedoch gestattet: Das Unternehmen bemüht sich nämlich explizit für einen aussagekräftigen Anriss auf dem Stellenmarkt. So erfährt der User schon einiges über die Vakanz, ohne das Inserat erst öffnen zu müssen. Damit kann davon ausgegangen werden, dass das Publikum, welches sich für die Details interessiert, der angesprochenen Zielgruppe noch besser entspricht.

Kosten-Performance externer Medien

Als weiterer Schwerpunkt im Benchmark wurde die Kosteneffizienz der externen Online-Medien beleuchtet. Was kostet uns ein View auf der Plattform x und was kostet uns der Klick auf den «Sich online bewerben»-Button? Bei den Reichweiten-Messungen war eine sehr grosse Varianz festzustellen. Die kosteneffizienten Online-Medien schlugen für einen View mit 30 Rappen zu Buche, während auf der anderen Seite der Skala teilweise bis drei Franken für einen View ausgegeben wurden. Spätestens an dieser Stelle ist klar: Es lohnt sich, die Analytics-Kennzahlen, die im Markt vorhanden sind, zu nutzen, sich Zeit für tiefergehende Analysen zu nehmen und entsprechend zu agieren. Auch der Zeitpunkt der Publikation kann entscheidend sein. So zeigt sich, dass der Traffic an den Wochenenden in der Regel nur halb so gross ist wie unter der Woche. Den Aufschaltzeitpunkt auf Freitagnachmittag oder Samstag zu legen, ist deshalb nicht unbedingt eine gute Idee.

Blick auf das Inserat

Innerhalb des Beobachtungszeitraums, auf dem der Benchmark basiert, hat das beleuchtete Unternehmen Veränderungen am Inserat vorgenommen. Dass sich diese gut auf die Performance ausgewirkt haben, konnte auf der Zeitachse nachgewiesen werden. Überhaupt ist die Zeitreihenanalyse ein erster wichtiger Schritt für Unternehmen, die sich neu oder intensiver mit den Online-Marketing-Kennzahlen auseinandersetzen wollen und einen kontinuierlichen Lernprozess einleiten möchten. Auch lohnt sich der Vergleich von gut funktionierenden mit schlecht funktionierenden Inseraten innerhalb derselben Zielgruppe. So erkennt man rasch, dass gerade die Wahl des Stellentitels eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Ebenfalls ist es spannend, die Nutzung der verschiedenen Elemente auf dem Inserat weiter zu analysieren. Nicht nur in diesem Fall war festzustellen, dass beispielsweise die Möglichkeit, das Inserat auf den Social-Media-Plattformen zu sharen, noch nicht so häufig genutzt wird. Hingegen schätzen die User die Möglichkeit, vom Inserat aus auf weitere ähnliche Stellen navigieren zu können.

Neugierig bleiben

Noch sind nicht alle Fragen zur Kosteneffizienz der Plattformen beantwortet. Wohl kennen wir die SPC (Spent per Candidate) pro Plattform. Hingegen konnte der Benchmark noch keine Aussagen zur Kenngrösse SPH (Spent per Hire) pro Plattform liefern. Dies bedingt, dass Bewerbermanagement- und Multiposting-Systeme ihre Datenbasen zusammenführen. Eine solche Entwicklung ist bald zu erwarten. Gleichzeitig ist der Markt von Online-Stellenportalen zu beobachten. Immer neue Player treten in den Markt ein. Neugierig sein, ausprobieren, messen, korrigieren: Dazu soll diese Fallstudie anregen.

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Ralf Ploner

Ralf Ploner ist Senior Manager bei Avenir Group. Sein Fokus liegt im Bereich HR-Digitalisierung, HR-Organisation sowie im Skills & Workforce Management. ralf.ploner@avenirgroup.ch

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