Das Urteil: Kündigungsschutz

Kein Kündigungsschutz bei arbeitsplatz-bezogener Arbeitsunfähigkeit

Ein Berufsoffizier der Schweizer Armee wurde trotz Arbeitsunfähigkeit entlassen. Das Bundesgericht entschied, dass der Kündigungsschutz nicht gilt, da die Arbeitsunfähigkeit nur auf den aktuellen Arbeitsplatz beschränkt war.

BGE 1C_595/2023, Urteil vom 26. März 2024

Das Urteil

Ein Berufsoffizier der Schweizer Armee wurde entlassen, nachdem er der Arbeitgeberin gegenüber jahrelang systematisch und gezielt falsche Angaben über seine Nebentätigkeit im Vorstand des Vereins Patrouille des Glaciers gemacht und die Armee durch eine Aussage auf «LinkedIn» in Misskredit gebracht hatte. Der Berufsoffizier war zum Zeitpunkt der Kündigung arbeitsunfähig und er focht die Kündigung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, das die Beschwerde abwies.

Der Berufsoffizier gelangte gegen den Entscheid ans Bundesgericht, das unter anderem die Frage zu beantworten hatte, ob die Kündigung wegen der bestehenden Arbeitsunfähigkeit zur Unzeit ausgesprochen worden war. Das anwendbare Bundespersonalrecht sieht einen zweijährigen Kündigungsschutz im Falle einer Arbeitsverhinderung wegen Krankheit vor, wobei die gleichen Grundsätze wie unter Art. 336c OR gelten.

Das Bundesgericht hielt fest, dass der zeitliche Kündigungsschutz gemäss Art. 336c OR nicht deshalb eingeführt worden sei, weil der Zustand der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers bei Kündigung sie oder ihn daran hindern würde, eine andere Stelle zu suchen. Dies sei gemacht worden, weil eine neue Anstellung am Ende der ordentlichen Kündigungsfrist wegen der Ungewissheit über Dauer und Grad der Arbeitsunfähigkeit höchst unwahrscheinlich sei. Art. 336c OR sei deshalb im Falle einer Krankheit nur dann nicht anwendbar, wenn die gesundheitliche Beeinträchtigung so unbedeutend sei, dass sie die Besetzung eines neuen Arbeitsplatzes nicht verhindern könne. Die Rechtsprechung nehme dies insbesondere dann an, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf den bisherigen Arbeitsplatz beschränkt sei.

Aufgrund der vorliegenden Arztberichte war erstellt, dass die Arbeitsunfähigkeit des Berufsoffiziers eng mit seiner Arbeitsstelle verbunden und damit lediglich arbeitsplatzbezogen war. Entsprechend galt der Kündigungsschutz gemäss Bundesgericht nicht – die Kündigung war zulässig.

Konsequenz für die Praxis

Die Frage, ob der Kündigungsschutz gemäss Art. 336c OR auch bei einer bloss arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit zur Anwendung gelangt, wurde in der Rechtslehre über Jahre kontrovers diskutiert. Im vorliegenden Fall hatte das Bundesgericht nun das erste Mal Gelegenheit, sich mit dieser Streitfrage ausführlicher zu befassen. Angesichts der bestehenden Kontroverse verneinte es die Frage in bemerkenswerter Kürze, ohne sich mit gegenteiligen Lehrmeinungen auseinanderzusetzen. Auch wenn Kritik an diesem Entscheid absehbar ist, ist es begrüssenswert, dass die sich in der Praxis immer wieder stellende Frage, ob die Kündigungssperrfristen bei arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit anwendbar sind, nun geklärt ist und somit aus Arbeitgebersicht endlich Rechtssicherheit besteht.

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Sonja Stark-Traber, lic. iur., LL.M., ist als Rechtsanwältin in der Wirtschaftsanwaltskanzlei Suter Howald Rechtsanwälte in Zürich tätig, mit Schwerpunkten im Bereich Prozessführung, Arbeits- und Vertragsrecht. Kontakt: sonja.stark@suterhowald.ch

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