Kletterwand-Karrieren: Ausweg aus dem Hierarchie-Dilemma
Wenn Hierarchien sich verflachen, braucht es Alternativen für die Karriere. Gibt es die nicht, ist es nur logisch, dass Führungskräfte den notwendigen Wandel blockieren. Sogenannte Kletterwand-Karrieren bieten einen Ausweg aus diesem Dilemma.
Statt Zwangsaufstieg auf der Karriereleiter: Dank Kletterwand-Karrieren kann man ohne Gesichtsverlust neue Herausforderungen annehmen. (Bild: 123RF)
Mit der zunehmenden Agilisierung werden Hierarchien vielfach zurückgebaut. Denn sie machen ein Unternehmen schwerfällig und träge. Doch Herrschende zetteln keine Palastrevolution an. Um Status, Ruhm, Macht und Kontrolle zu erlangen, haben amtierende Führungskräfte lange gekämpft. Dies freiwillig wieder abzugeben, ist ziemlich schwer.
Ankündigungen kommen meist wortgewaltig daher, wenn Führungseliten über Innovationsbereitschaft und Umbaumassnahmen schwadronieren – doch das meiste bleibt folgenlos. Sprich: Verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre.
Herausforderungen in der Breite der Unternehmenslandschaft
Hierarchie-Rückbau verlangt also Karriere-Alternativen. Kletterwand-Karrieren mit Rollenflexibilität sind ein gangbarer Weg. Mal ist jemand Führungskraft eines Teams, mal Leiter eines Projekts, mal Verantwortlicher eines Prozesses, mal agiert er ohne Führungsaufgaben in einem Expertenteam. Wird eine Führungsrolle abgegeben, ist dies weder mit Blamage noch mit Demontage verbunden.
Ein solcher Schritt wird auch nicht als Rückschritt, sondern als Seitwärtsbewegung betrachtet. Fach- und Führungskarrieren werden gleichgesetzt. Vorgezeichnete Karrierewege, die zwangsläufig in einer Führungsposition mit Mitarbeiterverantwortung enden, gibt es dabei nicht mehr. Unter dem Strich bedeutet dies meist mehr Freiheit und weniger Druck.
Werden Kletterwand-Karrieren eingeführt, kann man ohne Gesichtsverlust in die Fachexpertise wechseln. Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil Spitzen-Fachleute immer dringender benötigt werden. Statt Zwangsaufstieg auf der Karriereleiter, ermöglicht man guten Fachspezialisten neue Herausforderungen in der Breite der Unternehmenslandschaft.
Führungskarrieren ausschliesslich für Menschenexperten
In vielen Organisationen ist noch immer ein Denken verankert, dass Karriere gleichsetzt ist mit hierarchischem Aufstieg. Der Weg nach Oben folgt einem bestimmten Plan. Doch von Karriereleitern kann man auch fallen. An der Kletterwand hingegen, kann man relativ leicht eine neue Route einschlagen. Vorausgesetzt, man begibt sich zwischenzeitlich wieder auf festen Boden und beginnt dann von vorne.
Egal mit welchem Aufstieg man weitermacht: Alles, was man bei den vorhergehenden Versuchen gelernt hat, kann helfen, die nächste Route schneller zu packen. Ausserdem sind diejenigen, die sich auf der Kletterwand bewegen grundsätzlich agiler und anpassungsfähiger.
Für Führungskarrieren kommen dabei ausschliesslich Menschenexperten infrage. Denn nicht jeder gute Fachmann ist zwangsläufig auch eine gute Führungskraft. Doch paradoxerweise heisst Beförderung vielerorts nach wie vor: Gute Leistungen werden mit einer Führungsaufgabe belohnt. Da wird dann jemand besser bezahlt, damit er etwas aufgibt, was er gut kann, um etwas zu tun, was er weniger gut kann. Kletterwand-Karrieren beugen solchen Fehlbesetzungen vor.
Millennials streben mehrere Karrieren an, Hauptsache verschieden
Für viele junge High Potentials sind klassische Karriereleiter nicht mehr erstrebenswert. Natürlich wollen auch Millennials Karriere machen, nur eben anders. «Wir wollen viele Karrieren, nicht nur eine», sagt Alex T. Steffen, 27, Unternehmensberater und Mitautor des Buchs «Fit für die Next Economy».
Eine Bezahlung oder Beförderung rein nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses oder dem Lebensalter, sei für Millennials schwer nachvollziehbar, meint Steffen. «Unsere Generation wünscht sich, nach Leistung gemessen, vergütet und befördert zu werden. Statt einem vorgezeichneten Karriereweg zu folgen, steht die Kletterwand für eine Zickzack-Route mit ungewissem Ausgang. Wir lassen uns gern auf solche Risiken ein, weil man an ihnen wächst.»
An der Kletterwand kann man relativ leicht eine neue Richtung einschlagen, sollte eine Sackgasse auftauchen – vor allem in Zeiten, in denen der tägliche Wandel zur Normalität wird. Insofern sind Kletterwand-Karrieren sogar ein dringend benötigter Baustein, um die Zukunft eines Unternehmens zu sichern.
Buchtipp
Anne M. Schüller, Alex T. Steffen: Fit für die Next Economy – Zukunftsfähig mit den Digital Natives, 272 Seiten, Wiley Verlag 2017.