Digitale Kommunikation

Konfliktlösung im digitalen Zeitalter

«Konflikte klärt man im persönlichen Gespräch.» Gilt diese Aussage noch im digitalen Zeitalter? Die Antwort lautet: Jein! In den zurückliegenden Jahren sammelten viele Unternehmen die Erfahrung: Konflikte können auch online bearbeitet werden. Das ist vor allem bei virtuellen und hybriden Teams nötig.

Viele Berufstätige arbeiten inzwischen in virtuellen oder hybriden Teams, deren Mitglieder sich nie oder nur sporadisch persönlich treffen. Tritt bei dieser Zusammenarbeitsform ein Konflikt auf, muss dieser oft online bearbeitet werden. Denn je länger ein Konflikt schwelt, umso grösser ist die Gefahr einer Eskalation.

Was führt zu Konflikten in der digitalen Kommunikation?

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 schwinden die Vorbehalte gegen (Konflikt-)Gespräche über digitale Wege. Dennoch fehlen drei Rahmenbedingungen, die bei Konflikten ein anderes Vorgehen erfordern.

  1. Spontane, informelle Treffen fehlen Die klassische Zusammenarbeit ist voller zufälliger Begegnungen, beispielsweise vor der Kaffeemaschine. Daraus ergibt sich informeller Austausch: Das stärkt den Zusammenhalt; zudem wird so manch potenzieller Konflikt im Vorfeld geklärt. Bei einer digitalen Zusammenarbeit fehlt dieser spontane informelle Austausch, weil die Online-Kommunikation zielorientierter und selektiver ist.
  2. Vertrauen wächst online schwerer Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist Vertrauen. Dieses hat jedoch auch eine körperliche Dimension. Man denke nur an den Handschlag bei Verhandlungen. Bei Online-Meetings und -Gesprächen fehlen die olfaktorische und taktile Wahrnehmung des Gegenübers. Bei der Kommunikation per E-Mail entfallen zudem die Mimik und Gestik. Deshalb entstehen auch häufiger Missverständnisse, die zu Konflikten führen.
  3. Routinen fürs digitale Konfliktmanagement fehlen Im klassischen Betriebsalltag haben sich mit der Zeit meist Regeln etabliert, wie mit Konflikten umgegangen wird – indem in wöchentlichen Meetings unter «Sonstiges» auch nach der Stimmung im Büro gefragt wird und belanglose Alltagskonflikte aufgegriffen werden.

Bei der digitalen Zusammenarbeit entwickelten Betriebe und Führungsverantwortliche noch keine entsprechenden Routinen. Sie wissen zudem nicht:

  • Worauf sollten wir bei online geführten Konfliktgesprächen achten? Und:
  • Wie können wir dafür sorgen, dass mittelfristig auch in unseren virtuellen oder hybriden Teams eine konstruktive Konfliktkultur entsteht?

Das beste aus der Online-Kommunikation herausholen

Virtuelle Kommunikation hat auch Vorteile gegenüber einem persönlichen Gespräch – sofern man sie geschickt einzusetzen weiss.

1. Einen geschützten Raum schaffen

Bei einem Präsenzgespräch sind alle Konfliktparteien in einem Raum. Diesen können sie – anders als online durch ein Ausschalten der Kamera – nicht jederzeit verlassen. Ihre körperliche Präsenz zwingt sie zudem, sich körperlich gegenüber den anderen Konfliktparteien zu positionieren. Anwesende müssen für sich entscheiden, welche Körperhaltung sie einnehmen, wo sie hinschauen und wie sie Gefühle zeigen. Hier ist die Kanalreduktion bei der Online-Kommunikation ein Vorteil. Denn medienpsychologische Erkenntnisse weisen auf eine erhöhte Bereitschaft zur Selbstoffenbarung bei einer virtuellen Kommunikation hin. Das liegt daran, dass sich Menschen beim Online-Kommunizieren oft sicherer fühlen, als wenn sie einer Person unmittelbar gegenüberstehen. Der virtuelle Raum ist für sie geschützter. Deshalb ist auch ihre Hemmschwelle niedriger, sich zu offenbaren und Konflikten zu stellen.

2. Digitalkompetenz schulen

Weil bei der Online-Kommunikation die Feinheiten eines persönlichen Gesprächs fehlen, ist ein anderes Vorgehen als bei Präsenz-Settings nötig. Wichtig ist, dass alle teilnehmenden Parteien über die nötige Digitalkompetenz verfügen, damit das Gespräch störungsfrei verlaufen kann.

  • Umgang mit Technik: Teilnehmende müssen bereits im Voraus wissen, wie ein Online-Meeting eingerichtet und geführt wird, und welche technischen Schwierigkeiten auftauchen können.
  • Virtuelle Etiquette: Sichtbarkeit schafft Vertrauen. Hierfür ist unter anderem die Positionierung vor der Kamera wichtig. Zeigt das Kamerabild zum Beispiel auch die Hände der Teilnehmenden, sehen die anderen, dass die betreffende Person parallel nicht mit anderen Tätigkeiten beschäftigt ist. Das wird als Zeichen einer ungeteilten Aufmerksamkeit wertgeschätzt. Deshalb sollte man im Vorfeld über die Nutzung der Kamera sprechen und in den Online-Sitzungen auf eine gute Positionierung und Beleuchtung achten.
  • Geeignete Tools nutzen: Zusätzliche Tools, zum Beispiel der Präsentationsmodus, sind nötig, um komplexe Sachverhalte zu erläutern beziehungsweise analysieren, Zusammenhänge aufzuzeigen und Feedback einzuholen.

3. Aktive Moderation

Gespräche im digitalen Raum erfordern mehr Struktur. Zudem sollten alle Konfliktparteien ähnliche Redeanteile haben. Der Moderator sollte auch darauf achten, • ob sich jemand auffällig zurückzieht, • ob auf Aussagen, Statements eingegangen wird und • wie die Gesprächspartner mit Emotionen umgehen.

Grenzen des digitalen Konfliktmanagements

Nicht jeder Konflikt lässt sich online bearbeiten. Generell gilt: Je komplexer und emotionaler ein (Konflikt-)Thema ist, umso eher sollte das Gespräch im Präsenzraum erfolgen. Konflikte lassen sich grundsätzlich nur lösen, wenn alle Parteien ein ehrliches Interesse daran haben. Das gilt auch im digitalen Kontext. Zudem mindern folgende Faktoren die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen digitalen Konfliktlösung:

  • Fehlende beziehungwesie ausgeschaltete Kameras: Ohne Videobilder fehlen die nonverbalen Kommunikationskanäle, die vor allem für den emotionalen Ausdruck wichtig sind.
  • Geringe Moderationserfahrung: Eine digitale Konfliktmoderation erfordert Erfahrung – nicht nur im Umgang mit der Digitaltechnik. Führungsverantwortliche müssen auch wissen, welche Konflikte online bearbeitbar sind und wann ein persönliches Sich-begegnen unabdingbar ist.
  • Sprachliche Einschränkungen der Konfliktparteien: Personen, die Mühe haben, sich präzise auszudrücken, fällt es online noch schwerer sich anderen Personen verständlich zu machen.
  • Schlechtes technisches Equipment: Neben einer stabilen Internetverbindung sind gute Kameras und Mikrofone von Vorteil.
  • Unzulängliche räumliche Infrastruktur. Auch Online-Gespräche erfordern eine störungsfreie Umgebung, die zudem Diskretion gewährleistet. Inwieweit diese gegeben ist, sollte im Vorfeld geklärt werden.

Zuweilen lehnen Personen eine Online-Konfliktgespräche ab, weil sich noch – wie die meisten vor zwei, drei Jahren – der grundsätzlichen Überzeugung sind: Diese setzt eine persönliche Begegnung von Mensch zu Mensch voraus. Dann gilt es, sie behutsam an das ungewohnte Medium heranzuführen.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Sabine Prohaska ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmen seminar consult prohaska, Wien. seminarconsult.at

 

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