Stefan Studer
Schweizer Löhne in Euro zu zahlen, ist nicht nur ungesetzlich, sondern auch aus grundsätzlichen Überlegungen abzulehnen. Ich bestreite nicht, dass die Freigabe des Frankenkurses durch die Nationalbank ein schwerer Schlag für die exportorientierte Schweizer Wirtschaft und den Inlandtourismus darstellt. Und ich bestreite auch nicht, dass in gewissen Firmen und Branchen darüber nachgedacht werden muss, welche Opfer zur Sicherung der Arbeitsplätze zu erbringen sind. Löhne in Euro auszurichten, ist jedoch keine Option. Zwar gibt es noch keinen Entscheid des Bundesgerichts, der die Ansicht prominenter Arbeitsrechtler und der Arbeitnehmerverbände stützt, wonach die Lohnzahlung in Euro gegen geltendes Recht verstosse. Bereits 2011 hat aber ein Gericht im Kanton Baselland festgestellt, dass es diskriminierend ist, die Löhne von Grenzgängern in Euro zu bezahlen. Dies stehe im Widerspruch zum Freizügigkeitsabkommen mit der EU.
Noch gravierender ist, dass Euro-Löhne auch gegen den Grundsatz im Arbeitsrecht verstossen, wonach das Währungsrisiko beim Arbeitgeber liegt und die Lohnzahlung in der Landeswährung zu erfolgen hat. Die Gesetzwidrigkeit von Euro-Löhnen ist aber nicht der einzige Punkt, weshalb wir diesen Angriffen gegen Treu und Glauben Paroli bieten müssen. Diese Praxis würde zudem dazu führen, dass die Arbeitgeber durch die Bezahlung von unterschiedlichen Löhnen für die gleiche Arbeit einen Keil zwischen inländische Arbeitstätige und Grenzgänger treiben. Dadurch würde das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit» verletzt, der Lohndruck zunehmen und dem Lohndumping Vorschub geleistet.
Selbst der Arbeitgeberverband Swissmem warnt seine Mitglieder vor den «erheblichen rechtlichen Risiken» und mahnt angesichts des Fachkräftemangels davor, mit Lohnkürzungen die besten Spezialisten zu vergraulen. «Gerade zur Bewältigung der Krise», sagte Swissmem Präsident Hans Hess kürzlich, «brauchen die Unternehmen ihre besten Fachleute, um im Bereich Innovation, Effizienzsteigerung und Beschaffung die notwendigen Massnahmen erfolgreich umzusetzen.» Als Geschäftsführer der Angestellten Schweiz liegt es mir fern, in eine überzogene Klassenkampfrhetorik zu verfallen. Wenn aber selbst die Arbeitgeber unsere Meinung teilen, dann können wir nicht einfach zusehen, wie weitere Firmen ihr Heil in Euro-Löhnen suchen. Mit dem sogenannten Krisenartikel im Gesamtarbeitsvertrag, der für das betroffene Unternehmen etwa eine Verlängerung der Arbeitszeit oder Kurzarbeit möglich macht, besteht bereits ein Instrumentarium, um den negativen Folgen des starken Frankens entgegenzuwirken.
Ich verhehle nicht, dass ich den Entscheid der Nationalbank bedauere und für falsch halte, weil er die Schweizer Wirtschaft in eine Rezession stürzen kann. Klar ist: Wir werden unsern Beitrag leisten, dieses Szenario abzuwenden. Aber die Löhne in Euro auszuzahlen, ist mit Sicherheit der falsche Weg.