Thomas Geiser
Bei psychischen und vielen somatischen Erkrankungen sind der Erhalt des bisherigen Arbeitsplatzes und der Arbeitsmarktfähigkeit wichtige Voraussetzungen zur Genesung. Ist der Erhalt der bisherigen Stelle nicht möglich, stellt sich die Frage nach der Wiedererlangung oder der Entwicklung geeigneter Fähigkeiten. Eingliederung vor Rente ist jedenfalls sinnvoll. Dabei braucht es praktische Übung. Es muss in der Praxis erprobt werden, was geht, was nicht mehr geht oder noch nicht geht.
Jeder wird selber oder zusammen mit seinem Arbeitgeber versuchen, seine bisherige Stelle zu behalten oder eine neue zu finden. Die Sozialversicherungen und die Sozialhilfe können dabei helfen.
Diese Hilfsangebote sind in den letzten Jahren auch ausgebaut worden. Entsprechend wurden in der Invalidenversicherung mit der 5. IV-Revision 2006 sogenannte Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung eingeführt. Die Sozialversicherung will damit Arbeitsversuche erleichtern und Anreize schaffen, um behinderte Personen wieder in den Erwerbsprozess aufzunehmen. Damit stellt sich die Frage, welches Rechtsverhältnis zwischen den Arbeitstätigen und den Betrieben bestehen, in denen diese versuchsweise tätig sind.
Findet diese Person eine neue Stelle, wird sie mit dem Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag abschliessen. Häufig sind dies Aushilfestellen oder vorübergehende Beschäftigungen, weil die Leistungsfähigkeit noch ungewiss ist. Rechtstechnisch handelt es sich dennoch um Arbeitsverträge. Diese können befristet oder unbefristet sein. Auch für vorübergehende Arbeiten werden Arbeitnehmer mit Verträgen auf unbefristete Zeit angestellt. Eine Kündigung ist grundsätzlich jederzeit möglich, ohne dass es eines besonderen Anlasses bedarf.
Trotz des liberalen Arbeitsrechts hat der Gesetzgeber aus ideologischen Gründen Personen, die einen IV-Arbeitsversuch leisten, das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages verweigert. Allerdings wurden zum Schutz des Arbeitstätigen wie auch des Einsatzbetriebs einzelne Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts als anwendbar erklärt: Dazu zählen die Bestimmungen über das Arbeitszeugnis. Unklar ist jedoch, wen diese Verpflichtungen aus dem ausdrücklich nicht existierenden Arbeitsvertrag betreffen: den Einsatzbetrieb oder die Invalidenversicherung?
Gemäss arbeitsvertraglichen Bestimmungen, die auch für den Arbeitsversuch gelten, muss das Arbeitszeugnis wahr und wohlwollend sein. Es sollte deshalb nicht darauf hingewiesen werden, dass es sich um einen Arbeitsversuch, eine Integrationsmassnahme der Sozialversicherung, der Sozialhilfe oder um einen Zwischenverdienst handelt. Solche Angaben können negativ wirken. Sie sind zudem für eine spätere Arbeitgeberin ohne Relevanz.
Anders verhält es sich, wenn die betroffene Person einen Hinweis wünscht. Der Entscheid dafür liegt aber beim Betroffenen und nicht bei der IV-Stelle oder der Arbeitgeberin.