HR-Debatte

Eingliederungsmassnahmen erwähnen?

Désirée Nater, Bereichspersonalleiterin des Kinderspitals Zürich, fordert, dass Arbeitsmarktmassnahmen als solche ­deklariert in einer Einsatzbeurteilung aufzuführen sind. Dagegen wehrt sich Thomas Geiser. Der Professor für Privat- ­und Handelsrecht der Universität St. Gallen befürchtet eine Diskriminierung der Arbeitnehmenden.

Désirée Nater

Die Frage ist umstritten, ob Personen, die eine arbeitsmarktliche Massnahme durchlaufen, ein Arbeitszeugnis ausgestellt werden darf. Ebenso, ob in einem Qualifika­tions­dokument auf die arbeitsmarktliche Massnahme Bezug ­genommen werden muss. In diesem Zusammenhang gibt es mehrere Aspekte zu beleuchten, denn ein Arbeitsvertrag charakterisiert sich durch verschiedene Merkmale: Eines davon ist die Lohnzahlung des Arbeitgebers, welche bei einer arbeitsmarktlichen Massnahme nicht gegeben ist. So besteht zwischen den Einsatzbetrieben und Personen, die durch eine Sozialinstitution vermittelt wurden, kein Arbeitsvertrag. Das Verhältnis zwischen der beschäftigten Person und dem Unternehmen fällt damit nicht unter den zehnten Teil des Obligationenrechts.

Werden aufgrund von Arbeitsmarktmassnahmen von der öffentlichen Hand finanzierte Taggelder ausgerichtet, fallen diese nicht unter den ALV- und AHV-versicherten Verdienst. Dies hat das Bundesgericht letztes Jahr entschieden. Deshalb gelten Geldzahlungen an den Arbeitstätigen in einem solchen Programm im arbeitsrechtlichen Sinn auch nicht als Lohn. Die Sozialbeschäftigten unterstehen damit dem sozialversicherungsrechtlichen Verhältnis der ALV und nicht dem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Das Arbeitszeugnis wird im Artikel 330a des OR geregelt und nimmt Bezug auf ein Arbeitsverhältnis. Der Einsatzbetrieb ist jedoch kein Arbeitgeber. Ein so bezeichnetes Arbeitszeugnis führt einen künftigen Arbeitgeber in die Irre. Dasselbe ist der Fall, wenn verschwiegen wird, dass es sich um eine arbeitsmarktliche Massnahme handelt. Innerhalb der drei- bis sechsmonatigen Einsätze ist der Betreuungsaufwand gross und die Arbeiten werden explizit auf die Situation der sozialbeschäftigten Personen abgestimmt: zum Beispiel auf ihre Fachkenntnisse, ihre psychische Verfassung oder ihre Belastbarkeit. Die Leistungen eines Sozialbeschäftigen sind somit oftmals nicht mit jenen eines Angestellten vergleichbar. Ihnen sollte dennoch eine Einsatzbeurteilung aus­gestellt werden, welche inhaltlich mit einem Arbeitszeug­nis vergleichbar ist. Schliesslich haben sie einen Beitrag geleistet, dem durch eine entsprechende Qualifika­tion Rechnung zu tragen ist.

Dass in einer solchen Einsatzbeurteilung auf die arbeitsmarktliche Massnahme verwiesen wird, ist eine wichtige Information für einen neuen Arbeitgeber und dient der Transparenz. Dies gilt auch hinsichtlich eines künftigen Vorstellungsgesprächs oder einer Referenzanfrage, wobei die Praktikumsteilnahme ohnehin zur Sprache kommt. Mit der Einsatzbeurteilung wird aufgezeigt, dass jemand Interesse zeigte, sich während seiner Arbeitslosigkeit um eine Arbeitsstelle bemühte, seinen Horizont erweiterte und andere Arbeitsgebiete kennenlernte. Dies ist nicht ausser Acht zu lassen und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Wiedereingliederung durch die Invaliden- oder durch die Arbeitslosenversicherung handelt.

 

Thomas Geiser

Bei psychischen und vielen somatischen Erkrankungen sind der Erhalt des bisherigen Arbeitsplatzes und der Arbeitsmarktfähigkeit wichtige Voraussetzungen zur Genesung. Ist der Erhalt der bisherigen Stelle nicht möglich, stellt sich die Frage nach der Wiedererlangung oder der Entwicklung geeigneter Fähigkeiten. Eingliederung vor Rente ist jedenfalls sinnvoll. Dabei braucht es praktische Übung. Es muss in der Praxis erprobt werden, was geht, was nicht mehr geht oder noch nicht geht.

Jeder wird selber oder zusammen mit seinem Arbeitgeber versuchen, seine bisherige Stelle zu behalten oder eine neue zu finden. Die Sozialversicherun­gen und die Sozialhilfe können dabei helfen.

Diese Hilfsangebote sind in den letzten Jahren auch ausgebaut worden. Entsprechend wurden in der Invalidenversicherung mit der 5. IV-Revision 2006 sogenannte Integra­tionsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung eingeführt. Die Sozialversicherung will damit ­Arbeitsversuche erleichtern und Anreize schaffen, um behinderte Personen wieder in den Erwerbsprozess aufzunehmen. Damit stellt sich die Frage, welches Rechtsverhältnis zwischen den Arbeitstätigen und den Betrieben bestehen, in denen diese versuchsweise tätig sind.

Findet diese Person eine neue Stelle, wird sie mit dem Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag abschliessen. Häufig sind dies Aushilfestellen oder vorübergehende Beschäftigungen, weil die Leistungsfähigkeit noch ungewiss ist. Rechtstechnisch handelt es sich dennoch um Arbeitsverträge. Diese können befristet oder unbefristet sein. Auch für vorübergehende Arbeiten werden Arbeitnehmer mit Verträgen auf unbefristete Zeit angestellt. Eine Kündigung ist grundsätzlich jederzeit möglich, ohne dass es eines besonderen Anlasses bedarf.

Trotz des liberalen Arbeitsrechts hat der Gesetzgeber aus ideologischen Gründen Personen, die einen IV-Arbeitsversuch leisten, das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages verweigert. Allerdings wurden zum Schutz des Arbeitstätigen wie auch des Einsatzbetriebs einzelne Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts als anwendbar erklärt: Dazu zählen die Bestimmungen über das Arbeitszeugnis. Unklar ist jedoch, wen diese Verpflichtungen aus dem ausdrücklich nicht existierenden Arbeitsvertrag betreffen: den Einsatzbetrieb oder die Invalidenversicherung?

Gemäss arbeitsvertraglichen Bestimmungen, die auch für den Arbeitsversuch gelten, muss das Arbeitszeugnis wahr und wohlwollend sein. Es sollte deshalb nicht darauf hingewiesen werden, dass es sich um einen Arbeitsversuch, eine Integra­tionsmassnahme der Sozialversicherung, der Sozialhilfe oder um einen Zwischenverdienst handelt. Solche Angaben können negativ wirken. Sie sind zudem für eine spätere Arbeit­geberin ohne Relevanz.

Anders verhält es sich, wenn die betroffene Person einen Hinweis wünscht. Der Entscheid dafür liegt aber beim Betroffenen und nicht bei der IV-Stelle oder der Arbeitgeberin.

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Désirée Nater ist stellvertretende Leiterin HRM am Universitäts-Kinderspital Zürich.

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Prof. Dr. iur. ­Thomas Geiser ist Professor für Privat- und ­Handelsrecht an der Universität St. Gallen und ­nebenamtlicher Richter am Bundes­gericht.

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