HR Today Nr. 6/2021: Thema – Social Investment I

Marktwert von Mitarbeitenden

Die Personalstrategie entscheidet über den wirtschaftlichen Erfolg und Börsenwert eines Unternehmens. Investoren fordern immer häufiger Nachweise und drängen auf Verbesserungen.

«Mitarbeitende und Unternehmenskultur machen 52 Prozent des Marktwerts eines Unternehmens aus», bemerken die Autoren des Harvard Law School-Whitepapers «How and why human capital disclosures are evolving», für das sie 82 Unternehmensberichte der Top-100-Unternehmen Ende 2019 untersuchten. Nicht nur für die Autoren des Whitepapers sind Mitarbeitende ein wichtiger Faktor. Ihre Bedeutung wird mittlerweile sogar in internationalen Buchhaltungsstandards-Gremien diskutiert. Etwa beim Sustainability Accounting Standards Board (SASB), bei der Global Reporting Initiative oder beim Embankment Project for Inclusive Capitalism.

Investoren fordern ebenfalls lautstark, Sorge zu den Mitarbeitenden zu tragen und dafür entsprechende Personalstrategien zu entwickeln. So auch der weltweit grösste Vermögensverwalter Blackrock. «Bei unseren Investmenttätigkeiten erwarten wir von Firmen, dass sie das gesamte Spektrum an Talenten nutzen», sagt Mediensprecher Tristan Hahn von Blackrock Schweiz. Das allein genügt aber nicht: «Firmen sollten in ihren Nachhaltigkeitsberichten umfassende Angaben zur Personalstrategie machen.» Beispielsweise wie sie Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion voranzutreiben gedenken.

Blackrock verfolgt eine klare Linie und geht mit gutem Beispiel voran: «Wir messen uns an denselben Erwartungen, die wir auch anderen gegenüber haben.» Seine Ziele leitet das Unternehmen aus jenen der Vereinten Nationen (UN SDG) ab. Beispielsweise Geschlechtergleichheit, menschenwürdige Arbeit, hochwertige Bildung oder weniger Ungleichheiten.

Kennzahlen in der Personalstrategie

Noch sind den meisten Unternehmensberichten keine weiterführenden Details zur Personalstrategie zu entnehmen. «Die weltweit grössten 100 Unternehmen befinden sich erst in der Anfangsphase», sagen die Autoren des Harvard-Whitepapers. Häufig bliebe es bei generellen Aussagen, etwa zur Diversität, Inklusion oder Lohnstrategie. Was fehle, seien aussagekräftige Kennzahlen oder quantitative Angaben. Zudem bleibe die Rolle des Verwaltungsrats bei der Kulturentwicklung öfters im Dunkeln.

Etwas differenzierter sieht es Cornelia Ritz Bossicard, Präsidentin von SwissVR, einer unabhängigen Vereinigung von Verwaltungsräten: «Immer mehr Unternehmen publizieren Nachhaltigkeitsberichte mit Informationen zu Mitarbeitenden und Personalangelegenheiten wie den Arbeitsbedingungen, zur Diversität und zu den Fluktuationsraten sowie Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen.» Allerdings unterscheide sich die Qualität und der Umfang der Informationen von Firma zu Firma.

Topkader haben die Forderungen nach einer menschenfreundlichen Kultur teils wahrgenommen. Das zeigen die Ergebnisse des SwissVR Monitor-Berichts «Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil», für den 363 Schweizer Verwaltungsräte befragt wurden: Darin nannten 64 Prozent der Befragten eine gute Unternehmenskultur als wichtigen Wettbewerbsvorteil und Treiber für den Unternehmenserfolg. 36 Prozent der Firmenlenker wollten diese jedoch bei einer strategischen Neuausrichtung nicht anpassen.

Diese Trägheit könnte Folgen haben. «Unternehmen, die bei ihrer Kulturentwicklung und Personalstrategie keine Fortschritte erzielen, ziehen wir zur Rechenschaft. Beispielsweise, indem wir gegen die Wiederwahl von Verwaltungsräten stimmen», verdeutlicht Tristan Hahn von Blackrock Schweiz. Das geschehe aber praktisch nie, sagt Ritz Bossicard: «Bei Wahlen und Abstimmungen an der Generalversammlung folgen Investoren meist den Empfehlungen des Verwaltungsrats.» Viele börsenkotierte Firmen könnten zudem auf ihre Hauptaktionäre zählen. «Diese sorgen für Stabilität.»

Politik mischt sich ein

Während es weltweit um Personalstrategien noch nicht zum Besten steht, sind in der Schweiz erste politische Initiativen in Gang gekommen. So liegen beispielsweise bis Juni 2021 erste Resultate der Lohnanalysen vor, die Firmen aufgrund des revidierten Gleichstellungsgesetzes durchführen mussten. Zudem hat das Parlament einen Gesetzesentwurf gutgeheissen, wonach mindestens 30 Prozent der Verwaltungsratsmitglieder und 20 Prozent der Geschäftsleitungsmitglieder Frauen sein müssen. «Vorgaben, die innerhalb von fünf bis zehn Jahren umzusetzen sind», bemerkt Johannes Bernardus Smits, Steuerexperte und Leiter des Bereichs Vergütung bei PwC Schweiz. Unternehmen, die diese Ziele nicht erreichten, müssten es begründen. Wie sie das schaffen, bleibe offen. «Allein mit Rekrutierungen ist diese Quote nicht zu erreichen. Firmen müssen weibliche Führungskräfte selbst entwickeln und dauerhaft ans Unternehmen binden.» Dafür wiederum müssten in den kommenden Jahren die Karriere- und Entwicklungspläne angepasst werden.

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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