Medizin-Talente fördern
In der Spitzenmedizin herrschen weltweit ähnliche Arbeitsbedingungen. Dies ermöglicht, Talente vielerorts zu entdecken, birgt aber auch das Risiko, sie schneller wieder zu verlieren. Umso wichtiger ist eine umsichtige Talententwicklung. Der CEO des Universitäts-Kinderspitals beider Basel gibt einen plastischen Praxis-Einblick.
«Talente wollen mit Talenten arbeiten und bringen Talente mit.» (Foto: iStockphoto)
Um Talente zu entdecken, muss man wissen, welche Talente man sucht. Eine Grundvoraussetzung dafür ist das Fachwissen im Arbeitsumfeld, in dem sie entdeckt werden sollen. Insbesondere muss man die zukünftigen Trends des Fachgebietes kennen. Sucht man beispielsweise einen neuen Chef in der Kinderchirurgie, so muss das Talent Stärken in der minimal-invasiven Kinderchirurgie aufweisen, da die invasive Chirurgie die Zukunft in diesem Fach nicht mehr bestimmen wird. Das Fachwissen, bezogen auf das Arbeitsumfeld, hilft auch die Talente zu suchen, die in das bestehende Team integriert werden und dieses noch verstärken können. Man muss den Rahmen kennen, in dem sich das Talent zu Beginn seiner Aufgabe bewegen soll, wobei eine Veränderung des Rahmens im Verlauf durchaus wünschenswert ist.
Talente entdecken
Sind die gewünschten Fähigkeiten des zu suchenden Talents für das Unternehmen klar definiert, bei universitären Stellen auch durch Berufungskommissionen, wird das Stellenangebot in den geeigneten Fachorganen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben publiziert. Dies allein genügt meist nicht, um an die Quellen zu gelangen, wo sich die Talente finden. Dafür sind persönliche Netzwerke in den Fachgebieten sehr wertvoll. Je nach Talentsuche muss man regionale, nationale oder internationale Netzwerke anfragen, um mögliche Talente zu entdecken.
So ist für mich als CEO eines universitären Kinderspitals das Netzwerk in der Kindermedizin, das ich mir während meiner 22-jährigen beruflichen Tätigkeit als Kinderchirurg und CEO aufgebaut habe, sehr wertvoll. Es ist wesentlich einfacher, Talente, die man schon seit Jahren persönlich kennt und schätzt, zum richtigen Karrierezeitpunkt für den eigenen Betrieb zu gewinnen, als wenn sie völlig fremd sind. Bei Talentsuchen, bei denen die eigenen Netzwerke nicht genügen, ist es wichtig, gute Beziehungen und Türöffner zu anderen Netzwerken zu haben. So hat mich eine Professorin für Immunologie in Oxford darauf aufmerksam gemacht, dass eine hochqualifizierte Forscherin in Basel eine neue Aufgabe suche. Seit ein paar Jahren leitet sie nun bei uns im UKBB die Forschung mit grossem Erfolg.
Vor Kurzem konnten wir dank der Eckenstein-Geigy-Stiftung zusammen mit der Universität Basel einen Lehrstuhl für klinische Kinderpharmakologie gründen. Spezialisten in diesem Gebiet sind weltweit sehr rar. Nur dank dem Netzwerk eines Forschers unseres Teams konnten wir überhaupt mögliche Talente entdecken. Und es ist uns gelungen, unseren Lehrstuhl für Kinderpharmakologie per Januar 2014 mit dem ehemaligen Direktor und Professor für pädiatrische Pharmakologie am Children‘s National Health System Washington DC zu besetzen. Er ist auch Professor an der Johns Hopkins Universität. Headhunter haben, obwohl sie in meiner Tätigkeit selten zum Zuge gekommen sind, sicher auch einen hohen Wert bei dieser Suche und professionellen Assessments.
Talente gewinnen
Sind Talente entdeckt, muss man, falls noch nicht vorhanden, eine Beziehung und eine Vertrauensbasis zu ihnen aufbauen. Dies beinhaltet Kontakte am Telefon, Besuche an ihrer momentanen Arbeitsstelle sowie Interviews mit den dortigen Teams. Dieser Beziehungsaufbau vor Ort wird von Schlüsselpersonen des eigenen Unternehmens oder anderen Entscheidungsträgern mit dem entsprechenden Fachwissen durchgeführt. So habe ich auf der Suche nach einem neuen Chef für unsere Kinderchirurgie die möglichen Kandidaten zusammen mit einem Kollegen aus der Berufungskommission der Universität an ihrem Arbeitsort besucht. Nebst dem Aufbau einer professionellen Freundschaft zu einem Talent sollte auch dessen Familie immer mit eingeschlossen werden. Die Talente, die wir für Schlüsselpositionen suchen, haben meist schon eine Kaderstelle in einer anderen Stadt im In- oder Ausland. Ein Wechsel kommt nur zustande, wenn man sich gegenseitig vertrauen kann.
Um ein Talent für sich gewinnen zu können, muss man ein attraktiver Arbeitgeber sein. Dies beinhaltet eine moderne und konkurrenzfähige Arbeitsumgebung, die auch mit zukünftigen Trends Schritt halten will. Da die Lohnstrukturen eines Kinderspitals nicht mit dem Angebot eines Erwachsenenspitals konkurrieren können, ist es besonders wichtig, dem umworbenen Talent Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. Administrative Hürden, die sich beim Stellenwechsel stellen, muss man gemeinsam überwinden. Hier sind andere Talente, die schon bei uns angestellt sind und sich erfolgreich integriert haben, ausgezeichnete Partner. So hat sich unser Chefarzt der Neonatologie, deutscher Staatsbürger, nach sechsjähriger Tätigkeit in Australien an der grössten Neonatologie der südlichen Hemisphäre mit Erfolg bei uns etabliert. Mit seinen spezifischen Kenntnissen hat er vor Kurzem die neue Chefin der Kinderkardiologie und den neuen Chef der Kinderchirurgie bei ihren Wechseln in die Schweiz tatkräftig unterstützt. Solche Kontakte sind sehr wertvoll, nicht nur als Unterstützung bei der Überwindung von Hürden beim Wechsel, sondern auch als Beispiel für eine erfolgreiche Integration.
Talente fördern
Ein erfolgreicher Start und eine schnelle Integration des neuen Talents helfen, das aufgebaute Vertrauen zu erhalten, bedürfen jedoch einer guten Planung im Vorfeld und einer engen Betreuung bei Arbeitsaufnahme. Die Geschäftsleitung, Schlüsselpersonen und das neue Talent müssen sich kennenlernen. Das neue Talent soll schnell mit den lokalen Netzwerken vertraut gemacht werden. So habe ich unseren neuen medizinischen Direktor damals selber bei anderen CEOs und medizinischen Direktoren von Partnerspitälern vorgestellt. Damit der Start gelingt, muss es auch der Familie des Talents im neuen Umfeld wohl sein, dabei können gemeinsame familiäre Treffen helfen.
Um allfällige Schwierigkeiten eines jeglichen Starts zu vermeiden, erhalten neue Talente einen Ansprechpartner im Betrieb. So betreuen unsere Forschungschefin und der medizinische Direktor alle neuen Forscher im Team und unterstützen sie bei der Ausarbeitung von Anträgen für Forschungsgelder (kompetitive Drittmittel). Dies kann auch bedeuten, dass man als CEO Sponsoren für Projekte sucht, welche nicht über Drittmittel finanziert werden können.
Mittels eines Businessplans können realistische Ziele für die Aufgaben von Teams erarbeitet werden. Gleichzeitig werden die Zusammenarbeit und der gegenseitige Respekt im Team gefördert. Talente wollen mit Talenten arbeiten und bringen Talente mit oder bauen selber neue Talente auf. Helfen Sie diesen jungen Talenten zum Durchbruch! Fördern Sie die Kontakte unter Ihren Talenten zum Beispiel mit internen Forschungstagen und schaffen Sie auch eine gesunde Konkurrenz unter ihnen. Es lohnt sich auch, den Talenten zuzuhören, wenn sie über zukünftige Entwicklungen in ihrem Gebiet berichten.
Helfen Sie den Talenten, sich für ihre wichtigsten Aufgaben einzusetzen und nehmen Sie unnötige Administrationen von ihnen weg. Sie sind nicht deswegen zu Ihnen gekommen. Talente soll man aber auch ziehen lassen, helfen Sie ihnen dabei! So habe ich mit meinem ehemaligen Chef der Forschung mithilfe der Universität Basel eine Doppel-Professur geschaffen zwischen der Universität Oxford und der Universität Basel. Er leitet nun noch in einer 25-Prozent-Anstellung eine Forschungsgruppe in Immunologie bei uns und ist zu 75 Prozent Action Professor für Forschung am Ratcliff Children‘s Hospital in Oxford. Erfolge von Talenten sollen gefeiert werden, dies motiviert das ganze Team.
Fazit
Das persönliche Netzwerk ist die wichtigste Ressource beim Entdecken von neuen Talenten. Ihr Engagement beim Aufbau einer persönlichen professionellen Beziehung ist entscheidend. Durch einen guten Start und langzeitige Entwicklungsmöglichkeiten werden Talente gefördert. Ihr Ziel haben Sie erreicht, wenn Sie Fan von Ihren gesuchten Talenten sind.
Quellennachweis:
Dieser Artikel
entstammt einer Kooperation mit dem Wirtschaftsmagazin
www.wirtschaftsmagazin.ch