HR Today Nr. 6/2020: Compensation & Benefits – New Work

Neues Arbeiten, alte Vergütung?

Wird ein Organisationsdesign umgestellt, alte Hierarchie- und Führungsstrukturen werden jedoch beibehalten, entstehen Dissonanzen. Es reicht nicht, Arbeitsweisen umzustellen, Führungsstrukturen zu verändern und sinnstiftendes Arbeiten zu ermöglichen, wenn sich das nicht in den Vergütungssystemen widerspiegelt.

Besonders in grösseren Unternehmen sind die meisten Karrierestufen mit klaren Gehaltsstufen hinterlegt, was für die Angestellten transparent machen sollte, welches Gehalt sie unter welchen Bedingungen erhalten. Überdies ist die Vergütung zumeist an Funktionen gebunden, die mit Aufgaben und Verantwortlichkeiten verknüpft und in Stellenbeschreibungen festgehalten sind. Diese in Organigrammen strukturierten Funktionen sind als statisch einzustufen. Die persönliche Entwicklung durch eine Fachkarriere sowie die stärkere Verantwortung und Haftung in der Führungskarriere lassen sich in der Lohnentwicklung darstellen, wobei der formale Status mit einer entsprechenden Vergütung verbunden ist, die mit dem Status der Führungskraft in der Gesellschaft zusammenhängt.

Statusdenken New Work

Das Statusdenken ist mit New Work durchaus in Einklang zu bringen. Denn der Status wird in Organisationen, die sich dem New-Work-Gedanken verbunden fühlen, nicht zwingend mit einer formalen Position in Verbindung gebracht. Vielmehr zielt dieser darauf ab, dass Mitarbeitende sich in der Organisation einbringen und Verantwortung übernehmen. In Organisationen, die sich zusätzlich der Agilität und Flexibilität verschrieben haben, müssen das nicht immer dieselben Personen sein.

Je nach Projekt und Aufgabe trägt jemand anderes die Verantwortung. Dadurch entsteht eine kontinuierliche Veränderung von Rollen und Verantwortlichkeiten, die nicht zu einem linearen und statischen Lohngefüge passen. Karriere wird in diesen Organisationen zudem auch durch innere Werte getrieben. Weil der Status des Einzelnen nach aussen an Wert verliert, in der Organisation aber an Wert gewinnt, kann man von einer subjektiven Karriere sprechen. Damit in Einklang steht ein Vergütungssystem, das Anreize für kollaboratives Arbeiten schafft.

Das Bedürfnis nach fairer und transparenter Vergütung bleibt auch in Firmen bestehen, die nach New-Work-Prinzipien arbeiten. Hinzu kommt aber der stärkere Fokus nach kollaborativer Arbeit und Flexibilität. Folglich müssen die bestehenden Vergütungssysteme entschlackt werden, damit beim Wechseln oder beim Übernehmen von zusätzlichen (temporären) Rollen kein übermässiger Anpassungsaufwand beim Gehalt entsteht. Gleichzeitig sollte die intrinsische Motivation der New Worker gefördert und nicht durch kurzfristige Anreize oder individuelle Wettbewerbe verwaschen werden. Hierzu müssen neue Vergütungssysteme entwickelt und etabliert werden.

Vergütungsziele klären

In einem ersten Schritt bietet es sich an, zu hinterfragen, welche Ziele die Organisation mit einem angepassten Vergütungssystem erreichen möchte. Geht es um die Flexibilität oder den Kampf um Talente? Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, wie das Vergütungssystem prozessual umzugestalten ist, wenn sich die Führungskultur in der Organisation verändert. Sollen Mitarbeitende in die Umstellung eingebunden werden und sogar kollaborativ mitwirken? Wie soll der Mitarbeiterdiversität Rechnung getragen werden, wenn es solche gibt, die sich Sicherheit und monetäre Steigerungen wünschen, während andere eher freie Zeit und flexible Arbeitszeiten bevorzugen? Auch dies kann und sollte ein Vergütungssystem abbilden.

Ein dreigliedriges Modell bestehend aus Grundvergütung, Mehrjahresvergütung und Nebenleistung könnte als Basis für ein neues Gehaltsmodell dienen. Darin erfolgt die Grundvergütung nach Fähigkeiten (Humankapital), die Mitarbeitende in die Organisation einbringen, um dem übergeordneten Organisationszweck zu dienen.

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Den assoziierten Wert einer Fähigkeit kann die Organisation in jährlichen Vergütungsrunden selber bestimmen, etwa in Abhängigkeit der aktuellen Marktsituation wie bei Softwareentwicklern die Knappheit der Fähigkeit zu Programmieren. Fähigkeiten können hierzu gebündelt und der administrative Aufwand somit gering gehalten werden. Ausserdem lassen sich unterschiedliche Cluster bilden, die je nach Fähigkeiten des Mitarbeitenden eine andere Grundvergütung beinhalten.

Über die Zeit eignen sich Mitarbeitende neue Fähigkeiten an und vertiefen bestehende, wenn sie intrinsisch motiviert neue Rollen und Verantwortlichkeiten übernehmen. Diese Entwicklung kann dazu führen, dass Mitarbeitende mit der Zeit einem anderen Cluster eingeordnet werden und dadurch eine höhere Grundvergütung bekommen. Dieses System sollte für Mitarbeitende stets transparent sein und sie motivieren zu lernen.

Mitarbeitende zu Eigentümern machen

Die Mehrjahresvergütung bindet Arbeitnehmende über eine längere Zeit an die Organisation und lässt diese am nachhaltigen Erfolg teilhaben. Gleichzeitig können die Interessen des Aktionärs mit denen des Mitarbeitenden in Einklang gebracht werden. Die Zuteilung erfolgt zu Beginn eines Jahres für eine Periode von drei bis fünf Jahren. Die Höhe der Mehrjahresvergütung orientiert sich an der Grundvergütung oder kann in absoluten Zahlen festgelegt werden und je nach Eigentümerstruktur in bar oder in Aktien erfolgen. Erfolgt die Zuteilung beispielsweise in gesperrten Aktien, wird auf Leistungsziele verzichtet. Ist eine Zuteilung jedoch in bar oder in Einheiten vorgesehen, können jährlich rollende Leistungsziele auf Organisationsebene festgelegt und bei der Bemessung der Auszahlung berücksichtigt werden. Letztere Variante eignet sich auch für Organisationen, die nicht börsenkotiert sind oder deren Eigentümer kein Kapital abgeben möchten. Durch die jährlich flexibel angepassten Ziele kann zudem auf Veränderungen im Umfeld reagiert werden.

Die längerfristige Betrachtung über eine Periode von beispielsweise drei Jahre verhindert zeitgleich ein kurzfristiges Denken. So können die Leistungsziele im Plan 2020 bis 2023 für das Jahr 2020 (Corona-Pandemie) beispielsweise anders festgelegt werden als für die Jahre danach. Diese Art der Vergütung nähert sich auch dem aktuellen Trend an, Mitarbeitende zu Eigentümern zu machen und ihnen als Aktionäre mehr Verantwortung zu übertragen. Dabei gewinnen Nebenleistungen als Teil eines Gesamtvergütungsangebots an Bedeutung. Diese müssen jedoch an die Bedürfnisse der jüngeren Generationen angepasst werden, denn im Vergleich zu den Baby-Boomern bevorzugen sie Freizeitangebote statt Geld. So weichen Dienstwagen individuellen Mobilitätslösungen. Stark im Trend sind auch gesundheitsfördernde Angebote und Nebenleistungen zur Work-Life-Balance. Beispielsweise der Kauf von zusätzlichen Ferientagen oder Zeitarbeitskonten. Über Nebenleistungen lässt sich der Diversität der Mitarbeitenden so besser Rechnung tragen.

Die Umstellung der Vergütung ist ein heikles Thema in Organisationen. Statt eines Risikos können Partizipation und Transparenz auch eine Chance darstellen. Dabei kann sich anbieten, Leitfragen zu entwickeln und diese mit den verschiedenen Stakeholdern wie Teammitgliedern oder Verwaltungsräten zu bearbeiten, um das System ganzheitlich und zur Zufriedenheit der Organisation, der Mitarbeitenden und der Aktionäre zu gestalten.

Leitfragen zur Anpassung des Vergütungssystems:

  1. Was ist unsere Strategie der nächsten Jahre und welcher Einfluss durch interne Faktoren wie die Organisationskultur lässt sich daraus für die ­zukünftige Vergütung ableiten?
  2. Wie positionieren wir uns am Markt und welchen Einfluss haben externen Faktoren wie Regulatorien, die direkte Konkurrenz oder die Suche nach Talenten auf unser Vergütungssystem?
  3. Welche Ziele wollen wir mit einem neuen ­Vergütungssystem erreichen?
  4. Wie gestalten wir den Prozess der Umstellung und welche Begleitmassnahmen müssen wir ergreifen, um das System mit den vorhandenen Mitarbeitenden zu verändern?
  5. Wie wollen wir unsere Stakeholder in den Prozess der Vergütungssystemgestaltung einbinden?
  6. Wie transparent wollen wir unser Vergütungs­system gestalten und kommunizieren?
  7. Wie bekommen wir Rechtssicherheit in das ­System?

 

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Andri Koch ist Senior Consultant bei Ernst & Young Schweiz.

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Sabrina Schell arbeitet an Institut für Organisation und Personal der Universität Bern.

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