Blended Learning

Ohne Lernkultur wird nichts Neues gelernt

Dank wachsendem Online-Lernangebot sind die Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln, beinahe endlos. Doch bevor im Unternehmen voreilig E-Learning und Blended Learning-Konzepte umgesetzt werden, muss zuerst die alte Lernkultur überholt werden – angefangen mit der Führungsentwicklung.

Mit der modernen digitalen Lerntechnik lassen sich Lernkonzepte schmieden, die sich leichter in den Arbeits- und Lebensalltag der Mitarbeitenden integrieren lassen. Ähnlich verhält es sich beim Coachen. Auch bei ihm setzen die Unternehmen verstärkt auf Telefon- und Online-Coachings, auch weil diese sich meist kurzfristiger planen lassen, wenn ein akuter Bedarf besteht.

Und beim Trainieren der Verhaltenssicherheit der Mitarbeitenden? Hierbei entdecken die Unternehmen zunehmend die Vorzüge von Microlearning-Apps, mit denen die Mitarbeitenden das Gelernte einüben und vertiefen. Dank Blended-Learning-Konzepten, bei denen die Teilnehmenden nach einer Präsenzveranstaltung über einen längeren Zeitraum regelmässig sogenannte Online-Learning-Nuggets erhalten, vertiefen Mitarbeitende ihr Wissen und Können und integrieren es in den Arbeitsalltag. Bei diesen Nuggets kann es sich um Videos, Transferaufgaben, vertiefende Infos oder Elemente, die dem Fördern der Lernmotivation dienen, handeln.

Digitales Lernen erfordert Umdenken

In der Praxis stellt das Einführen von Blended Learning-Konzepten die Unternehmen jedoch meist vor grössere Herausforderungen als gedacht. Denn es genügt nicht, die bisherigen Lernkonzepte und -unterlagen eins zu eins auf den Firmenserver hochzuladen. Das Implementieren von Blended Learning-Konzepten erfordert von allen Beteiligten ein neues Denken und Handeln.

  • Es setzt eine Unternehmenskultur voraus, die diese Art des Lernens und das kollaborative Arbeiten unterstützt
  • Es erfordert neben der nötigen technischen Infrastruktur bei allen Beteiligten die Kompetenz, diese professionell einzusetzen und zu navigieren.
  • Es setzt innovative Lehr- und Lernkonzepte und eine entsprechende Content-Entwicklung voraus.

Am wichtigsten ist: Das Selbstverständnis der Trainer und Wissensvermittlenden muss sich wandeln. Denn anders als beim Präsenzlernen stehen sie beim Blended Learning nicht kontinuierlich im persönlichen Kontakt mit den Lernenden, da die Teilnehmenden phasenweise auch eigenverantwortlich lernen. Dies schränkt die Möglichkeiten der Trainer und Wissensvermittler ein, situativ auf Probleme der Lernenden zu reagieren.

Eine neue Lernkultur ist auch ein Change-Projekt

Wenn Unternehmen bei ihrer Personalentwicklung verstärkt auf Blended Learning-Konzepte setzen, kämpfen die Wissensvermittelnde anfangs mit technischen wie auch mit zahlreichen methodisch-didaktischen sowie (selbst-)organisatorischen Fragen und Problemen.

Denn viele Unternehmen verkennen, dass es sich beim Einführen des Blended Learning in ihrer Personalentwicklung letztlich um ein Change-Projekt handelt, das auf das Schaffen einer neuen Lernkultur in ihrer Organisation abzielt – und zwar einer Lernkultur, bei der mehr Eigenverantwortung in den Händen ihrer Mitarbeitenden liegt.

Zum Einsatz kommen in den Unternehmen E- und Blended Learning-Konzepte inzwischen recht häufig,

  • wenn neue Mitarbeitende im Rahmen ihrer Einarbeitung die erforderlichen Kenntnisse über die im Betrieb praktizierten Verfahren und genutzten Technologien erwerben sollen oder
  • wenn neue Problemlösungen eingeführt werden sollen und relativ viele Mitarbeitende in recht kurzer Zeit zu schulen sind.

Die Führungskräfteentwicklung hat eine Vorreiterfunktion

Intensiv werden solche Konzepte aber auch schon in der Führungskräfteentwicklung genutzt. Denn oft fungieren die Führungskräfte im Arbeitsalltag auch als Wissensvermittler. Deshalb müssen sie mit dieser Lernform vertraut sein, speziell dann, wenn sie ihre Mitarbeitenden weitgehend auf Distanz führen, zum Beispiel weil diese im Homeoffice arbeiten.

Hinzu kommt: Der Terminkalender von Führungskräften ist oft so eng, dass es ihnen schwerfällt, regelmässig auf Schulungen zu gehen. Deshalb kommt ihnen diese Lernform, bei der sie weitgehend selbst bestimmen, wann, wo, wie lange und wie viel sie lernen, sehr entgegen – zumal sie aufgrund ihrer Persönlichkeit in der Regel weniger Selbstmotivationsprobleme beim Lernen als viele Mitarbeitende auf der operativen Ebene haben.

In den zurückgeliegenden Jahren haben sich gerade die Anforderungen an die Führungskräfte gewandelt. Zum Beispiel vertieft sich im Zuge der Digitalisierung die bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Das erfordert eine höhere Kompetenz zum lateralen Führen und Führen auf Distanz. Auch Faktoren wie der Generationswechsel, der Fachkräftemangel und das vermehrte Arbeiten im Homeoffice tragen dazu bei, dass viele Führungskräfte ihr bisheriges Führungsverhalten neu justieren müssen.

So sind heute zum Beispiel die meisten Führungskräfte stärker als früher in der Sinnstiftung, Beziehungsmanagement sowie Motivation ihrer Teams involviert, gerade weil sich die Rahmenbedingungen des Handelns und somit die betrieblichen Erfordernisse und Zielsetzungen immer schneller wandeln.

Rasche Anpassung an Bedürfnisse

Hieraus erwachsen laufend neue Anforderungen an die Führungskräfte und somit Entwicklungsbedürfnisse. Diese müssen oft zeitnah befriedigt werden, nicht nur aufgrund der Management- und Entscheiderfunktion, die jede Führungskraft auch hat, sondern weil sie im Arbeitsalltag in einem permanenten Dialog mit ihren Mitarbeitenden stehen, die sie mit ihren Fragen, Sorgen und Nöten bombardieren.

In diesem Dialog dürfen die Führungskräfte sich nicht wegducken: Sie müssen Flagge zeigen. Dies können sie nur, wenn sie selbst die nötige Orientierung und sozusagen einen Kompass für ihr grundsätzliches sowie situationsbedingtes Verhalten und Vorgehen haben. Auch deshalb wird das Online-Lernen und Blended Learning von vielen Unternehmen im Bereich der Führungskräfteentwicklung gefördert.

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Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Frankfurt (www.ifidz.de). Im August 2020 erschien das neuste Buch der Managementberaterin und Vortragsrednerin «Die Führungskraft als Influencer: In Zukunft führt, wer Follower gewinnt».

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