HR Today Nr. 12/2020: Porträt & Video-Porträt

Die Zielorientierte

Ida Tanner arbeitet seit über dreissig Jahren beim Automobilunternehmen Amag und lernte dort das HR von der Pike auf. Jetzt plant die HR-Chefin mit 58 Jahren ihren Rücktritt und will sich künftig verschiedenen VR- und Stiftungsrats-Mandaten widmen.

Die Farbe an den Wänden am neuen Amag-Sitz in Cham ist kaum getrocknet, es riecht nach ­Neubau. Seit Oktober 2019 ist der grün-­schwarze Gebäudekomplex an der alten Steinhauserstrasse die neue Heimat von fast tausend Mitarbeitenden. Davor arbeiteten diese in Schinznach-Bad, Buchs bei Zürich, Baden-Dättwil oder Zürich. «Cham war der einzige Ort mit genügend ­Parkplätzen für so viele», erklärt HR-Leiterin Ida ­Tanner den Grund für den Firmensitzwechsel. «Das ist unser neues Parkhaus», sagt sie und zeigt auf ein rotes Gebäude auf der anderen Strassenseite.

Die Zusammenlegung der verschiedenen Standorte in den Kanton Zug forderte Ida Tanner und ihr 70-köpfigen HR-Team: «Wir haben schon zweieinhalb Jahre vor dem geplanten Umzug begonnen, diese Veränderung intern zu kommunizieren.» Etwa mit Videos vom fortschreitenden Bauprojekt oder einer Roadshow, bei der die Amag-Konzernleitung und das HR-Projektteam die vom Umzug betroffenen Standorte besuchten, das Neubauprojekt präsentierten und die Fragen der Mitarbeitenden beantworteten. Ein Aufwand, den Tanner gern auf sich genommen hat: «Wir wollten den Leuten mit der frühzeitigen ­Ankündigung eine Chance geben, ihren Lebensmittelpunkt zu verändern.» Um herauszufinden, wie viele Mitarbeitende durch den Kantonswechsel das Unternehmen verlassen, einen erheblich längeren Arbeitsweg in Kauf nehmen oder privat umziehen würden, führte das HR-Team nach Projektstart zweimal jährlich eine Mitarbeiterbefragung durch. «Aufgrund der Umfrageergebnisse rechneten wir mit einer Fluktuation von 30 Prozent. Bei der letzten Messung lagen wir bei nur 10 Prozent.» Ein Resultat, das Tanner positiv stimmt. Ende Oktober 2020 soll eine Befragung die Stimmung im ganzen Unternehmen messen.

Autobranche vor dem Umbruch

Die unternehmerischen Herausforderungen enden nach dem Umzug nicht, denn die Autobranche steht unter grossem Innovationszwang: «Immer mehr junge Menschen machen ihre Autoprüfung später oder teilen sich ein Fahrzeug», sagt Tanner. Nebst dem veränderten Konsumverhalten seien auch Elektroautos stark im Kommen. Amag soll sich deshalb vom Autoverkäufer zum Anbieter von nachhaltiger individueller Mobilität entwickeln. «Um neue Angebote zu schaffen und zu testen, haben wir deshalb vor drei Jahren ein Lab eingerichtet.» Ein Beispiel? Das Projekt «Click ’n’ Ryde – Clyde», mit dem Kunden ein Auto für drei bis zwölf Monate auf Knopfdruck mieten können.

Dieser Strategiewechsel hat auch Auswirkungen auf das HR und die Belegschaft: «Wir brauchen Mitarbeitende, die sich in der Szene dieser Kundschaft bewegen und die Kanäle kennen, auf denen wir diese ansprechen können.» Um Nachwuchskräfte in diesem Bereich zu gewinnen, setzt die 58-Jährige vor allem auf Mitarbeiterempfehlungen: «Vermitteln sie jemanden, erhalten Mitarbeitende mit ‹Bring a Friend› dafür 2000 Franken.» Der Erfolg gibt ihr recht: «In den letzten zwölf Monaten haben sich die Weiterempfehlungen verdoppelt.» Um mit dem Wandel Schritt zu halten, hat sich auch das HR der Amag angepasst: «Wir haben viele HR-Prozesse standardisiert und automatisiert, um möglichst effizient zu arbeiten, wenn Geschäftsfelder wegfallen oder neue hinzukommen.»

Frauen auf dem Vormarsch

Mehr Frauen in Kaderpositionen zu befördern, lautet ein Auftrag von Tanners Vorgesetztem, CEO Morten Hannesbo. Das ist nicht leicht: «Haben Frauen eine gute Position, wollen sie diese nicht aufgeben», sagt Tanner. Nicht nur aus Loyalität, sondern auch, weil sie sich familiär organisiert haben und bei einem Wechsel für das Privatleben wieder vieles in Frage gestellt werde. Eine Herausforderung sei ebenso, weibliche Nachwuchskräfte im Unternehmen zu halten. Als Fringe Benefit bezahlt Amag deshalb beispielsweise bei einem Pilotprojekt in Cham Kinderkrippen-Entschädigungen oder passt Jobs an die veränderten Bedürfnisse junger Mütter an. «Sie sind meist sehr dankbar, wenn sie bei reduziertem Pensum bei uns weiterarbeiten können.»

Allein unter Männern

In der Geschäftsleitung ist die HR-Konzernverantwortliche die einzige Frau unter vielen Männern. Ob ihr das etwas ausmacht? «Ich bin mit sechs Brüdern aufgewachsen und musste mich von klein auf durchsetzen», sagt Tanner. Damit sie sich in der Amag-Männerrunde Gehör verschaffen kann, unterstütze sie zudem ihr Chef, CEO Morten Hannesbo, als Mentor und Sparringpartner. Ihre Kollegen überzeugt sie mit Argumenten: «Ich führe mir mögliche Einwände vor Augen, überlege mir, wie ich diesen entgegenwirke und einen Mehrwert der HR-Arbeit aufzeige.» Beispielsweise beim neuen Lohnsystem. «Im Konzern gab es ganz verschiedene Lohnsysteme. Wir wollten diese vereinheitlichen.» Rund drei Jahre weibeln Tanner und ihr Team dafür, bis alle Zweifel zerstreut waren und sie das Projekt in Angriff nehmen kann. «Ab 2021 haben wir konzernweit klare Richtlinien.»

Nicht nur als HR-Leiterin bei der Amag-Gruppe, auch als Verwaltungs- oder Stiftungsrätin ist Ida Tanner oft die einzige Frau im Gremium. Beispielsweise bei der mittelständischen 3-Plan Haustechnik AG. Ein Mandat, das über einen HR Today-Beitrag im vergangenen Jahr zustande kam: «In der Juni-Ausgabe 2019 erschien das Porträt des Amag-HR-Teams, als die 3-Plan AG auf der Suche nach einer Frau war, um ihren Verwaltungsrat zu ergänzen.» Der dortigen HR-Leiterin war das Amag-Teamporträt nicht entgangen. «Sie kontaktierte meinen Mitarbeitenden, der ihr HR-Dozent an einer Wirtschaftsschule war.» Ida Tanner stellt sich vor. Die Sympathie ist gegenseitig: Tanner erhält das Mandat. Mittlerweile ist sie auch Verwaltungsrätin bei der Raiffeisen Aare-Reuss und Stiftungsrätin bei FH Schweiz sowie Carelink.

Time to say goodbye

Im HR hat Ida Tanner fast alles erreicht und trotzdem noch viel vor: Ihren letzten beruflichen Lebensabschnitt will sie mit weiteren VR-Mandaten, Beratungs- oder Freelancer-Aufträgen füllen und in einem kleinen Pensum die Amag-Vorsorgeeinrichtungen präsidieren. Der Abschied bei Amag rückt näher, denn soeben hat Ida Tanner ihren 58. Geburtstag gefeiert. «Die Suche nach meiner Nachfolge läuft schon. Ich bleibe aber so lange im Amt, bis sie eingearbeitet ist.» In der bald neugewonnen Freizeit will Tanner vermehrt ihren Hobbys nachgehen und eine Weiterbildung für Verwaltungsräte machen, um ihre Mandate professionell auszuüben.

Zur Person

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Im Toggenburg mit sechs Brüdern aufgewachsen, weiss sich Ida Tanner schon früh zu behaupten.1982 zieht sie nach ihrer kaufmännischen Grundbildung zu ihrem Freund in den Aargau und sucht per Inserat eine Stelle. Amag meldet sich und bietet ihr eine Stelle in der Buchhaltung an. Das ist der Auftakt ihrer HR-Bilderbuchkarriere beim Autokonzern. 1988 baut die 26-Jährige mit dem damaligen Chefbuchhalter das HR der Amag auf und setzt sich erstmals mit HR-Themen wie Zeitwirtschaft oder mit Arbeitszeugnissen auseinander. In den Folgejahren wächst das Unternehmen auch durch Zukäufe.

31-jährig wird Tanner 1993 Personalleiterin der Amag Import. Zeitgleich bildet sie sich ständig weiter. So schliesst sie 2001 an der Fachhochschule Nordwestschweiz ein HR-Nachdiplomstudium und 2009 einen Master in HR ab. Im gleichen Jahr wird ihr jetziger Chef Morten Hannesbo Group CEO bei Amag und erkennt das ­Potenzial von Tanner. Er ernennt sie 2009 zur Head of Group Human Resources. In dieser Funktion soll sie das gruppenweite HR aufbauen. Eine Notwendigkeit, weil sich das Personal seit ihrem Start bei der Amag von knapp 3000 auf über 6500 Mitarbeitende verdoppelte, während die ­HR-Strukturen nicht Gleichschritt hielten.

Ende 2020 quittiert Tanner ihre Stelle als HR-Konzernleiterin, um Verwaltungsratsmandate bei der 3-Plan Haustechnik AG und der Raiffeisen Aare-Reuss auszuüben. Daneben ist Tanner Präsidentin der Amag-Vorsorgeeinrichtungen sowie ­Stiftungsrätin bei FH Schweiz sowie bei Carelink.

Ein Tag im Leben von Ida Tanner:

Was motiviert Sie morgens, zur Arbeit zu ­gehen?
Mein Team und meine Arbeit. Ausserdem ist die Amag für mich immer noch eine tolle Firma.

Wenn Amag eine Person wäre …
… wäre sie verlässlich, innovativ und ­authentisch. Amag gibt sich so, wie sie ist. Wir leben unsere Strategie und ändern sie nicht wöchentlich.

Wie verbringen Sie Ihre Mittagspause?
Wenn ich in Cham bin, im Restaurant bei uns im Haus, um mich mit Mitarbeitenden auszutauschen.

Ihre letzte Tat des Tages?
Ich schaue, was am nächsten Tag auf der Agenda steht, und strukturiere meinen Tag.

Wie lange und wo arbeiten Sie?
Mein Arbeitstag beginnt zwischen 6:30 und 7:00 Uhr. Ich habe alle Freiheiten und könnte auch schon um 13 Uhr nach Hause. Einen Tag in der Woche mache ich Homeoffice, um ­Pendenzen abzuarbeiten oder ein Konzept zu erstellen.

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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