Rechte und Pflichten bei Weiterbildung
Die Weiterbildung von Mitarbeitenden wird immer wichtiger – und damit auch eine klare und rechtssichere Regelung, die schon vorgängig vereinbart werden sollte.
Was das Arbeitsvertragsrecht angeht, wissen lange nicht alle Unternehmen Bescheid. (Illustration: Jonas Raeber)
Sich weiterbilden ist wichtig, wird sowohl von Arbeitgeber- als auch von Arbeitnehmer-Seite betont. Wobei mit «Weiterbildung» sehr Unterschiedliches gemeint sein kann: von der internen Einführung in die Handhabung eines unternehmensspezifischen Systems bis hin zum mehrmonatigen Vollzeitkurs an einer Bildungsinstitution, allenfalls sogar im Ausland.
Was das Arbeitsvertragsrecht angeht, stehen in der Praxis die folgenden Fragen im Vordergrund: Besteht auf Seiten des Arbeitnehmenden ein Anspruch auf Weiterbildung, respektive kann er umgekehrt zu einer Weiterbildung verpflichtet werden? Was gilt in Bezug auf die für Weiterbildung aufgewendete Zeit punkto Anrechnung an die Arbeitszeit und den Lohn? Wer trägt die Kosten der Weiterbildung?
Einen Anspruch auf Weiterbildung haben Arbeitnehmende, wenn ein solcher im Arbeitsvertrag oder im anwendbaren Gesamtarbeitsvertrag vorgesehen ist. In den entsprechenden Regelungen werden typischerweise die in Frage kommenden Weiterbildungen umschrieben, und eine gewisse Anzahl bezahlter oder unbezahlter Weiterbildungstage pro Jahr festgelegt. Teilweise wird auch ein Betrag festgehalten, den der Arbeitgebende für die Weiterbildung zu bezahlen bereit ist. Ebenso haben Arbeitnehmende einen Anspruch auf Weiterbildung, wenn eine solche für die Ausübung der Funktion aufgrund von besonderen gesetzlichen Bestimmungen vorgeschrieben ist. Denkbar ist das beispielsweise im Zusammenhang mit der Herstellung von Produkten, bei denen eine Qualitätssicherung für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit erforderlich ist.
Ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt, ist ein klagbarer Anspruch des Arbeitnehmenden auf Weiterbildung nach herrschender Auffassung nur in Ausnahmefällen gegeben sowie auf die Gewährung von unbezahltem Urlaub beschränkt. Das Lehrbuch-Beispiel für einen solchen Fall ist der als Setzer Angestellte, der gestützt auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebenden beim Aussterben des Bleisatzes einen Anspruch auf eine Umschulung auf andere Satzmethoden hatte.
Zumutbarkeit und Entlöhnung
Umgekehrt fragt sich, ob der Arbeitnehmende verpflichtet ist, eine vom Arbeitgebenden verlangte Weiterbildung zu absolvieren. Wird der Arbeitnehmende angewiesen, eine bestimmte Weiterbildung zu besuchen, trifft ihn im Prinzip eine entsprechende Pflicht. Es sei denn, die Weisung würde gegen den Arbeitsvertrag verstossen oder unzumutbar sein. Die Berufung auf Unzumutbarkeit ist vor allem bei externer Weiterbildung und Weiterbildungen ausserhalb der ordentlichen Arbeitszeit denkbar. Im Rechtsalltag fällt eine Unzumutbarkeit aber meist ausser Betracht, wobei es stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt.
Absolviert ein Mitarbeitender eine Weiterbildung, stellt sich die Frage nach der Anrechnung an die Arbeitszeit sowie dem Lohnanspruch für diese Zeit. Absolviert er die Weiterbildung auf Anweisung des Arbeitgebenden, oder ist sie aufgrund einer besonderen gesetzlichen Bestimmung vorgeschrieben, handelt es sich um normale, voll anzurechnende Arbeitszeit.
Fallen Überstunden an, sind diese wie normale Überstunden zu behandeln. Entsprechend ist hierfür auch Lohn geschuldet, wie das auch sonst der Fall wäre, beziehungsweise soweit das Entgelt für Überstunden oder der diesbezügliche Zuschlag nicht wegbedungen wurde. Es ist aber zulässig, vorgängig abzumachen, dass der Lohn für die Weiterbildungszeit im übrigen Lohn enthalten ist. Absolviert der Arbeitnehmende die Weiterbildung weder auf Anweisung noch aufgrund einer besonderen Gesetzesvorschrift, ist sie als Freizeitaktivität anzusehen, sofern die Parteien nicht etwas anderes vereinbart haben. Es handelt sich somit nicht um Arbeitszeit, die anzurechnen wäre. Ebenso wenig wird ein zusätzlicher Lohnanspruch begründet. Das gilt auch dann, wenn die Weiterbildung für die Ausübung der Stelle nützlich ist, was häufig vorkommt.
Bei der Tragung der Kosten für die Weiterbildung wird rechtlich unterschieden zwischen sogenannten Einarbeitungen einerseits und eigentlichen Weiterbildungen andererseits. Eine Einarbeitung beschränkt sich auf Besonderheiten der betreffenden Stelle und bringt dem Arbeitnehmenden darüber hinaus keinen Vorteil. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Einführung in eine spezielle Maschine oder Software, die der Arbeitgebende einsetzt. Demgegenüber verschafft eine eigentliche Weiterbildung dem Arbeitnehmenden Vorteile, die auch bei anderen Arbeitgebenden nutzbar sind. Ein typisches Beispiel ist eine Weiterbildung, bei der ein allgemein anerkannter Abschluss oder ein Diplom erlangt werden kann.
Wer zahlt was
Geht es um eine Einarbeitung, sind die Kosten notwendiger Auslagen gemäss Artikel 327a Obligationenrecht (OR) vom Arbeitgebenden zu tragen. Davon kann auch durch Vereinbarung zwischen den Parteien nicht abgewichen werden. Geht es um eine eigentliche Weiterbildung, sind die Kosten vom Arbeitgebenden zu tragen, sofern ihre Absolvierung auf seine Anweisung hin stattfindet. Ist das nicht der Fall, sind die Kosten vom Arbeitnehmenden zu tragen.
Allerdings kommt es häufig vor, dass die Parteien in Bezug auf die Kosten einer eigentlichen Weiterbildung eine vertragliche Regelung treffen, etwa in einem entsprechenden Reglement oder unter dem Titel Ausbildungs-, Weiterbildungs- oder Rückzahlungsvereinbarung, zumal der Arbeitgebende oft bereit ist, Weiterbildungen zu unterstützen.
Typischerweise wird darin vorgesehen, dass der Arbeitgebende die Kosten für die Weiterbildung (oder zumindest einen Teil davon) vorschiesst. Zudem wird geregelt, in welchen Konstellationen später auf eine Rückzahlung durch den Arbeitnehmenden verzichtet wird oder eben nicht. Unter welchen Voraussetzungen solche Vereinbarungen gültig sind, ist indes umstritten.
Nach restriktiver Auffassung ist es erforderlich, dass die Vereinbarung vor Beginn der Weiterbildung abgeschlossen wurde. Zudem sollen gewisse Gesetzesvorschriften, die sich eigentlich auf Konkurrenzverbote beziehen, analog anwendbar sein. So soll die Rückzahlungspflicht nach Abschluss der Weiterbildung schrittweise abnehmen und spätestens nach drei Jahren ganz erlöschen (analog Artikel 340a Absatz 1 OR). Ebenso soll die Rückzahlungspflicht wegfallen, wenn der Arbeitgebende das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne dass ihm der Arbeitnehmende dazu einen begründeten Anlass gegeben hat, oder wenn Letzterer es aus einem begründeten, vom Arbeitgebenden zu verantwortenden Anlass auflöst (analog Artikel 340c Absatz 2 OR).
Demgegenüber bestehen nach einer liberaleren Auffassung keine solchen Einschränkungen. Ein Wegfall der Rückzahlungspflicht kommt demnach nur in Sonderfällen in Frage, etwa wenn dem Arbeitgebenden vorgeworfen werden kann, er habe einen vereinbarten Auslöser für die Rückzahlungspflicht (wie zum Beispiel die Kündigung) geradezu treuwidrig herbeigeführt.
Angesichts der rechtlichen Unklarheiten sollten Arbeitgebende auf alle Fälle Sorgfalt walten lassen, wenn eine Vereinbarung oder ein Reglement zu Weiterbildungskosten und deren Rückzahlung aufgesetzt werden soll.