Recruting Guide 2016

Recruiting – als Verkaufsaktivität

Viele Personaler können mit dem Thema Verkauf nichts anfangen. Dabei gehört Rekrutierung oft zu ihren wichtigsten Aufgaben. Und im Grunde genommen ist Rekrutierung nichts anderes als eine Verkaufsaktivität.

Warum möchten viele Personaler nichts mit Verkauf zu tun haben? Es liegt sicher daran, dass sie sich kaum damit auseinandergesetzt haben. Und deshalb ist ihnen dieses Thema fremd. Beim Thema Verkauf denken aber auch viele spontan an nervige, aufdringliche und zum Teil sogar unehrliche Verkäufer, die ihnen um jeden Preis etwas andrehen wollen. Aber das ist nicht Verkauf!

Was ist eigentlich Verkauf?

Beim Verkaufen geht es darum, einen Kunden davon überzeugen, dass er in ein für ihn nützliches Produkt investiert. Ein Produkt kann ein Gegenstand, eine Dienstleistung oder, in unserem Fall, ein Job sein. Bei der Investition handelt es sich meistens um Geld, aber es können auch Fachkenntnisse, Zeit und Energie sein. Und ganz wichtig: ein seriöser Verkäufer wird von einem Produkt abraten, wenn es seiner Meinung nach nicht das Richtige für den Kunden ist.

Wer von uns hat das nicht schon selbst erlebt: Ein sympathischer und gut qualifizierter Kandidat ist völlig begeistert und möchte unbedingt für uns arbeiten. Aber irgendwie wissen wir, dass er dabei nicht glücklich sein wird. Also müssen wir ihm schweren Herzens absagen. Denn alles andere wäre unfair, unprofessionell und langfristig für alle Betroffenen schädlich.

Erfahrene Verkäufer wissen, dass es sich lohnt, in die Zufriedenheit der Kunden zu investieren. Denn diese werden lange Zeit gute Kunden bleiben und es auch weitererzählen. Frustrierte Kunden werden es auch weitererzählen und dabei viel Schaden anrichten. Und abgesehen davon ist es viel effizienter, aktuelle Kunden zu pflegen, als laufend neue zu akquirieren.

Im Human Resources ist es genau gleich, auch wenn wir andere Wörter benützen. Zum Beispiel Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung, Employer Branding, Mitarbeiterempfehlungen und Fluktuation.

Natürlich besteht immer die Gefahr, dass man jemanden mit zu viel Motivation überzeugen will. Oder anders ausgedrückt: zu etwas überredet, das er gar nicht will. Aber bei jeder Verkaufsaktivität, auch bei der Rekrutierung, gelten diese Fragen:

  • Bin ich persönlich überzeugt, dass es das Richtige für den Kunden/Kandidaten ist?
  • Habe ich überzeugende Argumente?
  • Und kommuniziere ich offen und ehrlich?

Ist Verkaufen irgendwie anrüchig?

Wie gesagt, beim Thema Verkauf denken viele automatisch an nervige Kleiderverkäufer, aufdringliche Versicherungsvertreter und manchmal sogar an unehrliche Autohändler. Beim Thema Rekrutierung ist das nicht anders. Viele Kandidaten haben Erfahrungen gemacht mit nervigen, aufdringlichen und manchmal sogar unehrlichen Recruitern.

Das ändert aber nichts daran, dass Rekrutierung eine sehr ehrenhafte Tätigkeit ist. Denn was gibt es Schöneres, als Stellensuchende mit dem passenden Job in der richtigen Unternehmung zusammenzubringen? Beim Verkauf ist es genau gleich.

Was Personaler verpassen

Wenn wir uns als Personaler dem Thema Verkauf verschliessen, können wir auch nicht von den Erfahrungen und Best Practices unserer Kollegen aus der Verkaufsabteilung profitieren.

Natürlich gibt es viele Personaler, die auch ohne Verkaufstraining seit Jahren erfolgreich rekrutieren. Aber mit etwas theoretischem Wissen und Unterstützung von Verkaufsprofis könnten wir noch viel mehr erreichen. Denn wer von uns weiss wirklich, wie man:

  • sein Zielpublikum definiert und herausfindet, was es wirklich interessiert und wie man sie am besten anspricht?
  • die verschiedenen Aktivitäten entlang des Sales-Funnels misst und herausfindet, was wirklich etwas bringt?
  • oder wie man professionell (und natürlich auch ethisch) Vertragsverhandlungen führt?

Stelleninserate: Luft nach oben

Seit Jahrzehnten haben wir uns in Bezug auf Stelleninserate kaum weiterentwickelt und uns dadurch auch nicht den Bedürfnissen unserer Kandidaten angepasst.

Stelleninserate sehen meist nicht sehr attraktiv und oft sogar ziemlich altmodisch aus. Die Inhalte sind für jede Berufskategorie gleich, obwohl sich ein Buchhalter wahrscheinlich von anderen Dingen angesprochen fühlt als ein Network Engineer. Aber wir wissen es nicht mit Sicherheit, denn wir haben unsere Zielgruppe nicht analysiert und messen auch nicht, was funktioniert. Und dann wundern wir uns, wenn sich die gewünschten Kandidaten nicht bei uns melden. Genau bei diesen Dingen könnten wir sehr viel von unseren Kolleginnen und Kollegen vom Sales und Marketing lernen.

Fazit

Rekrutierung ist eine Verkaufsaktivität und das ist absolut okay. Es wäre aber schade, wenn wir uns weiterhin auf unser Bauchgefühl verlassen würden, anstatt vom Wissen und der Erfahrung aus dem Verkauf zu profitieren. Denn dann könnten wir in der Rekrutierung mit Sicherheit vieles (noch) besser machen.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Etienne Besson ist seit über 20 Jahren als HR Generalist tätig. In seiner Freizeit begeistert er sich für die Online-Rekrutierung und allem, was mit dem Internet zu tun hat. Seit Mitte 2015 bespielt er den Podcast für HR Today und ist auch Mitorganisator des HR BarCamp Zürich.

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