Social Recruiting – Trends und Thesen
Der Arbeitsmarkt ist in vielen Branchen leer gefegt. Wollen Unternehmen Kandidaten für sich begeistern, müssen sie auf Talente zugehen – nicht mehr umgekehrt. Das Prinzip «Stellenanzeige schalten und abwarten» geht nicht mehr auf. Social Recruiting – also das Rekrutieren über soziale Netzwerke – bietet eine neue Form der Personalbeschaffung.
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An einem normalen Wochentag surfen junge Talente im Durchschnitt bis zu 260 Minuten im Netz. Das sind fast 4,5 Stunden pro Tag, an denen Arbeitgeber High Potentials online erreichen und auf sich aufmerksam machen können. Wer diese Chance nicht an sich vorbeiziehen lassen will, sollte seinen Recruiting-Prozess darauf ausrichten.
Denn die Zeiten, in denen der Postbote wäschekörbeweise Bewerbungen bei Personalverantwortlichen abliefert, sind vorbei. Infolge des Fachkräftemangels hat sich der Arbeitsmarkt gedreht und so müssen HR-Abteilungen neue Wege für einen nachhaltigen Recruiting-Erfolg erschliessen.
Homepage im Miniformat
Wobei das nicht heisst, dass die klassische Stellenanzeige tot wäre. Im Gegenteil. Sie muss nur anders eingesetzt werden. Auf ihr sind im Idealfall sämtliche Informationen zu finden, die der potenzielle Arbeitnehmer braucht, um von einer Vakanz überzeugt zu werden. Schliesslich punkten modern gestaltete Jobinserate mit einer hohen Übersichtlichkeit.
Sie kommen fast schon wie eine Hompepage im Miniformat daher – mit Reitern, die thematisch gegliedert sind, sowie eingebetteten Videos und Bildern aus dem Unternehmen. Der einzige Unterschied zum bisherigen Recruiting-Prozess besteht darin, dass das Jobinserat zum Talent kommt, nicht mehr das Talent zu ihm.
Wenig dezidierte Strategien
In Zeiten des Web 2.0 ist das nicht das Problem. Immerhin lässt sich der Link zu einer vakanten Stelle optimal auf Communities, in Foren und in Businessnetzwerken teilen. In Expertenkreisen wird dieses Vorgehen als Social Recruiting bezeichnet. Damit erfüllen Recruiter den Anspruch junger High Potentials, Informationen über einen Arbeitgeber und eine vakante Position auch unterwegs schnell und einfach per Fingertipp via Smartphone abrufen zu können. Dafür kommen in der Schweiz in erster Linie Portale wie Twitter, Linkedin, Xing und zunehmend auch Facebook in Betracht. Auch Messenger wie Whatsapp und Snapchat rücken in den Fokus und bieten Möglichkeiten abseits der üblichen Kanäle, Kandidaten anzusprechen.
Allerdings stehen viele Firmen hier noch ganz am Anfang, wie die Studie «Recruiting Trends» von Monster in Zusammenarbeit mit der Universität Bamberg belegt. Die repräsentative Erhebung, für welche die deutschen Top-1000-Unternehmen jährlich nach den Trends in der Personalbeschaffung befragt werden, förderte Erkenntnisse zutage, die auch auf den Schweizer Recruiting-Sektor übertragbar sind: Die Arbeitsmarktsituation ist in beiden Ländern vergleichbar.
Die Forscher fanden heraus, dass sieben von zehn Unternehmen den Einsatz von Social Media im Recruiting positiv sehen – das sind 21 Prozent mehr als noch im Jahr 2012. Eine dezidierte Strategie haben aber nur die wenigsten. Aus einem bestimmten Grund: 88,2 Prozent sind der Meinung, dass Recruiter für ein effizientes Social Recruiting neue Fähigkeiten erlernen müssen. Allerdings glaubt weniger als die Hälfte, dass das einfach zu bewerkstelligen ist.
Reichweitenverstärker
Damit liegen die Befragten nicht ganz falsch. Social Recruiting ist mehr, als hin und wieder eine Stellenanzeige zu posten. Genau genommen macht das eher den geringsten Teil der Strategie aus. Die Personalbeschaffungsindustrie hat auf den Trend reagiert und bietet Recruitern Tools und Instrumente an, mit denen sie Vakanzen nicht nur automatisiert, sondern auch zielgerichtet in den sozialen Medien ausspielen können.
So ermöglichen etwa Social Job Ads, die Profildaten von Twitter- und Facebook-Usern mit den gesuchten Skills für eine Stelle abzugleichen. Bei einer Übereinstimmung wird die Vakanz im Profil des passenden Kandidaten sichtbar. Matching nennt sich das: Jeder passgenaue Treffer ist ein «Match».
Ähnliche Reichweitenverstärker gibt es mit den Twitter Cards auch für den gleichnamigen Microblogging-Dienst. Twitter Cards sind Vorschautexte, die unterhalb eines Tweets angezeigt werden können und mehr Platz für Informationen bieten als ein herkömmlicher Tweet. Integriert werden kann ein Firmenlogo, eine Stellenbezeichnung und -beschreibung sowie ein Link zur Stellenanzeige. Alles, was Recruiter für die Schaltung der Social Job Ads oder Twitter Cards benötigen, ist ein Unternehmensauftritt auf dem jeweiligen Netzwerk.
Den Rest erledigen smarte Algorithmen voll automatisiert. Natürlich schadet es auch nicht, wenn Arbeitnehmer die Recruiting-Arbeit ihres Unternehmens unterstützen, indem sie die in den sozialen Medien veröffentlichten Vakanzen teilen und liken und so für eine noch grössere Reichweite sorgen. Fungieren Mitarbeiter auf diese Weise als Markenbotschafter, bedeutet das für die Community vor allem eins: Glaubwürdigkeit. Offensichtlich ist der jeweilige Arbeitnehmer so von seinem Unternehmen überzeugt, dass er auch seinen Freunden und Bekannten raten würde, hier anzuheuern. Doch so etwas kann nicht verordnet werden, sondern muss freiwillig geschehen.
Abgesehen von Stellenbeschreibungen wollen Bewerber über Social Media von einem Unternehmen mit ergänzenden Mehrwehrten versorgt werden. Und das vor allem regelmässig. Informationen über Vakanzen können daher nur ein Bestandteil eines ausgewogenen Kommunikationsmix sein.
Die Zeit ist reif
Die Social-Media-Gefolgschaft wächst noch schneller, wenn sie mit den richtigen Inhalten bei Laune gehalten wird. Mit Bildern aus dem Unternehmensalltag, Firmen- und Branchennews, Chats, Berichten aus dem Mitarbeiter- oder Azubi-Blog und informativen Videos, die gleichzeitig unterhalten. Auch Umfragen oder Grafiken kommen gut an. Firmen, die das nicht beherzigen, entgeht die Chance, mit Talenten ins Gespräch zu kommen. Denn sechs von zehn Karriereinteressierten bewerten laut der «Recruiting Trends 20161» den Einsatz von Social Media in der Rekrutierung als positiv. Drei Viertel der Unternehmen sehen die Notwendigkeit, auf Social Media präsent zu sein, auch ein. Daher kann nur eines gelten: nicht länger überlegen. Die Zeit ist reif, neue Recruiting-Pfade zu beschreiten und mit den richtigen Kanälen die besten Kandidaten für sich zu gewinnen.
Quelle
- https://www.uni-bamberg.de/isdl/transfer/e-recruiting/recruiting-trends… (Studie des Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universität Bamberg in Zusammenarbeit mit der German Graduate School of Management and Law, Heilbronn und im Auftrag der Monster Worldwide Deutschland GmbH