Recruiting wird zu People Attraction: Aufstieg einer HR-Randdisziplin

Fachwissenmangel, Flexible Workforce, Digitalisierung und veränderte Wertvorstellungen bringen Firmen aus per­soneller Sicht in Not. Die Personalgewinnung kann dem Leistungsauftrag, Kompetenzen nachhaltig in Unternehmen zu ­bringen, nicht länger nachkommen. Somit führt der Fachwissen­mangel in immer mehr Firmen zu Umsatzeinbussen und beeinflusst in direkter Weise den Erfolg. In vielen Personalabteilungen findet sich zudem eine Haltung, die das Zitat von Ulrich Erckenbrecht treffend abbildet: «Neue Un­übersichtlichkeiten entstehen, wenn alte Durchblicker die Orientierung verlieren.»

Gehörten Ausschreibung, Selektion und Interviewführung bislang als Teilaufgaben zum Jobinhalt eines HR-Managers, verlangt People Attraction ein epochales Umdenken. Es ist höchste Zeit für eine einschneidende Transformation und Neupositionierung des Recruitings.

Vom HR losgelöst

Wertschöpfende People Attraction hat mit klassischem HR so gut wie nichts zu tun. Aus Unternehmenssicht ist die ­Personalabteilung im Gegenteil zur Personalgewinnung ein Kostenfaktor. Richtig positioniert, beeinflusst sie die Wertschöpfung des Unternehmens massgeblich. Hat die Personalgewinnung als eigene ­Einheit sogar Einsitz in der Geschäftsleitung, verändern sich auch ihre Positionierung, ihre Herangehensweise und ihr Leistungsauftrag grundlegend. Man kann es auch so sehen: Unternehmen müssen die richtigen Kompetenzen an den richtigen Stellen haben. Fehlen diese, steht der Betrieb still. Unternehmen, die sich dagegen auf die Zukunft ausrichten, investieren in die erfolgskritische Personalgewinnung und lösen diese aus dem HR. Das erfordert, HR-Fachkräfte und die Spezialisten darin grundlegend neu aus- und weiterzubilden – und dafür eine neue Haltung zu schaffen. Zu den Kernkom­petenzen dieser Mitarbeitenden gehören neben Fähigkeiten zur Selektion, zum Matching oder zur Interviewführung auch viele weitere ­Disziplinen (siehe Grafik).

Image

(Für eine bessere Ansicht, klicken Sie auf die Grafik.)

Diese Disziplinen adressieren mehrere Gebiete:

• Strategic Partnering: strategische Einbindung, Positionierung, Entwicklung
• Sparring Partnering: Workforce-Planung, Skill Management
• Change Agency: Transformation, Entwicklung der Personalgewinnung Befähigung, Kultur-Change
• Data Engineering: People Analytics, Technology, Digitalisierung, Beitrag zur Wertschöpfung modellieren
• Qualification Agency: operative Disziplinen (Posting, Selektion, Interviewing, Onboarding)
• Promotion Partnering: Kommunikation, ­Employer Branding, Advertising, Positionierung

«Learning on the job» genügt in der Personalgewinnung nicht mehr: Die Disziplin ist zu komplex und anspruchsvoll. Der Berufsstand muss deshalb ausgebildet werden, um die steigenden Anforderungen zu meistern. Hierzu gibt es mittlerweile Angebote für Einsteiger, Berufsleute und Spezialisten (siehe Box).

Aus Firmensicht erfreulich: Wer in die Personalgewinnung investiert, trägt massgeblich zur Unternehmenswertschöpfung bei.