Das Urteil

Unfall im Ausland: Bundesgericht verwehrt Praktikant Versicherungsschutz

Das Bundesgericht stärkt die Regeln für die Unfallversicherung: Wer von Kenia aus für einen Schweizer Arbeitgeber arbeitet, ist nicht automatisch versichert – auch dann nicht, wenn er einen Schweizer Vertrag hat.

BGE 8C_75/2024, Urteil vom 12. August 2024 (zur Publikation vorgesehen)

Arbeitnehmer A. war befristet vom 1. Januar bis 31. Dezember 2022 als Praktikant bei einem Arbeitgeber mit Sitz in der Schweiz angestellt. Am 16. April 2022 erlitt er während der Ferien im Ausland einen schweren Unfall und war erst ab 7. November 2022 wieder voll arbeitsfähig.

Der zuständige Unfallversicherer erbrachte zuerst Leistungen in Form von Heilbehandlung und Taggeld. Nach weiteren Abklärungen verneinte der Unfallversicherer dann jedoch seine Leistungspflicht mit der Begründung, A. sei nicht dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) unterstellt, weil er nicht in der Schweiz beschäftigt gewesen sei. Das zuständige Sozialversicherungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde ab. A. gelangte gegen diesen Entscheid mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Praktikum in der Schweiz – Arbeitsleistung im Ausland

Das Bundesgericht erwog, dass gemäss Art. 1a Abs. 1 lit. a UVG die in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmenden, einschliesslich Praktikantinnen und Praktikanten, obligatorisch versichert sind. Gemäss Praktikumsvertrag befand sich der Arbeitsort von A. grundsätzlich in den Geschäftsräumlichkeiten des Arbeitgebers in der Schweiz. Nach Abklärungen des Unfallversicherers hatte sich A., der in der Schweiz aufgewachsen war und bis Sommer 2021 in Dubai gelebt hatte, jedoch einzig im Herbst 2021 zwei Monate in der Schweiz aufgehalten. Danach lebte er bis Ende 2022 hauptsächlich in Kenia und war bis zu seinem Unfall nie vor Ort in der Schweiz für den Arbeitgeber tätig, sondern arbeitete von seinem privaten Laptop aus. Der Arbeitgeber wusste nicht, aus welchem Land A. jeweils tätig war.

Das Bundesgericht erwog, dass Art. 1a Abs. 1 lit. a UVG eine auf den Beschäftigungsort in der Schweiz räumlich begrenzte obligatorische Versicherung bezwecke, womit der tatsächliche Arbeitsort gemeint sei. Auch Arbeitnehmende, die ihr Erwerbseinkommen mithilfe von Internetplattformen erzielen, könnten grundsätzlich obligatorisch versichert sein, was jedoch voraussetze, dass die Arbeitstätigkeit in der Schweiz ausgeübt werde. Nicht genügend sei, wenn lediglich das Arbeitsergebnis in der Schweiz erzielt werde. Da A. vom Arbeitgeber nicht ins Ausland entsandt worden war, sondern von vornherein im Ausland beschäftigt wurde, ohne vor dem Unfallereignis je eine Tätigkeit in der Schweiz ausgeübt zu haben, fehlte es für den Unfall vom 16. April 2022 an einer Versicherungsdeckung nach UVG, und das Bundesgericht wies die Beschwerde ab.

Urteil mit Folgen für Telearbeit und Remote-Jobs

Das Urteil verdeutlicht die sozialversicherungsrechtlichen Komplikationen, die grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse mit sich bringen können. Die Frage, in welchem Land Mitarbeitende sozialversicherungsrechtlich zu unterstellen sind, stellt sich dabei nicht nur bei ausschliesslich im Ausland tätigen Personen, sondern auch bei solchen, die regelmässig einen wesentlichen Teil ihrer Arbeitsleistung aus dem Ausland erbringen.

Angesichts der immer flexibleren Arbeitsmodelle mit Aufschwung von Telearbeit und flexiblen Arbeitsorten, der zunehmenden Beschäftigung von Arbeitskräften mit internationalem Bezug und dem Trend zur Plattformarbeit ist Arbeitgebenden anzuraten, der Frage, wo ihre Mitarbeitenden tatsächlich arbeiten und zu versichern sind, vermehrte Aufmerksamkeit zu widmen. Eine fehlerhafte sozialversicherungsrechtliche Unterstellung kann sowohl für Arbeitgebende als auch für Mitarbeitende kostspielige Folgen haben, wie der vorliegende Fall zeigt.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Sonja Stark-Traber, lic. iur., LL.M., ist als Rechtsanwältin in der Wirtschaftsanwaltskanzlei Suter Howald Rechtsanwälte in Zürich tätig, mit Schwerpunkten im Bereich Prozessführung, Arbeits- und Vertragsrecht. Kontakt: sonja.stark@suterhowald.ch

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