HR Today Nr. 3/2016: Aus- und Weiterbildung

«Vom Ingenieur zum Küchenchef»

Das Tibits engagiert sich in der Integration von niedrig qualifizierten Mitarbeitern. Der CEO sowie ein Mitarbeiter erzählen.

Herr Frei, warum engagiert sich Ihr Unternehmen bei der Integration von niedrig qualifizierten Mitarbeitenden?

Daniel Frei: Wir beschäftigen im Tibits mittlerweile Menschen aus über 60 Nationen. Die Integration von Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Kulturkreisen war für uns daher schon immer ein wichtiges Thema. Ideen für neue Gerichte kommen nicht selten von Mitarbeitenden aus fernen Ländern. Eine Anstellung bei Tibits ist eine Startmöglichkeit für Menschen mit wenig Qualifikationen oder geringen Deutschkenntnissen, die hier arbeiten möchten und sich in der Schweiz integrieren wollen.

Wo liegt für Sie der wichtigste Weiterbildungsbedarf in Ihrem Unternehmen?

Damit wir uns als Unternehmen entwickeln können, müssen wir uns  immer wieder neu erfinden. Dazu gehört, dass wir die Mitarbeitenden fachlich laufend weiterbilden. Zum Beispiel, indem wir Wissen über neue Zutaten wie Seitan oder Milchersatzprodukte weitervermitteln oder an Kochschulungen neue Rezepte ausprobieren und kochen.

Tibits

Im Jahr 2000 legten die Brüder Daniel, Christian und Reto Frei mit Rolf Hiltl den Grundstein für die erfolgreiche Vegi-Gastrokette. Seit der Gründung fördert Tibits Mitarbeitende mit Migrationshintergrund mit internen Fachweiterbildungen, kostenlosen Deutschkursen und Beteiligung an den Weiterbildungskosten. Im Juli 2012 hat Tibits an einer Studie der Migrations-Allianz des Kantons Bern teilgenommen und wurde von den «Dialog Integration»-Verantwortlichen als Best Case ausgezeichnet.

Wie wichtig sind Deutschkenntnisse für Sie?

Deutsch ist der Schlüssel dazu, sich neues Fachwissen anzueignen, wenn beispielsweise die Rezepte ändern und die Speisen anders zubereitet werden müssen. Das geht nur, wenn die Mitarbeitenden die auf Deutsch festgehaltenen Rezepte lesen und verstehen können. Schon bei der Rekrutierung ermitteln wir deshalb mit einem Deutschtest die Sprachkenntnisse des Kandidaten, um im Unternehmen ein gewisses Sprachniveau zu halten. Wer schlechter deutsch spricht, fängt in der Küche als Abwäscher an und übernimmt mit zunehmenden Deutschkenntnissen und Arbeitserfahrungen andere Funktionen.

Wie fördern Sie Geringqualifizierte in Ihrem Unternehmen?

In erster Linie fördern wir weniger qualifizierte Mitarbeitende mit einer durchdachten Einführung im Restaurant und mit der Betreuung durch einen «Götti». Wir leben die Kultur des gegenseitigen Helfens: Wo nötig werden neue Mitarbeitende von Älteren unterstützt. Intern bilden wir unsere Mitarbeitenden mit Produkt- und Kaffeeschulungen weiter und unterstützen sie mit Deutschkursen beim Erlernen der Sprache. Gleichzeitig vermitteln wir die kulturellen Werte von Tibits und jene der Schweiz.

Was hat Ihnen die Weiterbildung von Geringqualifizierten gebracht?

Wenn man seine Mitarbeitenden individuell stets weiterbildet, erhöht man die Qualität der Dienstleistung und ist innovativer. Mitarbeitende, die sich weiterentwickeln dürfen, sind in der Regel sehr treu und fühlen sich dem Unternehmen verbunden. Das schlägt sich in  einer tieferen Fluktuation nieder. Mit unserer Nachfolgeplanung, die wir mindestens zweimal im Jahr überprüfen und anpassen, können wir zudem viele frei werdende Stellen intern besetzen.

Robiul Alam (42), Herkunftsland Bangladesch, 
Küchenchef bei Tibits, Winterthur

«Als ich 2002 in die Schweiz kam, hatte ich den Status eines Asylbewerbers und war im Ungewissen, ob ich in der Schweiz bleiben konnte. Erst nach sechs Monaten durfte ich arbeiten. Mein bangladescher Abschluss als Ingenieur ist in der Schweiz jedoch nicht anerkannt, weshalb ich meinen Beruf hier nicht ausüben kann. Durch einen Kollegen bin ich dann in den Gastrobereich gekommen und habe über ein Jahr in der Küche eines Zürcher Restaurants gearbeitet, bevor ich zu Tibits an der Seefeldstrasse wechselte. Dort war ich zu Beginn in der Produktion tätig.

Damals konnte ich mich auf Deutsch kaum verständigen. Mein Arbeitsalltag gestaltete sich recht schwierig, denn ich hatte Mühe, die deutsch geschriebenen Rezepturen zu verstehen. In internen Kursen und mit der Unterstützung einer befreundeten Deutschlehrerin habe ich meine Sprachkenntnisse in kurzer Zeit jedoch stark verbessert. Nach meinem Wechsel von Tibits Zürich nach Winterthur habe ich mich vom «Götti», der sich um die Einführung neuer Küchenmitarbeitender kümmert, zum Schichtleiter Produktion und Küchenchef weiterqualifiziert. 2012 schloss ich mein Handelsdiplom ab. Derzeit  mache ich eine Gastroausbildung, die es mir ermöglicht, später einen eigenen Tibits-Betrieb zu führen.»

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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