Vorzeitiger Rückzug eines Vertragsangebots: Das gilt es zu beachten
Ein Gemeindeverband kündigte ihre Sekretärin, machte ihr aber gleichzeitig ein alternatives Stellenangebot. Als Sie aufgrund des Pflichtenhefts zögerte, entzog ihr Arbeitgeber das Angebot bevor der abgemachten Frist. Laut Bundesgericht, machte sich der Gewerbeverband deshalb strafbar.
Illustration: Jonas Raeber
Arbeitnehmerin A. war als Sekretärin und Buchhalterin bei einem Gemeindeverband tätig. Im Rahmen einer Umstrukturierung wurde ihre Stelle gestrichen und sie erhielt am 24. Mai 2016 die Kündigung per 31. August 2016. Gleichzeitig machte die Arbeitgeberin A. das Angebot, ab 1. September 2016 eine neu geschaffene 30-Prozent-Stelle im Sekretariat der Arbeitgeberin zu übernehmen (sog. Änderungskündigung). A. wurde gebeten, vor dem 30. Juni 2016 mitzuteilen, ob sie das Stellenangebot annehme.
Im Rahmen eines Austauschs mit der Arbeitgeberin lehnte A. in der Folge das vorgeschlagene Pflichtenheft ab. Noch vor Ablauf der Angebotsfrist teilte die Arbeitgeberin deshalb mit, dass sie A. für die neu geschaffene Stelle nicht berücksichtigen werde und das Arbeitsverhältnis entsprechend am 31. August 2016 ende. Fast zeitgleich informierte A. die Arbeitgeberin vor Ablauf der Angebotsfrist, dass sie das neue Stellenangebot annehme.
Da die Arbeitgeberin an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses festhielt, klagte A. auf Bezahlung einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung durch die Arbeitgeberin.
Im Gegensatz zu den kantonalen Vorinstanzen bejahte das Bundesgericht die Missbräuchlichkeit der Kündigung. Es erwog, dass die Arbeitgeberin an ihr Vertragsangebot bis zum 30. Juni 2016 gebunden gewesen sei, da sie keinen Widerrufsvorbehalt angebracht habe. A. habe das Stellenangebot zudem auch nicht abgelehnt: Die Tatsache, dass A. das von der Arbeitgeberin vorgeschlagene Pflichtenheft abgelehnt habe, sei höchstens ein Hinweis darauf gewesen, dass sie die angebotene Stelle habe ablehnen wollen. Sie habe das Stellenangebot dann jedoch innerhalb der gesetzten Frist ausdrücklich angenommen.
Indem die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin A. eine Frist setzte, um zu erklären, ob sie die neue Stelle annehme, dann jedoch den Ablauf dieser Frist nicht abwartete, bevor sie das Arbeitsverhältnis endgültig kündigte, spielte die Arbeitgeberin gemäss Bundesgericht ein doppeltes Spiel. Damit verstiess sie in charakteristischer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Aus diesem Grund war die von der Arbeitgeberin ausgesprochene Änderungskündigung gemäss Bundesgericht missbräuchlich.
Konsequenz für die Praxis
Das Bundesgericht hat einmal mehr bestätigt, dass nicht nur die Kündigungsgründe zur Missbräuchlichkeit einer Kündigung führen können, sondern auch die Art und Weise, wie Arbeitgebende ein Arbeitsverhältnis beenden. Im Rahmen einer Änderungskündigung, bei der die Kündigung mit einem Angebot zum Abschluss eines neuen, geänderten Arbeitsvertrags verknüpft wird, sind nicht nur die Umstände im Zeitpunkt der Mitteilung der Änderungskündigung massgebend, sondern sämtliche Umstände bis zum Zeitpunkt, in dem feststeht, dass das Arbeitsverhältnis endet.
Gemäss allgemeinen obligationenrechtlichen Regeln sind Arbeitgebende insbesondere an ein dem Arbeitnehmenden unterbreitetes, neues Vertragsangebot gebunden, bis die gesetzte Annahmefrist abgelaufen ist oder der Arbeitnehmende das Angebot ablehnt. Wollen sich Arbeitgebende das Recht vorbehalten, jederzeit auf das Vertragsangebot zurückzukommen, so haben sie ausdrücklich einen entsprechenden Widerrufsvorbehalt anzubringen. Andernfalls führt der vorzeitige Rückzug des Vertragsangebots gemäss Bundesgericht zur Missbräuchlichkeit der Änderungskündigung.