«Was kann ich für Sie tun?»
Fast alle Callcenter zeichnen Gespräche auf, um ihre Mitarbeitenden zu schulen. So auch Nespresso, die Zurich Versicherung und Helvetia Versicherungen. Über das Ziel und den Zweck solcher Aufnahmen.
Vom Sinn und Nutzen aufgezeichneter Callcenter-Gespräche. (Bild: iStock)
«Dieses Gespräch kann zu Schulungszwecken aufgezeichnet werden.» Ein Standardsatz, den wir öfters hören, wenn wir mit dem Kundenservice einer Versicherung, einer Bank oder eines Dienstleisters telefonieren. Doch wozu dienen diese Aufzeichnungen? «Wir nutzen sie für geplante Schulungen. Sie sind aber auch Auslöser für neue», erklärt Fridolin Landolt, Director Customer Care und Services bei Nespresso Schweiz. «Durch die Auswertung der Gespräche erhalten Ausbildende Anhaltspunkte darüber, wie sich Mitarbeitende in Kundengesprächen verhalten, ob bei einem Thema Bildungsbedarf besteht oder die Schulung auf eine bestimmte Mitarbeitendengruppe ausgerichtet werden sollte.» Doch was lässt sich aus diesen Gesprächen konkret herauslesen? «Beispielsweise, ob Mitarbeitende freundlich sind, den Kunden korrekt identifizieren, die vorgeschriebenen Prozesse einhalten, ihr Fachwissen anwenden und korrekte Angaben machen», sagen die Verbandsgeschäftsführer Michael Lindenmann von Contactswiss und Markus Hungerbühler von Callnet. Darüber hinaus liessen sich auch Anrufgründe ermitteln.
Regelmässige Coachings
Bei Nespresso besprechen sich Teamleitende mindestens einmal im Monat mit ihren Mitarbeitenden. Auch die Zurich Versicherung nutzt Aufzeichnungen für monatliche Einzelgespräche und die Einarbeitung neuer Mitarbeitender, erklärt Pasquale Renna, Head of Sales and Customer Care. «Vorgesetzte und Mitarbeitende analysieren dabei zwei bis drei Gespräche und halten Verbesserungspunkte fest.» Wie häufig ein Teamchef mit seinen Mitarbeitenden über deren Telefonverhalten spricht, ist bei der Helvetia dagegen individuell: «Die Führungskräfte bestimmen selbst, wann ein Coaching angezeigt ist», sagt Sascha Kretz, Leiter des Helvetia Service Center. Für dieses wählen Vorgesetzte und Mitarbeitende drei Gesprächsaufzeichnungen aus, analysieren die Stärken des Mitarbeitenden sowie dessen Potenzial und definieren Massnahmen.
Während Nespresso alle Kundengespräche aufzeichnet, tut es die Helvetia hauptsächlich im First-Level-Support von Kunden: «Die Anzahl der Aufnahmen ist limitiert, um einen unerwünschten Überwachungsdruck zu verhindern», sagt Sascha Kretz. «Für den Mitarbeitenden ist klar erkennbar, wann ein Gespräch aufgenommen wird.» Den Auswertungszeitraum bestimme er zudem gemeinsam mit dem Vorgesetzten. Der Versicherungsdienstleister Zurich verzichtet sogar auf eine systematische Erfassung: «Wir hören nur noch vereinzelt Gespräche für Einzelcoachings mit», sagt Pasquale Renna. «Und das auch nur über die Service-Nummern, nie über die persönliche Durchwahl eines Mitarbeitenden.» Ob regelmässige oder sporadische Aufzeichnungen: Mitarbeitende bei der Helvetia und bei Nespresso können die Aufnahmen «jederzeit stoppen».
Stress durch Aufnahmen
Wird häufig mitgehört, kann das Mitarbeitende unter Druck setzen und Stress auslösen. Um das zu verhindern, entwickelten Helvetia, Zurich und Nespresso verschiedene Strategien. So informiert der Versicherungsdienstleister Zurich auch potenzielle Mitarbeitende im Bewerbungsprozess über diese Abläufe. Dies käme bei Kandidatinnen und Kandidaten sowie Mitarbeitenden gleichermassen gut an: «Das Feedback ist überaus positiv», sagt Pasquale Renna. «Bewerbende schätzen die Transparenz und unsere Mitarbeitenden, dass wir in ihre berufliche Entwicklung investieren und sie durch das Coaching und die Gespräche mit der Führungskraft auf schwierige Situationen vorbereiten.» Ähnliches vermeldet Helvetia: «Bisher gab es keine negativen Rückmeldungen. Im Gegenteil: Das individuelle Coaching kommt bei unseren Mitarbeitenden gut an.» Zeigen sich bei Nespresso-Mitarbeitenden Stresssymptome, würden Teamleiter von sich aus aktiv und suchen das Gespräch mit Betroffenen, sagt Fridolin Landolt. «Daneben haben Mitarbeitende mit einem Login jederzeit Zugriff auf das System und können ihre Aufzeichnungen und Auswertungen anhören.»
Strenger Datenschutz
Aufgezeichnete Kundengespräche sind besonders schützenswerte Daten und fallen unter den Persönlichkeitsschutz, sagen die Verbandsgeschäftsführer Michael Lindenmann von Contactswiss sowie Markus Hungerbühler von Callnet. «Gesprächsaufnahmen können deshalb nur für bestimmte Zwecke eingesetzt werden.» Darauf zugreifen dürfe nur ein kleiner und geschulter Personenkreis. «Ausserdem müssen die Aufzeichnungen verschlüsselt und vor einem Fremdzugriff gesichert werden.» Würden die Daten nicht mehr für die Qualitätssicherung benötigt oder sei die gesetzliche Aufbewahrungsfrist abgelaufen, seien sie spätestens nach drei Monaten oder nach Ablauf einer längeren Frist zu löschen. Anforderungen, die Nespresso, die Zurich und die Helvetia erfüllen: Gesprächsaufzeichnungen werden in den IT-Systemen innert vier bis sechzehn Wochen automatisch entfernt.