Welche Bedeutung haben Social Media in der HR-Praxis?
Damit der Einsatz von Social Media strategisch genutzt werden kann, braucht es Geschäftsleitungen, die in Bezug auf das Humankapital strategisch handeln, und HR-Profis, die den Markt verstehen und dem Management den Nutzen aufzeigen können. Erkenntnisse aus wissenschaftlicher Sicht.
Der Social-Media-Einsatz wirkt bei vielen Unternehmen oft noch aufgesetzt. (Bild: Archiv)
Anlässlich der Personal Swiss 2011 habe ich das Thema Social Media im Human Resource Management in einem Vortrag unter der Fragestellung «Revolutioniert Web 2.0 das Human Resource Management?» erstmals aufgegriffen. Dabei zog ich folgende Schlussfolgerung: «Der Umgang mit Web 2.0 ist mehr als eine technische Anreicherung bestehender Prozesse oder die Übertragung von Papierinstrumenten ins Internet. Es braucht ein Umdenken der HR-Verantwortlichen.»Drei Jahre später ist es ist an der Zeit für eine Standortbestimmung. Ich konzentriere mich dabei auf das HR-Marketing. Was hat sich seit 2011 verändert? Gibt es Konstanten und wie wurde darauf reagiert? Von diesen Fragen lasse ich mich im Folgenden leiten.
HR-Marketing-Grundauftrag hat sich verändert
Beginnen wir mit der Frage, was sich verändert hat. Damals sprachen wir noch ganz allgemein von Social Media. In der Zwischenzeit muss dieser Begriff ergänzt und differenziert betrachtet werden. Das HR-Marketing ist gefordert durch die neuen Herausforderungen im Umgang mit Business Networks, Community Management, Content Management, Blogging etc. Eine weitere wichtige Entwicklung ist die rasante Zunahme der mobilen Endgeräte wie Smartphones und Tablets. Diese schnellen Veränderungen sind eine grosse Herausforderung für das HR-Marketing. Sie eröffnen einerseits neue Möglichkeiten. Anderseits sind auch einige Gefahren damit verbunden. Die technologische Entwicklung wird sich aber dennoch sehr dynamisch fortsetzen!
Wenn sich vermeintlich alles ändert und nichts mehr ist wie früher, sei die Frage erlaubt: Hat sich wirklich alles verändert? Beim Lesen der vielen Blogs und Publikationen zum Recruiting entsteht der Eindruck, dass es keine Konstanten mehr gibt. Ist dem wirklich so? Ich meine Nein.
Der Grundauftrag des HR-Marketings hat sich nicht verändert. Es geht nach wie vor um die Beziehungsgestaltung zum Arbeitsmarkt. Unternehmen sollten sich langfristig positionieren, damit sie als Arbeitgeber attraktiv sind und bleiben. Das Wissen, die Fähigkeiten und das Innovationsvermögen, sprich das Humankapital, das von den Mitarbeitenden in eine Unternehmung investiert wird, ist, sofern richtig eingesetzt, ein wichtiges Asset (vgl. Meyer-Ferreira, Human Capital strategisch einsetzen, Luchterhand, 2010).
Social-Media-Einsatz wirkt oft noch aufgesetzt
Das Recruiting als Teil des HR-Marketings wird allerdings nach wie vor in vielen Unternehmen als eher kurzfristige Massnahme zum Ausgleich von konjunkturellen Schwankungen verstanden, auch das ist leider eine Konstante. Es geht häufig nur darum, offene Stellen schnell und kostengünstig zu besetzen. Sind diese Stellen besetzt, werden die Aktivitäten wieder heruntergefahren. Dieses Verhalten widerspricht allerdings einer langfristigen Ausrichtung des HR-Marketings. Das Recruiting wird noch zu wenig als Bestandteil des HR-Marketings verstanden und davon abgekoppelt betrieben.
Der Einsatz von Social Media in diesen Rekrutierungsprozessen ist daher weitgehend isoliert von einer Strategie und verfehlt dadurch seine Wirkung. Der Einsatz unterstützt einzig die kurzfristige operative Hektik des vorwiegend konjunkturell gesteuerten Recrutings. Die Inserate werden anstelle von Zeitungsinseraten auf Business-Netzwerke gestellt, die Firmen-Homepage wird mit einer Karriereseite versehen, die neu auch durch Videos geschmückt wird, und nebenbei wird vielleicht noch ein QR-Code in die Printinserate eingefügt. Das Verhalten gegenüber den Mitarbeitenden orientiert sich aber immer noch an den Prozessen der 90er-Jahre. Die Kommunikation mit Bewerbern erfolgt, im Speziellen bei Absagen, nach wie vor durch ein automatisch ausgelöstes Massenmail, meistens ohne eine Begründung. Spontanbewerbungen werden nicht beantwortet oder landen im Spamfilter. Dies nur, um einige Beispiel zu nennen, die beliebig erweitert werden könnten. Der Einsatz von Social Media wirkt deshalb oft eher aufgesetzt und ist für die kritischen Betrachter wenig glaubwürdig.
Für langfristige Ziele des HR-Marketings werden die neuen webbasierten Anwendungen kaum eingesetzt. Beispiele hierfür wären: Zielgerichtetes Active Sourcing, Aufbau und Pflege von Communities und Netzwerken, Beziehungsmangement zu bestehenden und potenziellen Mitarbeitenden und nicht zuletzt aktive Marktsegmentierung. Diese Herausforderungen werden allerdings immer noch suboptimal umgesetzt. Die Frage lautet nun: Liegt das an einem wenig innovationsfreudigen HR oder gibt es andere Gründe? Auf der Grundlage von Beobachtungen als Dozent in der Weiterbildung und der Praxis zeigt sich folgendes Bild:
Erkenntnis 1: Geschäftsleitungen haben die strategische Bedeutung des HR-Marketings noch nicht erfasst.
Es geht im Gegenteil vorwiegend darum, je nach wirtschaftlicher Situation, Stellen kurzfristig zu besetzen oder allenfalls Personal abzubauen. Der Faktor Kosten und die kurzfristige operative Sichtweise bestimmen nach wie vor die Agenda. Der Recruiter ist primär ein Troubleshooter, der dann wichtig ist, wenn offene Stellen zu besetzen sind. Der Beziehung zum Arbeitsmarkt wird eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. Dies zeigt sich insbesondere in der seit Jahrzehnten anhaltenden Diskussion um den Fachkräftemangel, die fast ausschliesslich operativ geführt wird. Die erfolgreichen strategischen Geschäftsmodelle zu deren Behebung fehlen weitgehend.
Erkenntnis 2: HR und Personalmarketing sind bis auf wenige Ausnahmen operativ ausgerichtet.
Auch eine vermeintliche Innovation durch Jobvideos, Blogging und die Präsenz in BusinessNetzwerken ist im Grunde genommen operativ, solange den Initiativen nicht eine Arbeitsmarktstrategie zugrunde liegt. Das Verständnis von HR-Marketing als Teil der Unternehmensführung ist auch in den Führungsetagen des HR noch nicht überall angekommen. Der Fokus liegt auf dem kurzfristigen, von der aktuellen Arbeitsmarktlage getriebenen Handeln. Dadurch werden die Geschäftsleitungen in ihrem Denken und Handeln bestätigt. Was müsste denn geschehen, damit dieser verhängnisvolle Kreislauf durchbrochen werden könnte?
- Geschäftsleitungen sollten die Bedeutung des Arbeitsmarktes für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens in den Fokus ihrer Strategiebetrachtungen mit einbeziehen.
- Recruiting ist als Teil eines professionellen HR-Marketings zu betrachten.
- Recruiting darf nicht zu einem konjunkturellen Puffer werden, der je nach Kostensituation unterschiedliche Bedeutung hat.
- Der Einsatz von Social Media und anderen modernen Kommunikationsmethoden sollte gezielt erfolgen. Dazu ist eine Strategie innerhalb der Unternehmen erforderlich.
Fazit
Zusammenfassend kann festgestellt werden: Es hat sich viel getan im Umfeld der Kommunikationstechnologie. Es gibt durchaus auch gute Beispiele, wie die neuen Kommunikationsmittel, falls sie aufeinander abgestimmt werden und in einer HR-Marketing-Strategie eingebettet sind, Nutzen stiften können – auch monetären. HR-Marketing findet aber in Geschäftsleitungen und im HR als strategisches Handlungsfeld nach wie vor wenig Beachtung. Die Rekrutierungskampagnen gleichen oftmals verzweifelten Hauruck-Übungen, angereichert durch den Einsatz von Facebook, Blogs oder Videobotschaften.
Damit der Einsatz von Social Media strategisch genutzt werden kann, muss diese Vorgehensweise grundlegend geändert werden. Dazu braucht es Geschäftsleitungen, die auch in Bezug auf das Humankapital strategisch handeln, und HR-Profis, die den Markt verstehen und dem Management den Nutzen aufzeigen können. Es braucht HR-Marketingspezialisten mit Mut und Durchsetzungsvermögen! Zusammen mit der strategischen Nutzung der Social Media führt dies zu echter Innovation. Ansonsten werden wir auch in einigen Jahren feststellen müssen, dass Recruiting abgekoppelt von einer strategischen Positionierung auf dem Arbeitsmarkt betrieben wird, der Einsatz der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien dadurch nur einen geringen Nutzen stiftet und teilweise sogar ins Leere geht.