Welche Folgen die Ablehnung der BVG-Revision hat
Am 22. September 2024 hat eine deutliche Mehrheit der Stimmbevölkerung die BVG-Revision abgelehnt. Dieser Beitrag zeigt auf, was das Nein für Pensionskassen und ihre Versicherten bedeutet und skizziert mögliche Lösungsansätze.
Die BVG-Reform wurde an der Urne abgelehnt. Wie geht es weiter? (Bild: iStock)
Das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (BVG) wurde auf den 1. Januar 1985 eingeführt. Die bis heute einzige erfolgreich über die Bühne gebrachte Revision trat am 1. Januar 2005 in Kraft. Sie brachte unter anderem eine Senkung des Umwandlungssatzes von 7,2 Prozent auf die noch immer gültigen 6,8 Prozent.
Im Rückblick von grosser Bedeutung ist ein anderer Punkt: Der Mindestwandlungssatz wurde im Zuge dieser Revision von einer Verordnung ins Gesetz verschoben. Damit ist nicht mehr der Bundesrat zuständig, sondern der Gesetzgeber und letztlich das Volk. Das Parlament hat mit diesem Entscheid den Weg für Anpassungen, die einer versicherungsmathematischen Logik folgen, gesperrt. Die Folgen sind bekannt. Gleich drei Versuche scheiterten. Der letzte von Ende September 2024 ist noch präsent. Er teilt das Schicksal mit denjenigen von 2010 und 2017. Das Verdikt an der Urne ist eindeutig: Eine Senkung des Umwandlungssatzes ist nicht mehrheitsfähig.
Nur 15 Prozent der Pensionskassen sind betroffen
Der Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent betrifft lediglich das Obligatorium der beruflichen Vorsorge. Im Überobligatorium ist es den Pensionskassen freigestellt, wie sie die Rente berechnen. Bei den meisten Pensionskassen ist der Anteil des überobligatorischen Kapitals so gross, dass sie eine Mischrechnung machen können. So kommen sie auf einen wesentlich tieferen Umwandlungssatz.
Aktuell werden die Neurenten in der 2. Säule im Durchschnitt mit 5,3 Prozent berechnet. Vor zehn Jahren waren es noch 6,25 Prozent. Auffallend ist die grosse Bandbreite der Umwandlungssätze. Sie liegen zwischen 4 und 7 Prozent (Quelle Umfrage Swisscanto 2024). Lediglich 15 Prozent der Pensionskassen sind an den Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent gebunden. Bei ihnen ist nur wenig oder gar kein überobligatorisches Kapital vorhanden.
Wie in der zweiten Säule umverteilt wird
In der ersten Säule wird gewollt von Jung zu Alt und von Einkommensstarken zu Einkommensschwachen umverteilt. In der zweiten Säule hingegen spart jede einzelne Person das Kapital, das für die Finanzierung ihrer Altersrente erforderlich ist, selbst. Der Arbeitgeber beteiligt sich mindestens zur Hälfte an diesem Sparprozess.
Die 65-jährigen Männer haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von 19,8 Jahren. Die Frauen sogar von 22,5 Jahren (Quelle Bundesamt für Statistik). Bei einem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent ist das gesparte Alterskapital Jahre vor dem Tod aufgebraucht. Wo kommen die Mittel her, um die Rente für die verbleibenden Zeit zu finanzieren? Ein Teil der Kapitalerträge der noch aktiven versicherten Personen wird dafür verwendet. Die Verzinsung des Alterskapitals der Erwerbstätigen fällt entsprechend tiefer aus. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf deren Rentenhöhe. Unter Berücksichtigung des Zinseszinseffektes ist die daraus resultierende Einbusse beträchtlich. Eine andere Form der versteckten Subventionierung der Rentenbeziehenden durch die Erwerbstätigen besteht darin, zur Versicherung von Invaliditätsrisiken höhere Beiträge als nötig zu verlangen.
Lösung liegt im überobligatorischen Kapital
Das Parlament wird das Problem nicht lösen (können). Wollen die betroffenen 15 Prozent der Pensionskassen die beschriebene systemwidrige Umverteilung beenden, müssen sie das Heft selbst in die Hand nehmen. Der Weg dazu ist vorgezeichnet. Vorsorgepläne mit Elementen, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen, führen zu einem überobligatorischen Kapital. Ist dieses gross genug, kann der Umwandlungssatz den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend festgelegt werden.
Der Trend weg von rein obligatorischen Vorsorgeplänen hat schon vor langer Zeit eingesetzt. Im Vordergrund steht dabei die Flexibilisierung des Koordinationsabzugs. 89 Prozent der Pensionskassen wenden den fixen Koordinationsabzug von 25 725 Franken nicht an (Quelle Umfrage Swisscanto 2024). Sie bevorzugen einen variablen Abzug in Prozenten des Lohns, gewichten den Abzug nach dem Beschäftigungsgrad oder verzichten gar gänzlich auf ihn. Damit wird ein höherer Anteil des Jahreslohns versichert, was zum angestrebten überobligatorischen Kapital führt. Das hat seinen Preis. Bei unveränderten Beitragssätzen steigen die in Franken ausgedrückten Beiträge.