HR Today Nr. 5/2022: HR FESTIVAL europe

«Wenn ich schnell Ski fahre, bin ich einfach glücklich»

Die Abfahrts-Olympiasiegerin Dominique Gisin kämpfte hart für ihre Erfolge. Ein Gespräch über Siege, sportliche Aufs und Abs und berufliche Ambitionen.

Sie blicken auf eine 15-jährige Skikarriere zurück. Was war Ihr persönliches Highlight?

Dominique Gisin: Das ist schnell gefunden: der Olympiasieg 2014 im russischen Sotschi. Er war emotional und definitiv der Höhepunkt meiner Karriere.

Heute sind Sie Delegierte des Stiftungsrats der Schweizer Sporthilfe sowie Verwaltungsrätin bei den Bergbahnen Engelberg-Trübsee-­Titlis. Zudem halten Sie Vorträge und haben ein Buch geschrieben. Welche Erfahrungen und Erkenntnisse, die Sie im Spitzensport gewonnen haben, helfen Ihnen im Beruf?

Die Erfahrungen aus meiner Aktivzeit sind sehr wertvoll. Gerade das Wissen, dass mich nichts so schnell aus der Bahn wirft, hilft mir enorm. Weiter habe ich gelernt, mit den Medien umzugehen, langjährige Ziele zu verfolgen, zu planen und zu koordinieren. Und nicht zuletzt, dass das Leben immer wieder für eine Überraschung gut ist und man dann vor allem Ruhe bewahren sollte.

Was war Ihr Antrieb, über Jahre hinweg herausragende Spitzensportleistungen zu erbringen?

Skifahren ist meine grosse Liebe. Ich wollte von klein auf nichts anderes machen. Die Leidenschaft dafür begleitete mich durch viele lange Verletzungspausen und ist nie kleiner geworden. Wenn ich schnell Ski fahre, bin ich einfach glücklich.

Welchen Erfolgsanteil hatten Ihr ehemaliges Skirennteam, Sie selbst und das Material?

Das ist schwer auseinanderzuhalten, da sich die einzelnen Faktoren gegenseitig beeinflussen. Der alpine Skirennsport ist ein komplexes Puzzle, bei dem alle Mosaiksteinchen den Erfolg entscheidend prägen können. Ich zähle beispielsweise das mentale Training, meine Lernfähigkeit, meine Disziplin und mein persönliches Umfeld mit Familie und Freunden und nicht zuletzt das Glück dazu. Es gibt aber noch unzählige weitere Mosaiksteinchen.

Im Verlauf Ihrer Karriere mussten Sie mehrere Rückschläge verkraften, beispielsweise mehrfache schwere Knieverletzungen. Wie haben Sie es trotz all dieser Beschwerden geschafft, wieder an die Weltspitze des Skisports zurückzukehren?

Hauptsächlich durch mein Herzblut für den Skisport. Das motivierte mich für alle Rehas und Trainings. Aber auch dank eines fantastischen medizinischen Teams, das an mich und die Heilung meiner Knie glaubte, mir alle Erfolge ermöglichte und dazu beitrug, dass ich heute schmerzfrei durch den Alltag gehen kann.

Was hat Ihr ehemaliges Team bei­getragen?

Ob das offizielle Swiss-Ski-Team, mein persönliches Umfeld oder mein Mentalcoach: Sie ebneten mir vielfach den Weg zum Erfolg. Meine Familie und meine Freunde glaubten immer an meinen Traum und begleiteten mich auf meinem Weg.

Welchen Einfluss hatten Sponsoren?

Der grösste Leistungsdruck kam immer von mir selbst, daher habe ich die Zusammenarbeit mit Sponsoren nie als störend empfunden. Im Gegenteil: Sie ermöglichten mir, meinen Traum zu leben und zehn Jahre im Weltcup mit den besten Athletinnen der Welt um die begehrtesten Trophäen zu kämpfen.

Wie haben Sie dafür gesorgt, dass Sie sich auf den Sport konzentrieren konnten?

Ich hatte einen klaren Trainings- und Rennablauf sowie Rituale. Letztere reichten von Musik über Essen bis hin zu Traingsübungen und festigten oder umrahmten diesen Ablauf.

Wenn Sie Ihre Skikarriere nochmals beginnen könnten, würden Sie alles gleich machen?

Mein Weg war von viele Aufs und Abs geprägt. Diese Verletzungsserie wünsche ich niemandem. Für mich war es aber genau der richtige Weg: Er hat mich dahin gebracht, wo ich heute stehe.

Sie haben Ihre Schwester gecoacht, die ­daraufhin Skisiege errang. Tun Sie das auch für Ski-Nachwuchskräfte?

Die Zusammenarbeit mit Michelle war sehr speziell, vielleicht sogar magisch. Zu sehen, wie meine Schwester Dinge umsetzte, die bei mir nur theoretisch möglich waren, berührte mich sehr. Mein Wissen weiterzugeben, bereitet mir viel Spass. Ab und zu mache ich das ehrenamtlich im Engelberger Skiclub oder bei verletzungsgeplagten Nachwuchs­athleten.

Sie studierten an der ETH Zürich Physik und sind seit 2019 Berufspilotin. Physik und Fliegen, es gibt viele Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Welche Rolle spielen diese Gebiete künftig in Ihrem Berufsleben?

Mein Studium an der ETH habe ich im Februar 2022 mit einem Master abgeschlossen. Das Verbindende zwischen der Physik, der Fliegerei und dem Skisport ist für mich das Spiel mit den Kräften und meiner Faszination dafür. Es wäre schön, wenn ich diese Gebiete künftig beruflich vereinen könnte. Zurzeit geniesse ich es, in diese verschiedenen Welten einzutauchen.

Wo trifft man Sie im Cockpit?

Seit einem Jahr als Co-Pilotin in einer Pilatus PC-12 des privaten Luftfahrtunternehmens Fly 7.

Zur Person

Dominique Gisin (37) gehörte von 2007 bis 2015 zur Weltspitze im alpinen Skirennsport. 2014 wurde sie an den Olympischen Winterspielen in Sotschi zusammen mit der Slowenin Tina Maze Abfahrtssiegerin. Gisin gewann mehrere Weltcuprennen in der Abfahrt und im Super-G und holte weitere Podestplätze in diesen ­Disziplinen. In vier der fünf Disziplinen des alpinen ­Skirennsports war sie unter den Top 15 der Welt. Gisin studierte an der ETH Zürich und schloss ihr Studium in Physik 2022 ab. Seit Oktober 2018 ist sie Delegierte des Stiftungsrats der Schweizer Sporthilfe und Pilotin.

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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