HR Today Nr. 5/2022: HR FESTIVAL europe

«Wir suchen keine Arbeitnehmenden»

Skype-Mitgründer und Serienunternehmer Jonas Kjellberg über erfolgreiches Unternehmertum, die Irrelevanz von Hierarchien und die Rekrutierung von Tech-Talenten.

Sie waren ein Gründungsmitglied von Skype, sind Investor bei Firmen wie Zalando, Hello­fresh, iCloud, Redner, Verwaltungsratsmitglied und Serienunternehmer. Ihr letztes Unternehmen gründeten Sie 2020. Was hat es damit auf sich?

Jonas Kjellberg: Nornorm ist ein Unter­nehmen, das Büromöbel vermietet, statt sie zu verkaufen. Firmen profitieren dadurch von preiswerten Qualitätsbüromöbeln im Abonnement. Werden diese nicht mehr benötigt oder hat sich der Unternehmensbedarf verändert, geben sie die Büromöbel zurück oder tauschen sie gegen andere ein. Wir frischen diese dann auf und ­vermieten sie weiter. Das verlängert die Lebensspanne dieser Produkte. Unser Ziel ist eine Kreislaufwirtschaft, in der alle Teile eines Produkts wiederverwertet werden.

Wo steht Ihr Unternehmen jetzt?

Meilensteine waren, als wir Ikea als Investor gewannen und eine Million Quadratmeter an Lagerflächen für unsere Büromöbel mieten konnten. Bis in zwei Jahren wollen wir zudem 46 Millionen Euro Umsatz aus Möbel-Abonnementen erwirtschaften.

Was bedeutet Ihnen Gewinn?

Es geht nicht darum, möglichst viel Geld mit einem neuen Unternehmen zu erwirtschaften, sondern darum, ein altes Geschäftsmodell umzukrempeln. Das taten wir mit Skype und tun es nun mit Büromöbeln.

Sie sind ein wachsendes Unternehmen. Wie finden Sie neue Mitarbeitende?

Aktuell sind wir 75 Mitarbeitende und werden unsere Mitarbeitendenzahl voraussichtlich bis nächstes Jahr verdoppeln. Unsere neuen Talente finden wir hauptsächlich durch unsere Mit­arbeitenden-Netzwerke. Wir suchen aktiv keine Arbeitnehmenden.

Ihr Recruiting-Ratschlag an andere Unternehmen?

Beschäftigt keine mittelmässigen Angestellten. Ein fachlicher Superstar bringt weitere ins Unternehmen, während wenig erfolgreiche Mitarbeitende nur das Mittelmass im Betrieb fördern. Ein mittelmässiges Unternehmen ist für Superstars aber zu wenig interessant. Ein Fussballer wie Ronaldo würde ja auch nicht in einer Regionalmannschaft spielen.

Superstars kosten aber...

Wenn man die weltbesten Programmierer will, muss man sie entsprechend bezahlen. Das kann mehr sein als ein CEO erhält. Talentierte Programmierer können heute nach Schulabschluss mit einem Monatslohn von fast 10'000 Euro rechnen. Sind Unternehmen beim Lohn knausrig, geht ihre Talent-Rekrutierungs­strategie nicht auf. Auch wenn es teuer scheint: Es spielt keine Rolle, was Mitarbeitende kosten, wichtig ist der Unternehmenswert, den sie erwirtschaften.

Dass einer Ihrer Angestellten mehr als Sie ­verdient, ist Ihnen also egal?

Komplett! Ich bezahle sie sogar aus meiner ­eigenen Tasche, wenn es sein muss.

Nicht alle Mitarbeitenden tragen direkt zum Unternehmenserfolg bei, beispielsweise ein Buchhalter.

Das ist eine Frage der Perspektive. Macht ein Buchhalter seinen Job richtig, kann sich ein Unternehmen viele Unannehmlichkeiten ersparen wie beispielsweise Bussen. Deshalb ist seine Arbeit genauso wichtig.

Wenn Unternehmen wachsen, etablieren sich immer mehr Regeln. Das macht Unternehmen starr, unflexibel und wenig innovativ. Wie ver­hindert man das?

Ich unterscheide zwischen «Best Practice» und unsinnigen Regeln. Es ist tatsächlich eine Gratwanderung, weil es ein menschliches Bedürfnis ist, vieles zu regeln und damit Sicherheit zu schaffen. Dass es zu viele Regeln in einem Unternehmen gibt, zeigt sich dadurch, dass immer mehr Menschen sie brechen, was andere wiederum irritiert.

Je grösser ein Unternehmen, desto häufiger kommt es zu politischen Spielchen. Was ist davon zu halten?

Jemanden anderen in der Organisation zu bekämpfen, geht für mich gar nicht. Wo Politik beginnt, stagniert das Unternehmen und ist nicht mehr innovativ.

Ihnen ist eine gewisse Reibung unter den ­Mitarbeitenden wichtig. Was heisst das?

Wir rekrutieren Menschen, die unterschiedlich denken. Diese verschiedenen Denkweisen prallen aufeinander und erzeugen Reibungen. Es ist jedoch besser, die daraus resultierenden Konflikte auszutragen, statt in Mittelmässigkeit zu versinken, weil sich alle scheinbar einig sind. Um das Unternehmen trotz unterschiedlichen Ansichten voranzubringen, braucht es jedoch eine starke Vision.

Was sind Ihre Leadership-Prinzipien?

Keine. Ich setze auf Consulting, nicht auf Hie­rarchien. Letztere stammen aus dem Römischen Reich, wo jede Führungskraft mindestens acht Unterstellte hatte. Das ist heute nicht mehr ­zielführend.

Ihr grösster Fehler?

Ich habe einen Anfänger-Mindset. Wenn man grosse Risiken eingeht, fällt man immer wieder auf die Nase. Das ist unumgänglich und auch in Unternehmen so. Wichtig ist, immer wieder aufzustehen und aus seinen Fehlern zu lernen.

Zur Person

Jonas Kjellberg war ein Skype-Gründungsmitglied und rief zahlreiche weitere Unternehmen ins Leben. Etwa Nonoba.com, PlayerIO, Campuz Mobile, Mobyson, Optimal Telecom und zuletzt Nornorm. Er war ausserdem Verwaltungsratspräsident von iCloud, einem Unternehmen, das später an Apple verkauft wurde. Kjellberg investiert in Start-ups, beispielsweise in Zalando, Avito, Lamoda und Hellofresh. Zudem lehrt er an verschiedenen Universitäten und hat Einsitz in verschiedenen Gremien. Kjellberg schrieb mehrere Bücher wie «Gear Up» und «Business Creation». Ersteres wurde als eines der weltweit besten Managementbücher ausgezeichnet und in mittlerweile zwölf Sprachen übersetzt.

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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