Wie die Axa Winterthur auf Talentjagd geht
Der Marktführer im Schweizer Versicherungsgeschäft will im Kampf um Führungskräfte von morgen nichts dem Zufall überlassen und setzt deshalb im Talentmanagement voll auf die Karte Digitalisierung. Ein Praxis-Einblick.
Wendy Urban (31) ist seit 1. September Leiterin Talent Management bei Axa Winterthur. (Foto: zVg)
Unter dem Titel «Talentmanagement in einer digitalisierten Welt» lud die Axa Winterthur unlängst zum Blick hinter die HR-Kulissen des Versicherungsunternehmens. Was bedeutet die digitalisierte Welt und welche Auswirkungen ergeben sich daraus für Unternehmen, Führung, HR und Talentmanagement? Wie rüstet sich die Axa für die kommenden Veränderungen? Welche Profile sind zukünftig gefragt und wie kann man sie gewinnen, halten und motivieren? So lauteten die Leitfragen der Veranstaltung, die im Rahmen der «Swiss Practise»-Reihe des Weiterbildungsinstituts ZfU durchgeführt wurde.
Die frisch gekürte Leiterin Talent Management Wendy Urban gab zunächst einen Überblick über die Talentförderung des Versicherers. Diese basiert auf dem Vierklang «Finden», «Fordern», «Fördern» und «Vernetzen», wobei insbesondere Nachfolgelösungen für abtretende Führungskräfte und Wissensträger im Fokus stehen. «Das betrifft alle Führungsebenen – vom Team- bis hin zum Geschäftsleitungsmitglied», erklärt die promovierte Psychologin.
Die Talentjägerin
Wendy Urban (31) ist seit 1. September Leiterin Talent Management bei Axa Winterthur. Die promovierte Psychologin arbeitet seit 2007 für den Versicherer und hat sich dabei auf das Thema Personalentwicklung spezialisiert.
Die Axa Schweiz beschäftigt über 4000 Mitarbeitende. Zudem verfügt sie über ein Vertriebsnetz mit 277 selbstständigen Generalagenturen und Agenturen mit rund 2650 Mitarbeitern, die exklusiv für Axa Schweiz tätig sind. Das Geschäftsvolumen beträgt mehr als 12 Mrd. Franken.
Talente im Stresstest
Um Aufnahme in den Talentpool können sich laut Urban alle Mitarbeitenden bemühen, wobei die Kriterien für das Programm klar definiert und für jede und jeden transparent einsehbar sind – digital auf der internen Online-Plattform, versteht sich. «Wer starke Leistungsmotivation, hohe Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz sowie ausserordentliches Lern- und Entwicklungsvermögen mitbringt, hat grosse Chancen gefördert zu werden», so Urban. Nominiert werden die Talente jeweils für ein Jahr. Die maximale Zugehörigkeit pro Talentgruppe beläuft sich auf vier Jahre.
Geschenkt wird den «Successors», «Group Talents», «Emerging Talents» und «Local Talents», wie die Talentgruppen der potenziellen Spezialisten und Führungskräfte im Unternehmen im Einzelnen genannt werden, jedoch nichts – im Gegenteil: Schlägt ein Vorgesetzter einen Mitarbeitenden für das Talentmanagement-Programm vor oder ergreift ein Angestellter von sich aus die Initiative, müssen die Betreffenden vor verschiedenen Gremien – darunter auch vor einem Ausschuss der Geschäftsleitung – erklären, weshalb das Unternehmen gerade in sie Zeit und Geld investieren soll.
Haben die «Potentials» diesen Hürdenlauf erst einmal überwunden, sollen sie sich in einem Sonderprojekt beweisen. Und zwar parallel zu ihren Kernaufgaben. Ohne finanziellen, aber mit moralischem Support des Vorgesetzten. Will heissen: Die Talente müssen sich ohne Netz und doppelten Boden behaupten. Aber warum? «Ein Grundpfeiler unseres Programms fusst darauf, zu beobachten, wie Talente im Ernstfall und auf Stresssituationen reagieren», erklärt Urban. Gänzlich alleine lassen will der Versicherer seine Talente auf der Reise hin zu mehr Verantwortung aber nicht: «Erfüllt ein Talent unsere Erwartungen bei den Sonderaufgaben nicht, ergründen wir die Ursachen und leiten rasch Hilfsmassnahmen ein», so Wendy Urban.
Der Mitarbeitende 2030
Dass dieser Ansatz auch konkret Früchte trägt, zeichnet sich indes bereits anhand der Vorzeigeprojekte «Digital Showroom» und «Axa Glass» ab, die von zwei Axa-Talenten eingebracht wurden: So entwickelte ein Axa-Jungtalent zusammen mit anderen Potentials einen Showroom, welcher der Belegschaft der Axa Schweiz die digitale Zukunft greifbarer machen will: «Im Digital Showroom sieht man, wie ein Garagist ein beschädigtes Fahrzeug mit dem iPad abfotografiert und sich dann virtuell die Reparaturkosten berechnen lassen kann», erklärt Talentmanagerin Urban. Eine weitere Axa-Nachwuchskraft lancierte derweil die Idee einer digitalen Brillen-App, mit der Versicherungskunden ihre persönlichen Wertgegenstände indexieren können und dabei gleichzeitig erkennen, wie gut diese Objekte versichert sind.
Die Axa will im Talentmanagement nichts dem Zufall überlassen und beschäftigt sich deshalb auch intensiv mit der Frage, welche Fähigkeiten Axa-Mitarbeitende im Jahre 2030 mitbringen müssen. Zu diesem Zweck untersucht der Versicherer in einem Pilotprojekt derzeit die durchschnittliche Dauer der Betriebszugehörigkeit der Mitarbeitenden, welche Gründe vorliegen, wenn sie das Unternehmen verlassen, aber auch, welche Fähigkeiten in Zukunft gefragt sein werden. «Dieses Werkzeug gibt uns Anhaltspunkte, in welchen Bereichen Wissen und Führungskompetenzen verloren gehen könnten, und damit die Möglichkeit, entsprechend zu handeln», so Wendy Urban. Dabei gehe es nicht nur um die Sicht des Unternehmens, sondern auch um die potenziellen Bedürfnisse und Wünsche der Axa-Mitarbeitenden im Jahr 2030.
Der Chef als Coach
Genau diese Bedürfnisse liess die Axa durch eine Arbeitsgruppe bestehend aus Talenten eruieren. Die Resultate sind nicht unbedingt revolutionär, decken sich aber mit anderen Talentstudien: Die Talente von morgen sehnen sich nach einem Chef, der die Rolle eines «Coaches» statt diejenige eines «Vorgesetzten» einnimmt. Ausserdem achten die Potentials verstärkt auf das Image ihres Arbeitgebers – genauso wie auf die vorherrschende Unternehmenskultur. Zudem dürften der Wunsch nach Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der Organisation für Arbeitnehmer der Zukunft ein noch wesentlicherer Attraktivitätstreiber sein. Im Unternehmen sei man sich dadurch der Bedürfnisse der Mitarbeitenden heute besser bewusst und stelle darum entsprechende Angebote zur Verfügung: «Wir legen beispielsweise grossen Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wie auch das Wohlbefinden unserer Mitarbeitenden», erklärt Urban. Teilzeitmodelle und die Förderung sportlicher wie auch gesunder Mitarbeitenden würden bei der Axa gross geschrieben.
Blick hinter die Kulissen
Im September hat die Axa Schweiz im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Swiss Practice» des Weiterbildungsinstituts ZfU einen Einblick in das hauseigene Talentmanagement gewährt. Der Anlass thematisierte die aktuellen Trends der digitalisierten Welt und zeigte auf, wie sich die Axa diesen Herausforderungen stellt.
Swiss Practice bietet in halbtägigen Veranstaltungen bei Schweizer Unternehmen die Chance, «aus der Praxis für die Praxis» zu lernen. www.swiss-practice.ch