Wie innen, so aussen
Arbeitnehmende wechseln von der Selbständigkeit in eine Festanstellung oder umgekehrt. Doch wieso? Wir haben mit Seitenwechslern über ihre Beweggründe sowie Wünsche an Arbeitgebende gesprochen und darüber, wie sie selbst mit Externen umgehen.
Wie Interne zu Externen werden und umgekehrt. (Bild: iStock)
«Ich kündigte meine HR-Leiter-Stelle bei einer Hotelkette in den 90-Jahren, weil ich die Unternehmensstrategie meines damaligen Arbeitgebers nicht mehr mittragen wollte», sagt Markus Marthaler, heute Leiter Personal- und Organisationsentwicklung bei der Stadt Zürich. Stattdessen arbeitete er als selbständiger Berater: «Nach einem halben Jahr lief das Beratungsgeschäft so gut, dass ich eine Festanstellung nicht mehr in Erwägung zog.» Marthaler gründete sein eigenes Unternehmen. Als Berater lief er aber bald Gefahr, den Kontakt zur HR-Basis zu verlieren. Ein Grund, von seiner Linie abzuweichen: «Ich wollte kein Consultant sein, dem man fehlende HR-Praxis vorwirft.» Deswegen wechselte Marthaler bis zu seiner Anstellung bei der Stadt Zürich ständig zwischen Selbständigkeit und Festanstellung.
Peter Schnürer, heutiger CEO der daura AG, gründete noch in der Studienzeit eine Firma. Durch seine vielen Langzeitmandate entfremdete er sich jedoch immer mehr von seiner Firma. «Ich hatte das Gefühl, meine eigenen Mitarbeitenden nicht mehr zu kennen.» Nach 16 Jahren stösst er deshalb seine Firmenanteile ab und wechselt nach zwanzig Jahren in die Festanstellung. Das ist für Schnürer keine Frage der Sicherheit, des Titels oder Prestiges, sondern vielmehr der Möglichkeit, die Blockchain-Technologie voranzutreiben. «Diese beschäftigt mich seit 2013. Ich war davon überzeugt, dass Blockchain das nächste grosse Ding in der Finanzindustrie sein wird.» Als die CEO-Stelle bei der daura AG, die eine digitale Plattform zur Ausgabe und Verwaltung von Aktien mit Blockchain-Technologien anbietet, auf Twitter ausgeschrieben wird, sieht Schnürer die Chance, ein disruptives Business-Modell voranzutreiben. Er bewirbt sich und erhält den Zuschlag. Auch Employer-Branding-Experte Michel Ganouchi lässt sich nach jahrelanger Selbständigkeit wieder anstellen – beim Kanton Zürich als HR-Projektleiter: «Ich wollte nach sieben Jahren Selbständigkeit im Employer Branding wieder vermehrt selbst Projekte umsetzen.» Als Freischaffender sei das nicht immer möglich gewesen, da Projekte durch seine Auftraggebenden entweder ins Stocken gerieten oder in einer Schublade verschwanden.
Employer-Branding-Spezialist Angelo Ciaramella wagte sich dagegen vom Teilzeit-Angestelltendasein in die Selbstständigkeit und ist dabei geblieben. Wieso? «Mir fehlten die Unternehmensvisionen und der kollektive Spirit. Zudem war mir der Handlungsrahmen zu eng, um die Personalgewinnung zu entwickeln.» Die Freiheitsliebe trieb auch Cornel Müller ins Unternehmertum: «Nach 18 Monaten Angestellten-Dasein machte ich mich mit einem HSG-Kollegen mit 28 selbständig.» Eine Entscheidung, die er in den vergangenen 27 Jahren nie bereut hat. «Ich konnte alles ausprobieren. Das empfehle ich allen Berufstätigen einmal zu machen.»
Kurz versus lang
Ob Externe gleich wie Interne behandelt werden, hänge von der Art des Auftrags ab, stimmen die Befragten überein. «Als Projektleiter gehört man einen Augenblick zum Team, geht dann aber wieder», sagt Markus Marthaler. «Anders ist es im Ad-interim-Management. Hier ist man Teil der Belegschaft», ergänzt Michel Ganouchi. Angelo Ciaramella macht zurzeit gegenteilige Erfahrungen: «Als interner Projektleiter bin ich im Team meines Auftraggebers integriert.» Im Unterschied zu anderen Projekten handle es sich dabei aber um ein mehrjähriges Mandat.
Als Externe nicht ganz dazuzugehören, hat Nachteile, mit denen Ganouchi, Marthaler, Schnürer und Ciaramella zu leben gelernt haben. Etwa, dass sie Erfolgserlebnisse nicht mit anderen teilen können: «Was man geleistet hat, wird auf der Zeitachse erst später sichtbar», erklärt Marthaler. «Daher brauchen externe Mitarbeitende eine hohe intrinsische Motivation.» Zudem seien sie oft auf sich allein gestellt, meint Ganouchi. Das ist nicht immer einfach: «Obschon ich beispielsweise eine Partnerschaft mit dem Employer-Branding- und Consulting-Unternehmen DEBA in Berlin eingegangen bin, fehlten mir Teamkollegen, mit denen ich mich vor Ort austauschen konnte.» Neben der Einbindung ins Team sei die «leistungsorientierte» Bezahlung ein weiterer Unterschied zu Internen, sagen Marthaler und Ganouchi. «Man wird daran gemessen, wie effektiv man seine Zeit einsetzt. Die Qualität der erbrachten Leistung wird laufend dem geforderten Honorar gegenübergestellt», so Marthaler. Ein Ansporn für ihn, kundenorientiert zu arbeiten. Je grösser ein Unternehmen sei, desto ineffizienter werde man jedoch, ergänzt Schnürer. «Während sich kleinere und mittlere Auftraggeber auf Aufgaben und das Resultat konzentrieren, sind grössere Unternehmen mehr auf Formalitäten fixiert.»
Die Rolle des Bösen
Besonders schwierig werde es, wenn Externe in politische Ränkespiele verwickelt würden. «Als Nichtbetriebszugehöriger verfügt man über kein internes Netzwerk und kennt die politischen Fettnäpfchen nicht», sagt Schnürer. Reibungspunkte entstünden nicht nur bei unabsichtlichen Übertretungen dieser ungeschriebenen Gesetze, sondern auch, wenn sich Berater und Projektleiter in der Rolle des «Bad Guy» wiederfänden, ergänzen Marthaler und Ciaramella. «Das gehört zum Job», sagt Ciaramella und habe vor allem damit zu tun, dass vom Unternehmen angestossene Veränderungen Ängste und Unsicherheiten bei den Beschäftigten auslösen.
Damit das Zusammenspiel von Externen und Internen funktioniert, seien die Aufgabenverteilung und Verantwortung bei Projektbeginn zu klären, sind sich Ciaramella, Marthaler, Schnürer, Ganouchi und Müller einig. Hinzu kämen klare Zielsetzungen, die Offenlegung der Erwartungen sowie ein übereinstimmendes Verständnis des gewünschten Resultats. Trotz allfälliger Reibungspunkte sei die Zusammenarbeit mit Kunden mehrheitlich gut verlaufen, finden die derzeitigen und ehemaligen Berater. «Ich wurde meist positiv aufgenommen», betont Peter Schnürer.
Obschon das Onboarding von Externen wesentlich kürzer ausfällt als bei Festangestellten, nehmen sich Firmen dennoch die Zeit, Interna weiterzugeben: Vermittelt werde hauptsächlich Wissen zur Unternehmenskultur und zum firmeninternen Netzwerk, sagt Schnürer. Das gestalte sich ganz unterschiedlich. ergänzt Marthaler. Beispielsweise mit einer Einladung zu einem Welcome Day oder mit der Zurseitestellung eines internen Paten während der ersten Sitzungen. Meist hätte er sein Onboarding aber selbst organisiert: etwa durch ein bis zwei unbezahlte Praktika-Tage. «Das hat sich im Nachhinein bei meiner Beratertätigkeit oft als hilfreich erwiesen.»
Datenklau verhindern
Wer externe Berater oder Projektleiter engagiert, muss sich mit der Datensicherheit auseinandersetzen. Nicht alle Firmen gewähren Externen einen direkten Datenzugriff. So hat es auch Marthaler erlebt: «Benötigte ich Informationen, hat mir diese eine Ansprechperson auf einem USB-Stick abgespeichert.» Auch Ganouchi erhielt Dokumente oder Applikationen nur auf Anfrage. «Das hat aber immer gut funktioniert.» Als IT-Projektleiter bei Bankmandaten mit einer mehrjährigen Laufzeit konnte Schnürer dagegen bei seinen Kunden auf vertrauliche Bankdaten zugreifen. «Deshalb durchlief ich bei jedem Projekt einen Sicherheitscheck und musste schriftlich erklären, dass ich keine Bankgeheimnisse preisgeben werde.» Das sei in der Bankbranche üblich. Als lästig habe er indes empfunden, «abends als Externer zusammen mit Internen die Firma verlassen zu müssen, statt bis in die Nacht am Projekt zu arbeiten». Ciaramella erhielt im Gegensatz dazu während eines Kundenprojekts Zugriff auf die Unternehmensdaten und besitzt eine interne E-Mail-Adresse sowie einen Firmencomputer.
Externe erhalten somit bei kürzeren Arbeitseinsätzen eher weniger Einsicht in Firmendaten. Auch bei firmeninternen Anlässen haben sie schon einmal das Nachsehen. Nicht jedoch bei mehrjährigen Mandaten: «Das Team aus Externen und Internen muss funktionieren», erklärt Schnürer. «Da kann man Externe nicht aussen vor lassen.» Wie weit diese Integration geht, unterscheidet sich jedoch von Firma zu Firma. So ist Ciaramella beispielsweise nur zu Teamanlässen eingeladen oder Events, «die sich nicht ausschliesslich an Mitarbeitende richten». Beispielsweise zu Firmenjubiläen und zu Präsentationen der Quartalsabschlüsse. Auch Marthaler besuchte die Veranstaltungen seiner Auftraggeber nur punktuell. Etwa, als diese für ein Employer-Branding-Projekt ausgezeichnet wurden, an dem er mitwirkte.
Unterschiedliche Persönlichkeiten, unterschiedliche Learnings
Die Learnings aus der Selbstständigkeit sind so unterschiedlich wie die befragten Persönlichkeiten. «Wie ich auftrete, bestimmt, wie man mich wahrnimmt», sagt Ganouchi. Um auf positives Echo zu stossen, weiss er auf Augenhöhe zu kommunizieren, auf die Probleme des Kunden einzugehen und diese proaktiv zu lösen. Für Marthaler ist dagegen effizientes Arbeiten besonders wichtig, um sich rasch einen Überblick zu verschaffen und Zusammenhänge zu erkennen.