«Wir müssen akzeptieren, dass wir nicht alle restlos überzeugen können»
Swiss Re ist dabei, konzernweit ein neues Arbeitsplatzkonzept einzuführen, um die Zusammenarbeit, den Dialog und die Flexibilität zu fördern. Als Teil dieses Plans liess der Rückversicherer bei seinem Hauptsitz am Zürcher Mythenquai das neue Bürogebäude «Swiss Re Next» errichten – mit 800 Arbeitsplätzen für rund 1100 Mitarbeitende. Claudio Amoroso ist in der Schweiz dafür verantwortlich, die Mitarbeitenden auf die neuen Formen der Zusammenarbeit vorzubereiten. Im Interview spricht er über Learnings, Herausforderungen und die Rolle von HR.
Claudio Amoroso präsentiert das neue Arbeitskonzept der Swiss Re an der «Schweizerischen Tagung für HR/Interne Kommunikation» vom 14. September 2017. (Bild: zVg)
Herr Amoroso, Swiss Re möchte konzernweit ein neues Arbeitsplatzkonzept sowie neue Formen der Zusammenarbeit und Führung einführen. Was heisst das genau?
Claudio Amoroso: Das Ziel des neuen Arbeitsplatzkonzepts ist die Zusammenarbeit, den Dialog und die Flexibilität zu fördern. Die Mitarbeitenden arbeiten nicht wie früher immer am gleichen Arbeitsplatz. Sie suchen sich die Arbeitsumgebung aus, die Ihnen am besten passt, um die aktuelle Aufgabe am besten und effizientesten zu erledigen. Für Führungskräfte bedeutet das, dass die Mitarbeitenden nicht mehr im selben Büro zu finden sind. Sie können irgendwo im Gebäude, aber auch ausserhalb des Büros arbeiten – etwa auf Geschäftsreisen, beim Kunden oder auch zu Hause.
Für manche Führungskräfte ist dies eine neue, nicht immer einfache Erfahrung. Das Führen in so einem Umfeld hat viel mit Vertrauen zu tun, denn die Mitarbeitenden definieren den Weg zum Ziel selber. Was zählt, sind die Ergebnisse – nicht die Präsenz. Zudem ist es wichtig, trotz der örtlichen Trennung eine enge Beziehung aufbauen zu können, damit Führungskräfte die individuelle Förderung ihrer Leute weiter sicherstellen können. Dass Teams flexibel arbeiten und nicht mehr unbedingt im selben Raum sitzen, fordert zudem von Führungskräften, in Sachen Wissenstransfer und Team-Identität mit ihren Leuten die passenden Lösungen für die neue Arbeitsumgebung zu finden.
Wie bereitet Swiss Re ihre Mitarbeitenden auf die neuen Formen der Zusammenarbeit und Führung vor?
Überall wo wir das neue Konzept einführen, gibt es ein Projekt- und Change-Management-Team, die von Anfang an zusammenarbeiten. Das Change-Management-Team definiert den Change-Plan und setzt die verschiedenen Aktivitäten vor Ort um. Dabei richtet es ein besonderes Augenmerk auf die lokalen Führungskräfte, die als Vorbilder agieren. In unseren Projekten hat sich als entscheidender Erfolgsfaktor herausgestellt, dass im Change-Management Team die Disziplinen HR, IT, Corporate Real Estate vertreten sind, damit ihre Themen richtig platziert sind. Ausserdem arbeiten wir mit sogenannten Botschaftern – das sind besonders geschulte Mitarbeitende aller Hierarchiestufen vor Ort, die als Ansprechpartner für Ihre Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stehen und auf Augenhöhe kommunizieren können.
Was sind dabei die Herausforderungen?
Bei Veränderungen gibt es auch immer Widerstand. Ein Teil der Mitarbeitenden war etwa am Anfang skeptisch, den persönlichen Arbeitsplatz aufzugeben. Aber das änderte sich schnell, sobald sie im neuen Arbeitsplatzkonzept arbeiteten. Wir haben in unseren Projekten begeisterte Rückmeldungen erhalten. Besonders die vielen neuen Arbeitsplatzmöglichkeiten werden sehr geschätzt und die Belegschaft merkt jeweils schnell, dass alles viel reibungsloser funktioniert als erwartet. Die Herausforderung ist deswegen, die Mitarbeitenden bis zum Umzug ins neue Konzept richtig zu betreuen. Mit richtig meine ich in dem Fall, transparent zu kommunizieren, die Idee des Konzepts zu erklären, Fragen zu beantworten und ansprechbar zu sein.
Was sind Ihre wichtigsten Learnings aus dem bisherigen Projekt?
Wir haben gelernt, dass Führungskräfte möglichst frühzeitig ins Projekt mit einbezogen werden sollten. Für das Verständnis der Mitarbeitenden haben sich Simulationen oder Modelle des neuen Arbeitsplatzkonzepts als sehr hilfreich herausgestellt. Damit lassen sich auch gezielt Themen, Herausforderungen oder auch Bedenken der Mitarbeitenden adressieren. Und wir müssen akzeptieren, dass wir nicht alle Mitarbeitenden restlos überzeugen können.
Es gibt immer einzelne Personen, für die unser neues Arbeitsplatzkonzept aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht optimal ist. Wichtig ist, die Probleme dieser Mitarbeitenden ernst zu nehmen, ihre Bedürfnisse zu verstehen, wenn möglich Lösungen zu finden und sie gezielt zu unterstützen dabei, sich in das neue Arbeitsumfeld zu integrieren.
Als Teil des Gesamtprojekts liess Swiss Re bei ihrem Hauptsitz am Zürcher Mythenquai das neue Bürogebäude «Swiss Re Next» errichten – mit 800 Arbeitsplätzen für rund 1100 Mitarbeitende. Was ist «next» an diesem Gebäude?
Am auffälligsten ist sicher die transparente, gewellte Fassade des Gebäudes. Sie ermöglicht faszinierende Ein- und Ausblicke und steht auch symbolisch für Transparenz. Im Inneren sollen ausgewählte Werke namhafter Künstler eine anregende Arbeitsumgebung schaffen. Weniger sichtbar, aber dennoch bemerkenswert sind die hohen Nachhaltigkeits-Standards, welche das Gebäude erfüllt. So wird das Gebäude zum Beispiel mit Seewasser gekühlt und geheizt. Auf dem Dach sind Solarpaneele zur Energiegewinnung installiert und das gesamte Gebäude ist ausserordentlich gut isoliert. Es braucht damit jährlich nur rund 1400 Kilowattstunden und damit ungefähr 80 Prozent weniger Energie pro Arbeitsplatz als das Vorgängergebäude. Massstäbe setzt sicher auch das neue Auditorium, in dem etwa bewegliche Videopaneele aussergewöhnliche Möglichkeiten für Präsentationen und Veranstaltungen für bis zu 240 Teilnehmende bieten.
Das Raumkonzept von «Swiss Re Next» soll flexibles Arbeiten und unkomplizierte Zusammenarbeit fördern. Wie?
Das ganze Gebäude ist optimal auf Zusammenarbeit und Kommunikation ausgerichtet. Zuerst haben wir dazu so weit wie möglich und sinnvoll auf Wände und Abgrenzungen verzichtet oder diese transparent gestaltet. Das Gebäude ermöglicht so Blickbeziehungen innerhalb der Geschosse, geschossübergreifend und nach aussen. Die eingesetzten Büromöbel und Pflanzen, transparente Think Tanks und Meeting-Räume geben dem Raum Struktur, ohne ihn einzuengen. So bleiben alle Zonen für die Teams in ihrer Grösse angenehm und überschaubar – das Gebäude lädt aber gleichzeitig zur Zusammenarbeit ein.
Ausserdem haben wir grosszügige Begegnungszonen im Zentrum jedes Bürogeschosses. Sie sind ähnlich gestaltet wie urbane Cafés und ermöglichen Pausen mit Café, Tee und Früchten oder spontane Arbeitsbesprechungen mit Kolleginnen und Kollegen. Wir haben auf feste Arbeitsplätze verzichtet. Je nach anstehender Aufgabe können unsere Leute wählen, wo sie arbeiten möchten. So können sie sich zum Beispiel in Projektbereichen an grosszügigen Tischen zusammensetzen, um gemeinsam Dinge weiterzuentwickeln. Für konzentriertes Arbeiten stehen Think Tanks oder kleine Büros zur Verfügung, die mit Glaswänden akustisch abgeschlossen sind.
Was war und ist die Aufgabe von HR betreffend «Swiss Re Next»?
HR und Change-Management haben in dem Projekt eng zusammengearbeitet. HR brachte vor allem seine Kompetenz im Bereich der Führungskräfte ein. Das Ziel war, dass diese verstehen, was es persönlich und als Team Leader bedeutet, in einem flexiblen Arbeitsumfeld zu arbeiten – um anschliessend ihr Wissen in die Teams weiterzutragen und sich gemeinsam auf die Umstellung vorzubereiten. Dabei ging es etwa um Fragen wie «Wie beeinflusst ein flexibles Arbeitsumfeld das Team?», «Wie organisieren wir uns?», «Wie erhalten wir als Team unseren Spirit?» oder «Wer kann wann von zuhause aus arbeiten?».
Mit welchen Herausforderungen rechnen Sie beim Bezug des neuen Gebäudes?
Der Bezug des neuen Gebäudes ist sehr gut vorbereitet. Da wir in ein neues, bereits voll ausgestattetes Gebäude einziehen, ist der Bezug viel weniger komplex, als wenn man ein bestehendes Gebäude renoviert. Denn dann müssten wir Mitarbeitende und Möbel zügeln, während der Arbeitsbetrieb sichergestellt sein muss.
Sie haben die Erwartungen Ihrer Mitarbeiter an einen modernen Arbeitsplatz unter anderem anhand von «Employee Journeys» zum Einsatz. Wie können wir uns das konkret vorstellen?
Unser Ziel ist, das Thema Arbeitswelten weiterzuentwickeln. Dafür haben wir in verschiedenen Standorten weltweit Workshops durchgeführt und sogenannte Employee Journeys entwickelt. Wir haben sieben Personas definiert – eine Persona repräsentiert eine typische Gruppe von Mitarbeitenden aufgrund ihrer Aufgaben und Arbeitsweisen. Für jede Persona haben wir in den Workshops einen typischen Arbeitstag – von dem Moment an, wo sie aufwachen am Morgen bis am Abend, wenn sie wieder ins Bett gehen – analysiert und zusammengefasst. Einmal so, wie sie heute arbeiten und einmal so, wie sie glauben, im Jahr 2020 zu arbeiten.
An der Perikom-Jahrestagung sprechen Sie zum Thema «Employee Journeys & Engagement – Mitarbeiter involvieren und vorbereiten auf den Arbeitsplatz der Zukunft». Worum gehts?
Sie werden zum Beispiel den «Smart Mirror» kennenlernen. Mehr möchte ich im Moment noch nicht verraten, damit es spannend bleibt.
Schweizerische Tagung für HR/Interne Kommunikation am 14. September 2017: «Employee Experience – gestalten, leben, kommunizieren»
Das Konzept der Employee Experience lehnt an die die Erkenntnis an, dass es für eine dauerhafte Kundenbeziehung mehr braucht als rational begründbare Argumente. Es geht vielmehr um positive Erlebnisse, die eine emotionale Bindung zwischen Kunde und Unternehmen aufbauen.
- Donnerstag, 14. September 2017, 13.00 bis 18.30 Uh
- Auditorium der HWZ, Lagerstrasse 5 (beim HB), Zürich
- Teilnahmegebühr: CHF 380.–, CHF 280.– für Perikom- und ZGP-Mitglieder
Das vollständige Programm und weitere Informationen finden Sie hier.