Wirtschaft 2.0
Noch vor wenigen Jahren wurde in Unternehmen von Corporate Social Responsibility (CSR) gesprochen. Heute hält der Begriff ESG (Environmental, Social, Governance) immer häufiger Einzug. Doch was ist neu daran?
Welches sind die zentralen Faktoren für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung? (Bild: iStock)
Dass es sich beim Wort Environmental, Social, Governance – kurz: ESG – um die Neuetikettierung eines in der HR-Welt verankerten Wortes handelt, kann Antoinette Hunziker-Ebneter, CEO und Gründungspartnerin von Forma Futura, einer Gesellschaft für nachhaltige Vermögensverwaltung, nicht ganz von der Hand weisen: «Bildlich gesprochen ist es derselbe Wein in einer neuen Flasche.» Der Unterschied zwischen CSR und ESG bestehe vor allem darin, dass CSR die sozialen und ökologischen Risiken eines Unternehmens aus der Innensicht abbilde, während die Umwelt-, Sozial- und Führungspolitik eines Unternehmens von aussen durch Anleger nach ESG-Kriterien bewertet würde.
Unternehmensrisiken senken
«CSR zwingt ein Unternehmen, Rechenschaft über seine Tätigkeiten abzulegen, während ESG diese Anstrengungen messbar macht», ergänzt Stephan Hirschi, ESG-Experte des Beratungsunternehmens PwC Schweiz. Daneben habe sich der Fokus von ESG von philanthropischer Natur zu geschäftsrelevanten und wertsteigernden Themen entwickelt. «Deshalb sind nicht nur Nachhaltigkeitsteams, sondern auch Führungskräfte und Mitarbeitende aus anderen Fachgebieten an diesem Thema interessiert.» Unternehmen, die sich nicht an ESG-Kriterien orientieren, können sich nicht zukunftstauglich entwickeln, sind sich Hirschi und Hunziker einig. «Langfristig büsst eine solche Firma an Wettbewerbsfähigkeit ein.» Will heissen: Durch den Vertrauensverlust bei Investoren, Konsumenten und Arbeitnehmenden hat diese einen schlechteren Zugang zu Krediten, muss höhere Energiekosten in Kauf nehmen, erleidet Absatzverluste und bekundet Mühe, fähige Mitarbeitende zu rekrutieren und zu halten.
Wenige ESG-Vorbilder
Um Nachhaltigkeitsstrategien im Unternehmen zu verankern, kommt dem HR eine wichtige Rolle zu, meinen Hirschi und Hunziker. Für Hirschi beispielweise durch ein Employer Branding, bei dem die Mitarbeiterzufriedenheit, faire Arbeitsbedingungen und Entlöhnungen, Diversität, flexible Arbeitsmodelle sowie Massnahmen zur Gesundheit zur Sprache kommen. Besonders wichtige Punkte im Bemühen, Fachkräfte zu gewinnen: «Mehr als 50 Prozent der unter 40-Jährigen legen Wert auf eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie und verzichten dafür sogar auf einen überdurchschnittlich hohen Lohn», so Hirschi. Daneben solle HR aber auch die Bedürfnisse der aktuellen Mitarbeitenden im Auge behalten und ihnen ESG-Kompetenzen vermitteln. Dies, damit sich das Unternehmen entwickle und agil bleibe. «ESG-Themen müssen hierzu in den Personalentwicklungsprogrammen auf allen Stufen und in allen Unternehmensbereichen ins Bewusstsein der Mitarbeitenden gelangen.»
Noch gibt es wenige ESG-Vorzeigeunternehmen. Zwar hätten das betriebliche Gesundheitsmanagement, Diversity Management oder Employee Volunteering schon länger Einzug ins HR gehalten. «Die Anforderungen an Unternehmen steigen aber ständig», sagt Hirschi. Deshalb würden auch über die Unternehmensgrenze hinweg HR-Fragen wie Arbeitsrechte immer wichtiger. Beispielsweise bei Lieferantenketten. «Verstösse gegen die Menschenrechte müssen vermieden werden. Etwa solche, die durch Kinderarbeit verursacht werden.»
Es geht ums Überleben
Freiwillig etwas zu tun, ist das eine. Doch können Unternehmen auch zu ihrem ESG-Glück gezwungen werden? «Wenn der regulatorische Druck zunimmt, werden proaktiv handelnde Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil haben», sagt Antoinette Hunziker. «Agieren statt reagieren ist aber auch eine Frage der Werthaltung und des langfristigen Überlebens der Menschheit. Eine zerstörte Umwelt und grosse soziale Spannungen limitieren oder verunmöglichen letztlich das wirtschaftliche Überleben aller Unternehmen.»
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