Ankunft der Techgiganten
Google, Facebook, Amazon und Zalando haben eines gemeinsam: Büros in Zürich. Die Ansiedlung dieser Firmen schafft in der Limmatstadt Arbeitsplätze, sorgt aber an zentralen Lagen für steigende Immobilienpreise. Eine Übersicht.
Wie Google, Zalando und Co. erobern Zürich. (Fotos: zVg)
«Techgiganten angeln sich in Zürich mit viel Geld die Talente», titelte «20 Minuten» am 18. Oktober 2021 und verwies damit auf Facebook, Amazon und Zalando, die sich kürzlich in Zürich niederliessen oder wie Google ihre Büroflächen enorm erweiterten. Auch der «Handelszeitung» war dieses Phänomen ein Artikel wert. Mit «Traumschlösser der Tech-Giganten» allerdings eher mit Blick auf neue Bürotürme. Doch sind diese riesigen Office-Flächen nicht ein Widerspruch zum weit verbreiteten Homeoffice? Nicht für Robert Hauri, CEO der Immobilienfirma Intercity Group Holding: «Mitarbeitende kehren wieder ins Büro zurück. Nicht weil sie müssen, sondern weil sie menschliche Begegnungen bevorzugen.» Allen Unkenrufen zum Trotz werde Homeoffice die Büroflächen deshalb nicht schrumpfen lassen. «Firmen werden ihre Räumlichkeiten aber so einrichten, dass sie zur Zusammenarbeit einladen.» Beispielsweise mit Coworking-Spaces für Teams sowie grosszügigen Räumen für Meetings und Anlässe.
Ein Verzicht auf Büroräumlichkeiten komme für viele Unternehmen zudem aus Imagegründen nicht infrage: «Ein prestigeträchtiger Firmensitz hat eine starke Ausstrahlung nach innen und aussen», sagt Hauri. «Darauf wollen viele nicht verzichten.» Dass ausgerechnet grosse Techfirmen auf repräsentative Büroräumlichkeiten setzen, sei nicht aussergewöhnlich. Mit gigantischen Bauten wie dem Apple Campus im amerikanischen Cupertino oder dem Facebook-Hauptquartier im Menlo Park mit 30 Gebäuden sei in der Schweiz aber nicht zu rechnen. «Dafür ist der Boden zu knapp», sagt Hauri und nennt als Beispiel die Europaallee in Zürich. «Google hat sich dort in einigen Gebäuden eingemietet. Trotzdem fehlte es dem Unternehmen dort an Räumlichkeiten, um weiter zu wachsen. Google steht damit nicht allein da: «Auch andere Grossunternehmen suchen händeringend nach attraktiven Standorten mit genügend grossen Büroflächen», so Hauri.
Büroflächen an zentralen Lagen sind gesucht, jedoch keine Firmen-Campusse. «Kaum jemand würde diese Firmenstrukturen nutzen. Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie- und Freizeitangebote gibt es in den Stadtzentren in unmittelbarer Umgebung.» Ein weiterer Grund, weshalb sich diese Firmen ausgerechnet dort niederlassen wollen.
Dass grosse Techunternehmen ihren Sitz in Zürich einnehmen, hat finanzielle Auswirkungen auf das städtische Immobilien-Preisgefüge. «Die Mietzinsen für Büroflächen werden in den Stadtzentren weiter steigen», befürchtet Hauri. Diese Entwicklung sei kaum zu stoppen. «Auch während der Pandemie sind die Immobilienpreise an zentralen Lagen gestiegen.» Trotz der Preisentwicklung im Büro- wie auch im Wohnbereich hat die Ansiedlung der Techgiganten für Hauri überwiegend positive Seiten: «Techunternehmen verjüngen eine Stadt, schaffen neue Arbeitsplätze und ziehen gute Steuerzahler an. Zudem entstehen um die Firmen herum neue Ökosysteme mit innovativen Start-ups, Zulieferern und Firmen aus ähnlichen Bereichen.» Ein solcher Cluster entstehe beispielsweise gerade im Circle am Flughafen Zürich. «Davon profitiert eine Stadt wie Zürich.»
Treffpunkt der Techies
«Zürich ist ein europäischer Technologie-Hotspot», bestätigt Zalando-Sprecherin Julia Zweigle. Das sieht auch Google-Sprecher Samuel Leiser so: «Die Stadt hat sich über die Jahre hinweg zu einem Tech-Hub entwickelt. Nicht nur aufgrund unserer Präsenz, auch durch ehemalige Google-Mitarbeitende, die eigene Unternehmen gründeten.» Zalando hat in Zürich Grosses vor: «Als Pionier im Schweizer Modehandel wollen wir die erste Anlaufstelle für Mode und Lifestyle werden.» Beispielsweise mit einer Grössenberatung, bei der die Kleidergrösse und die individuellen Körpermasse gleichermassen berücksichtigt werden. «So können wir die Kundenbindung stärken und die Retourenquote verringern.» Dafür baut Zalando in Zürich einen Tech-Hub auf. Das im Prime Tower angemietete Büro soll im Frühjahr 2022 eröffnet werden und bis zu 150 Arbeitsplätzen Raum bieten.
Auch Google wächst. Schon heute ist das Unternehmen in Zürich in der Europaallee und im Hürlimann Areal präsent. Ab 2023 mietet sich der Techgigant zusätzlich an der Müllerstrasse 16/20 im Zürcher Stadtzentrum ein. Die Expansionsbeweggründe sind ähnlich wie bei Zalando: «Wir investieren, wo qualitativ hochwertige Arbeit geleistet wird», sagt Mediensprecher Samuel Leiser. Über 4500 Mitarbeitende beschäftigt Google bereits in der Schweiz. Damit gehört der Standort Zürich zu einem der grössten Forschungs- und Entwicklungszentren ausserhalb der USA. «Hier arbeiten wir an Schlüsseldiensten wie der Google Suche, dem Google Assistant, Google Maps oder Youtube», erläutert Leiser. «Ausserdem beschäftigen uns in Zürich Zukunftstechnologien wie Cloud-Lösungen oder künstliche Intelligenz.»
Aktuell arbeitet bei Google die Mehrheit der Beschäftigten noch im Homeoffice, doch bald sollen sie in die Zürcher Büros zurückkehren – zumindest teilweise. Derzeit werden dafür verschiedene Szenarien getestet. Eines davon? «Drei Anwesenheitstage im Büro und zwei Tage dort, wo unsere Mitarbeitenden am produktivsten sind.» Kehren sie zurück, werden sie neugestaltete Büroräumlichkeiten vorfinden, erklärt Leiser. «Es wird Open Spaces und spezielle Bereiche geben, in denen Teams zusammenarbeiten und sich austauschen können. Zudem installieren wir fortschrittliche Videotechnologien, um den Austausch zwischen den Mitarbeitenden vor Ort und den virtuell zugeschalteten zu verbessern.
Grosse Talentpools
Um Fachkräfte zu finden, die in ihren neuen Büros arbeiten, ist für Zalando und Google die Nähe zu den Schweizer Hochschulen gleichermassen wichtig: «Die ETH Zürich und die EPFL Lausanne bieten einen grossen Talentpool», sagt Zalando-Sprecherin Julia Zweigle. Auch Google ist dort präsent, engagiert sich darüber hinaus zudem in der gesamten Bildungskette. Beispielsweise, indem das Techunternehmen Informatik-Lehrstellen anbietet oder sich an Initiativen zum lebenslangen Lernen beteiligt. Dass sich die Techgiganten gegenseitig Fachkräfte abjagen könnten, ist für Google-Sprecher Leiser eher abwegig: «Am Standort Zürich rekrutieren wir grösstenteils Fachkräfte für die Entwicklung unserer Technologien. Das sind zumindest teilweise andere Mitarbeitergruppen, als Facebook, Amazon oder Zalando benötigen.»