Flexibel, flexibler, am flexibelsten
Offene Büroflächen halten Einzug in der Arbeitswelt. Das bedeutet immer mehr Desk Sharing, bei dem die Beschäftigten über eine Software ein Pult oder einen Arbeitsraum buchen. Durch das Nutzerverhalten lassen sich auch Erkenntnisse zur Optimierung der Arbeitsflächen gewinnen. Einblicke in eine neue Arbeitswelt.
Desk Sharing per Mausklick. (Bild: iStock)
Ob in der ersten Reihe oder am Fenster: Viele Arbeitnehmende haben keinen Anspruch auf einen festen Arbeitsplatz. Wollen sie den morgendlichen Stress um «ihren» Bürotisch umgehen, buchen sie diesen am Vorabend. Diese Shared-Desk-Arbeitsweise findet immer mehr Anhänger. Das hat mehrere Gründe: beispielsweise, weil Bürolandschaften aufgrund der monatelangen Homeoffice-Pflicht umgekrempelt werden. Statt in Einzelbüros arbeiten viele Mitarbeitende in offenen Arbeitsflächen mit verschiedenen Arbeitssphären. Etwa für konzentriertes Arbeiten, Teammeetings oder morgendliche Kaffeetreffs. Wegen der mangelnden Büroauslastung verkleinerten zudem viele Unternehmen ihre Flächen. «Ein Ende dieses Trends ist nicht absehbar», sagt Fabien Moine, Head of Sales and Marketing des Arbeitsflächen-Management-Spezialisten Roomz. Für ihn liegt das Büroflächen-Einsparpotenzial bei bis zu 40 Prozent. «Bei einem Quadratmeterpreis von 700 Franken wie in der Stadt Zürich summiert sich das auf einen beträchtlichen Betrag.»
Doch ab wann lohnt es sich, Büroflächen zu verringern? «Das hängt von der Unternehmenssituation ab», sagt Christopher Bieri, Co-Founder und CEO des Softwareunternehmens Seatti. «Wenig wachsende mittelständische Firmen benötigen auf Dauer weniger Büroflächen. Aufstrebende Jungunternehmen müssen auf bestehenden Büroflächen dagegen eine wachsende Zahl an Mitarbeitenden unterbringen.» Ähnlich sieht das Moine: «Nicht immer ist eine Verkleinerung der Büroflächen die beste Option. Bevor Firmen diesen Schritt erwägen, sollten sie die Büronutzung analysieren und optimieren.» Wer die daraus gewonnen Erkenntnisse ernstnehme, könne auf die Bedürfnisse der Beschäftigten eingehen und passende Räumlichkeiten schaffen. Etwa «Huddle Spaces», also kleinere Räume für kleine Arbeitsgruppen, oder hybride Räume, die je nach Aufgaben oder Tageszeiten unterschiedlich genutzt werden.
Nicht alle Arbeitsplätze lassen sich derart flexibilisieren: «In manchen Fällen macht Desk Sharing keinen Sinn», sagt Bieri. «Beispielsweise, weil Mitarbeitende Industriesoftware oder spezielle Monitore nutzen.» Dasselbe gelte für Abteilungen, in denen Beschäftigte wie im HR mit vertraulichen Daten arbeiten. Ähnlich sieht das Moine. «Wo und wie Arbeitnehmende arbeiten, hängt von den zu erledigenden Aufgaben ab. Vertrauliches kann man auch zu Hause erledigen, kollaborative Projekte dagegen im Büro.» Dazu müsse man aber nicht ständig ins Homeoffice, ergänzt Bieri. «Mitunter genügt es, einen Meetingraum oder eine Telefonzelle aufzusuchen.» Daneben gäbe es praktische Hilfsmittel wie Screen-Protektoren, die seitliche Einblicke auf den Monitor verhindern.
Kein Schwarz-oder-Weiss
Die Funktionen von Buchungssoftware sind vielfältig und gehen weit über die Reservation von Arbeitsplätzen hinaus. So können Mitarbeitende beispielsweise sehen, wer in der Nähe ihres gebuchten Arbeitsplatzes arbeitet oder welche Kollegen an welchen Tagen im Büro sind. «Das fördert die sozialen Beziehungen und den abteilungsübergreifenden Austausch», sagt Bieri. Dank der Kennzahlen der Buchungssoftware lassen sich zudem neue Bürowelten entwickeln. Etwa mit der prozentualen Auslastung eines Bereichs oder Stockwerks oder der Häufigkeit, mit der bestimmte Tische gebucht werden. «Durch diese Kennzahlen erkennen Firmen, wo sich Flächen einsparen oder optimieren lassen», sagt Bieri. Diese Analyse trage auch dazu bei, Annahmen zur Büronutzung zu hinterfragen. Beispielsweise, dass Mitarbeitende ins Büro kommen, um andere Menschen zu treffen. «Manche suchen aber gerade im Büro Ruhe, weil sie diese zu Hause nicht haben.»
Mensch, statt Technik
Allein mit Software lässt sich die Büroauslastung nicht steuern, meinen Bieri und Moine. «Dazu braucht es Regeln», so Bieri. «Vorgesetzte können mit ihrem Team beispielsweise bestimmen, wer an welchen Tagen im Büro ist.» Darüber hinaus dienen Anreize dazu, die Beschäftigten an unbeliebten Tagen wie Freitagen ins Büro zu locken. Beispielsweise mit Veranstaltungen, Feierabendrunden, Lunches oder Vorträgen.
Roomz
Das 2018 gegründete Schweizer Unternehmen mit Sitz in Fribourg bietet Lösungen für das intelligente Management von Büroflächen und Besprechungsräumen. Das beinhaltet Elemente wie kabellose digitale Bildschirme in Sitzungszimmern oder spezielle Sensoren, die zusammen mit intelligenter Software Büroflächen optimieren. Zu seinen Kunden zählt Roomz Firmen wie Lonza, die rund 1600 Büros mit dieser Software verwalten. roomz.io
Seatti
Das aus der Universität St. Gallen heraus gegründete Start-up bietet eine in Microsoft Teams und Azure integrierte Shared-Desk-, Meetingraum- und Parkplatzbuchungs-Software. Damit ermöglicht Seatti die Einführung flexibler Arbeits- und Büromodelle. Beispielsweise, indem Mitarbeitende einen Schreibtisch im Büro buchen, ihren Homeoffice-Tag einplanen und Treffen im Büro oder ausserhalb koordinieren. seatti.co