Auf ergebniswirksame Kompetenzen fokussieren
Kompetenzmodelle sind zumindest in grösseren Schweizer Unternehmen weit verbreitet. Oftmals erfüllen sie jedoch die hochgesteckten Erwartungen nicht. Vor allem, weil sie zu komplex, gleichzeitig aber auch zu wenig differenziert sind. Ein neues Pyramidenmodell löst dieses Dilemma.
Kompetenzmodelle sind Kernelemente des strategischen Personalmanagements. Mit ihrer Hilfe werden Kompetenzen, die Mitarbeitende benötigen, um die ihnen gestellten Aufgaben erfolgreich zu bearbeiten, valide und genau gemessen. Aufgrund der vorhandenen Kompetenzen können die relevanten Fähigkeiten der Mitarbeitenden differenziert beurteilt werden. Darauf aufbauend lassen sich gezielt Massnahmen ergreifen, um ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern. Darüber hinaus werden die verschiedenen HR- und Führungsinstrumente wie Mitarbeitergespräche, Bewerberinterviews, Stellenprofile oder Assessment Center auf diesen Kompetenzenkatalog ausgerichtet.
Idealerweise sorgt das dafür, dass überall im Unternehmen mit demselben Messband gemessen und dieselbe Sprache gesprochen wird. Die regelmässige Erhebung der Kompetenzen sowie Soll-Ist-Profile schaffen schliesslich die Grundlage für zielgerichtete Fördermassnahmen. Kein Wunder, sind viele Unternehmen bereit, grössere Investitionen in die Entwicklung eines firmenspezifischen Modells zu tätigen.
So weit die Theorie. Doch wie sieht die Praxis aus? Leider selten so rosig. Ein Grund liegt darin, dass es sich bei den Kompetenzmodellen in der Regel selten um wirkliche Modelle handelt, sondern lediglich um eine mehr oder weniger strukturierte Auflistung von Fähigkeiten. «Kompetenzenkatalog» ist deshalb der treffendere Begriff, der hier im Folgenden verwendet wird.
Zu viele Dimensionen überfordern
Viele Anwender solcher Kompetenzenkataloge bekunden Mühe, sich in vernünftiger Zeit durch die Vielzahl der Kompetenzen durchzuarbeiten. Im jährlichen Mitarbeiter-Beurteilungsprozess müssen sie zum Beispiel ihre Mitarbeitenden nicht selten in fünfzehn und mehr Dimensionen beurteilen. Das empfinden viele Führungskräfte als eine sinnlose administrative Pflichtübung, die sie so rasch als möglich hinter sich bringen wollen. Die systematische, differenzierte Kompetenzbeurteilung, wie sie die Unternehmensleitung wünscht, findet deshalb in der Praxis selten statt. Ein anderes Beispiel sind die Development Center. Dort lassen sich nicht mehr als acht Dimensionen valide beobachten. Wenn der Kompetenzenkatalog für eine Führungsfunktion zwanzig Kompetenzen als erfolgsrelevant definiert, muss in der Folge mehr als die Hälfte gestrichen werden. Doch welches sind die relevanten Kompetenzen?
Dazu kommt, dass in solchen Katalogen die Kompetenzen der Mitarbeitenden meist unabhängig von der Erreichung der Jahresziele beurteilt werden. Damit können die Vorgesetzten und HR-Verantwortlichen keinen direkten Bezug zwischen den erzielten Ergebnissen und den dafür relevanten Kompetenzen schaffen. Das macht es für sie schwierig, die richtigen Entwicklungsmassnahmen zu identifizieren. Umso mehr, als viele Beurteilungssysteme die konkrete Definition von Fördermassnahmen zu wenig unterstützen.
Was zeichnet ein praxisnahes Modell aus?
Vergleicht man Kompetenzenkataloge aus der Praxis mit bekannten Referenzmodellen, so zeigt eine neutrale Analyse, dass oft allgemein anerkannte erfolgskritische Kompetenzen fehlen. Obwohl die Kataloge sehr umfangreich sind, weisen sie relevante Lücken auf, was paradox wirkt.
Wie also muss ein Kompetenzmodell aussehen, mit dem die Ziele des strategischen Personalmanagements erreicht werden können?
Weniger ist mehr: Die meisten Anwender wünschen eine möglichst geringe Anzahl an Dimensionen. Der Tenor ist klar: Je weniger, desto besser. Damit ein Kompetenzmodell in der Praxis funktioniert, sollte es daher nicht mehr als acht bis zehn Dimensionen beschreiben.
Das Paradox auflösen: Für ein Kompetenzmodell ist es essenziell, dass es alle erfolgskritischen Dimensionen erfasst. Für ein Managerprofil kommen aber schnell 20 bis 40 relevante Kompetenzen zusammen, was in der Praxis nicht funktioniert. Ein praxisnahes Kompetenzmodell muss dem Anwender situativ die Möglichkeit bieten, sich auf die für ihn relevantesten Dimensionen zu konzentrieren.
Differenziert betrachten: Ein effektives Kompetenzmodell unterscheidet die verschiedenen Kompetenzen nach der Art, wie sie sich auf die Leistung eines Mitarbeitenden auswirken, und der Art, wie sie selbst beeinflusst werden können. Nur so können die richtigen Fördermassnahmen definiert werden.
Was damit gemeint ist, lässt sich am Beispiel Kundenorientierung und Leistungsmotivation aufzeigen. Die Leistungsmotivation ist ein mehrheitlich stabiles Persönlichkeitsmerkmal, das sich permanent darauf auswirkt, wie ein Mitarbeiter seine Aufgaben erledigt. Aufgrund dieser Charakteristik lässt sie sich nur begrenzt entwickeln und auch mit Training kaum verbessern. Die Kundenorientierung anderseits ist kein stabiles Persönlichkeitsmerkmal und kann mit einem entsprechenden Training gut und relativ einfach entwickelt werden. Die Leistungsmotivation spielt deshalb bei der Beurteilung eines Mitarbeiters eine wesentlich umfassendere Rolle als die Kundenorientierung und muss entsprechend gewichtet werden.
Erfolgsfaktoren präzise analysieren: Ein gutes Kompetenzmodell ermöglicht eine effektive Mitarbeiterbeurteilung. Das bedingt, dass es einen direkten Bezug von der Leistungsbeurteilung zu den Kompetenzen, die dafür notwendig sind, herstellt. Ein wirkungsvolles Modell zeigt transparent den Zusammenhang auf.
Pyramidenmodell als neuer Ansatz
Das Pyramidenmodell (siehe Grafik) ist ein wirkungsorientiertes Kompetenzmodell, das eine systematische Analyse der kompetenzbasierten Gründe für beruflichen Erfolg ermöglicht. Dank der hierarchischen Gliederung der verschiedenen Ebenen lässt sich differenziert betrachten, wie sich die Kompetenzen eines Mitarbeiters auf sein Leistungsverhalten und die erzielten Ergebnisse auswirken und umgekehrt.
Ebene 1: persönlichkeitsbezogene Kompetenzen
Auf der untersten Ebene werden die persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen beschrieben. Diese zeichnen sich durch zwei Haupteigenschaften aus: Zum einen sind sie tendenziell stabil und lassen sich nur eingeschränkt entwickeln. Zum andern üben sie einen konstanten Einfluss auf das Leistungsverhalten aus. Die persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen sind deshalb besonders relevant für die Einschätzung des Potenzials eines Mitarbeitenden.
Ebene 2: erworbene Kompetenzen
Auf der zweiten Stufe sind die erworbenen Kompetenzen angesiedelt. Wie ihre Bezeichnung schon sagt, basieren diese Kompetenzen auf den Ausbildungen, die ein Mitarbeiter absolviert, und den Erfahrungen, die er bisher gesammelt hat. Dort finden sich die Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen. Die erworbenen Kompetenzen können mit Trainings gut gefördert werden und entwickeln sich im Zuge weiterer Erfahrungen kontinuierlich.
Ebene 3: ergebniswirksame Kompetenzen
Eine zentrale Innovation des Pyramidenmodells sind die ergebniswirksamen Kompetenzen auf der dritten Ebene. Sie sind das Produkt aus persönlichkeitsbezogenen und erworbenen Kompetenzen plus Erfahrung. Sie bündeln diverse Dimensionen wirkungsorientiert. Sie beschreiben die Fähigkeit einer Person, die Resultate zu erzielen, die in ihrer Funktion erfolgsrelevant sind. Nur das zählt letztlich für ein Unternehmen. So ist zum Beispiel die Kundenorientierung nur einer von mehreren Erfolgsfaktoren im Kundenkontakt. Für den Erfolg entscheidend ist jedoch die erzielte Wirkung: Gewinnt der Mitarbeiter neue Kunden oder nicht.
Die ergebniswirksamen Kompetenzen beschreiben zusammengefasst die aktuelle Leistungsfähigkeit eines Mitarbeitenden. Sie bilden eine Brücke zwischen seinen Kompetenzen und den Ergebnissen, die er erzielt. Umgekehrt kann nun von den erzielten Leistungen eine direkte Verbindung zu den Kompetenzen geschaffen werden. Dank den ergebniswirksamen Kompetenzen kann die Zahl der Dimensionen, die beurteilt werden müssen, auf ein Minimum reduziert werden. Das ist praxisnah und steigert zusätzlich die Effizienz.
Mit der Differenzierung zwischen persönlichkeitsbezogenen und erworbenen Kompetenzen können wirksame Fördermassnahmen leichter bestimmt werden. Das Modell ist offen konzipiert und kann auf die unternehmensspezifischen Anforderungen angepasst werden.