Bye bye zur alten Hackordnung
Die digitale Transformation erfordert einen Wandel der bestehenden Unternehmenskultur. Wie dieser gelingen kann, und was das Ganze mit «Rebels at Work» zu tun hat: Vordenkerin und Unternehmerin Anja Förster von Förster & Kreuz im Gespräch.
Zwischen Bewegung und Stillstand. (Bild: 123rf)
Anja Förster, Sie rufen dazu auf, dass Veränderung die neue Normalität sein muss. Warum haben viele Unternehmen, Führungskräfte und Teams Mühe mit Veränderungen?
Anja Förster: Unternehmen sind mit ihren Strukturen, Zuständigkeiten und Regeln auf die Bewältigung von Routineaufgaben zugeschnitten. Aber Innovationsprojekte, die auf die Zukunft des Unternehmens einzahlen, sind alles andere als Routineaufgaben. Hinzu kommt, dass wir in Deutschland und auch in der Schweiz sehr gut im linearen Denken sind, in der Optimierung in kleinen und konsequenten Schritten. Das hat viele Jahrzehnte wunderbar funktioniert und uns unseren gegenwärtigen Wohlstand beschert.
Aber dieses Erfolgsmuster stösst brutal an seine Grenzen. Es geht also darum, alte Gewissheiten zu hinterfragen und einen Paradigmenwechsel zuzulassen. Das fällt vielen schwer, denn das stand bisher nicht auf dem Lehrplan und übrigens auch nicht im Stellenbeschrieb. Was mich antreibt, ist, diese neue Denkweise in den Köpfen der Führungskräfte und Mitarbeitenden zu verankern.
Was braucht es um diesen Paradigmenwechsel, diesen Wandel der Unternehmenskultur einzuläuten?
Selbständig denkende und handelnde Mitarbeitende brauchen Freiraum. Deshalb ist es so wichtig, die so beliebte Regel- und Kontrollwut radikal einzudämmen, denn ein enges Regelwerk erzieht Menschen dazu, Regelbefolger zu werden. Also aufräumen, entrümpeln und mental durchlüften. Alles aus dem Weg räumen, worüber Mitarbeitende sich ärgern und was sie davon abhält, ihre Arbeit fokussiert und im Dienst des Kunden auszuüben.
Was wollen Sie mit der Initiative «Rebels at Work» bewirken?
Die Zukunft von Unternehmen und Branchen wird nicht mehr durch Effizienzsteigerung gestaltet, sondern durch Innovationskraft, Querdenken und das Hinterfragen alter Gewissheiten. Dazu braucht es mutige Veränderer, die neu denken und sich für Ideen engagieren, die im Widerspruch zu den üblichen weitverbreiteten Routinen stehen.
Ich nenne sie «Rebels at Work». Damit sind keine Quertreiber oder Krawallmacher gemeint, sondern kritische Geister, die sich mit der Firma identifizieren, aber zugleich Überzeugungen haben, die der herrschenden Kultur zuwiderlaufen. Sie sind weder Sonderfall noch eine lästige Störung, sondern vielmehr wichtige Geburtshelfer des Neuen. Solche Typen brauchen wir dringender denn je. Ich finde, dass es allerhöchste Zeit ist, diesen Menschen Gehör zu verschaffen.
Die digitale Transformation erfordert ein Umdenken. Sie sind mit «Rebels at Work» in der Welt herumgekommen. Wie schaut es mit der Bereitschaft zum Umdenken allgemein aus?
Bei diesem Thema erlebe ich zwei sehr unterschiedliche Haltungen. Einige Unternehmen sind bereits mittendrin, komplett neue Geschäftsmodelle für die digitalen Märkte zu entwickeln und zu testen. Sie haben den disruptiven Charakter des Entwicklungssprungs verstanden, den wir gerade erleben. Wer im Geschäft bleiben will, muss komplett anders arbeiten als bisher, denn die digitale Transformation ist weniger eine Frage der Technologie als eine Frage der Führung.
Nicht nur Prozessabläufe oder die Art und Weise der Produktentwicklung ändern sich grundlegend, sondern komplette Lern- und Veränderungsregeln der Organisation müssen an die neue Realität angepasst werden. Die Unternehmenskultur wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor und genau das hat man in diesen Unternehmen verstanden.
Was ist mit den anderen?
Von denen höre ich: «Ach, kommt, nervt uns nicht mit diesem Disruptionszeug. Es geht vor allem um Innovation, und das machen wir doch schon seit Jahren!» Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, die Maschinen laufen und mit kontinuierlicher, intelligenter Optimierung kommen diese Unternehmen ziemlich weit. Allerdings sollte uns das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geschichte keine Ewigkeitsgarantien ausstellt – für niemanden.
Und wie führt man nun erfolgreich in diesem Umfeld der Digitalisierung?
Statusunterschiede wie das Chefbüro, Kleiderordnung oder die Vorstandskantine sind mittlerweile in vielen Unternehmen auf dem «Schrottplatz» gelandet. Die alte Hackordnung löst sich langsam auf ebenso wie die sichtbaren Attribute der Macht. Und weil Äusserlichkeiten verschwinden und Hierarchien flacher werden, glauben viele, dass damit auch die Führung an Bedeutung verloren hat. Das ist ein Irrglaube. Wir brauchen immer noch Führung. Aber keine, die Folgsamkeit belohnt, sondern Führung, die Offenheit gegenüber Neuem fördert und Mitarbeitende stärkt, die neu denken und sich für Ideen engagieren, die auch mal im Widerspruch stehen zu den üblichen Routinen.
Hier erlebe ich eine paradoxe Situation. Das sind zwar weithin akzeptierte Eigenschaften von Innovatoren und Unternehmern, aber wehe, wenn das in den tradierten Strukturen jemand wagt. Vollkommen irre ist, dass in vielen Unternehmen Ideenreichtum von den Mitarbeitenden gefordert, tatsächlich aber Anpassung belohnt wird.
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