Es ist ein heisser Spätsommertag, doch im Kopf ist Sabina Furler schon bei der Weihnachtskollektion. Die Chefin der Dessousfirma Beldona geht in ihrem Job ganz auf. Spontan bejaht sie: Es ist ein Traumjob. Doch auch ein Traumjob sei immer phasenabhängig, lacht sie. Mal mehr, mal weniger Traumjob.
Gerade ist das Shooting für die Weihnachtskollektion im Kasten, da posiert die Chefin selbst ganz professionell inmitten feiner Dessous. Ein Schritt nach vorn, ein bisschen nach links, mehr ins Licht. – Ihre offene Art lässt das Eis sofort schmelzen, in ihrer Gegenwart fühlt man sich sofort wohl und ihr natürliches Lachen ist ansteckend. Sie ist stolz, das ist ihr anzumerken, hat sie doch in ihren drei Jahren bei Beldona einiges bewirkt.
Furler steigt 2008 als CEO bei Beldona ein. Doch mit dem Beldona-Virus, wie sie es nennt, kam sie schon als Teenager in Berührung. «Schon als Mädchen war ich fasziniert davon, Wäschebilder anzuschauen, wo sich doch gerade die eigenen weiblichen Rundungen formten. Ich war da sehr neugierig.» Doch nicht im Traum hat sie jemals daran gedacht, dass diese Firma in ihrem Berufsleben mal eine Rolle spielen sollte.
Die Geschichte von Beldona beginnt mit dem visionären Dr. Karl Roth, der 1956 fest an seine Geschäftsidee glaubt, schöne Dessous unter die Frauen zu bringen, zunächst mit einem Handwägeli und zwei Koffern von Haus zu Haus. 1958 wird die erste Filiale in Bern gegründet. Als Furler 1964 in Rüschlikon bei Zürich geboren wird, gibt es bereits 25 Beldona-Filialen. Ab 1969 produziert Beldona Tag- und Nachtwäsche sowie Freizeitbekleidung in einer eigenen Fabrik in Widnau (SG). Als Furler mit 18 Jahren die Matura macht, hat Beldona eine Marktpräsenz von 67 eigenen Ladenlokalen. Ab 1999 gehört Beldona zur Firmengruppe Logo International, die ihre Anteile im Sommer 2010 an den internationalen Wäschehersteller Triumph verkauft. Im Verwaltungsrat der Beldona AG nehmen verschiedene Konzernleitungsmitglieder von Triumph International Einsitz. Ansonsten bleibt die Firma unabhängig.
Furlers beruflicher Weg ist zunächst keine gradlinige Geschichte, eher ein Zickzack-Kurs, und es dauert eine Weile, bis sie ihre wirkliche Berufung findet. «Mit 18 kann man noch keine Entscheidung fürs Leben treffen», sagt Furler, deren Leidenschaft schon von früh auf Sprachen sind. Am Gymnasium lässt sie keine Gelegenheit aus, ihre Kenntnisse stets zu vertiefen. Die sprachbegabte junge Frau studiert also in logischer Schlussfolgerung zunächst Italienisch, Französisch und Englisch. Das widerspricht der Empfehlung der Berufsberatung, die bei ihr eher auf logisch-analytische Fähigkeiten setzt. Noch weiss sie nicht, wie Recht die Berater behalten sollten.
Nach einem Jahr überkommen sie Zweifel, ob das Studium für sie wirklich zielführend ist. Als Dolmetscherin oder Übersetzerin sieht sie nicht die Entfaltungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, die sie sich wünscht. Sie steigt aus dem Studium aus und in die Reisebranche ein. Sechs Jahre arbeitet sie bei Kuoni und Imholz – zuerst als Direktionsassistentin, später als Verkaufsleiterin und Teamchefin Spezialgruppenreisen.
Mit 25 Jahren hat sie wieder das Bedürfnis, sich zu verändern, und studiert an der Hochschule St. Gallen Betriebswirtschaft mit Vertiefung Finanz- und Rechnungswesen. «Um sich intellektuell aufzufrischen», wie sie es ausdrückt. Entgegen der landläufigen Meinung, man habe entweder eine Begabung für Sprachen oder Zahlen, fühlt sich Furler in beiden Materien wohl. «Es schadet ja nicht, viele Sprachen zu sprechen, auch wenn ich jetzt vorwiegend die Zahlen unter Kontrolle habe.» Nach dem erfolgreichen Abschluss und einem Auslandssemester in Rotterdam, wo sie holländisch lernt, startet Furler ihre neue Laufbahn bei der Unternehmensberatung McKinsey und ist prompt verantwortlich für ein Lingerie-Projekt. Das ist ein Meilenstein, denn die Begeisterung für schöne Wäsche lässt sie seitdem nicht mehr los.
Neuer Anstrich für die Firma und die Filialen
Einige Umwege braucht es aber noch, bis sie bei Beldona ihren Traumjob finden soll. Sie geht zurück in die Tourismusbranche, dann stehen Uhren und Schmuck im Fokus, unter anderem in ihrer Funktion als Verkaufsdirektorin bei IWC Schaffhausen. Emotionale Konsumgüter ziehen sich nun wie ein roter Faden durch ihren Weg. Schliesslich bringt sie ein Executive Searcher zu Beldona. Furler findet das alte Firmen-Image etwas verstaubt und beginnt, Beldona neuen Glanz zu verleihen. Sie überarbeitet mit dem Einkaufs- und Designteam die Kollektion, hebt ein Kundenmagazin aus der Taufe und lanciert eine neue Internetseite. «Die grösste Herausforderung im Detailhandel sind die Filialen. Sie können die schönste Kollektion und die beste Marketingstrategie haben, aber die Kundinnen sehen von Beldona vor allem die Verkaufspunkte.» So wird nicht nur die Philosophie des Unternehmens überarbeitet, auch die Filialen bekommen einen neuen Anstrich. 12 von 70 Filialen werden dieses Jahr umgebaut und ganz neu gestylt.
Bequem oder sexy? Tragekomfort vs. Verführung
Neben 348 Frauen finden sich im Unternehmen gerade mal 7 Männer, zuständig für Finanzen, Administration, Logistik und Ladenbau. «Selbstverständlich sind sie bei uns absolut gleichberechtigt», lacht Furler wieder ihr herzhaftes Lachen.
Rund 800 verschiedene Teile werden am Hauptsitz in Baden-Dättwil jedes Jahr designt und entwickelt, vier Mal im Jahr erscheint eine neue Kollektion. «An Ideen für neue Designs mangelt es nicht», sagt die Dessous-Chefin. Furler probiert sich selbst durch jede neue Kollektion, will genau wissen, sitzt der BH perfekt oder kneift es hier oder da? Wie fühlt sich der Stoff auf der Haut an? Und da kann es schon mal vorkommen, dass die Chefin ihr Veto eingibt.
Manchmal täuscht sie sich aber auch, wie in der Einschätzung der relativ naiv designten Kuschelware, die jedes Jahr zu Weihnachten neu aufgelegt wird. «Ich frage mich manchmal, wer das wohl kauft.» Und alle Jahre wieder sei diese Serie mit einem Touch Romantik der Renner. «Aber das ist natürlich nicht das, was Männer ihren Frauen zu Weihnachten schenken», lacht sie. Diese Geschenke gehen eher in die verführerische Ecke, Frauen kauften nun mal das, was bequem ist.
Nur der Weihnachtsumsatz werde von der männlichen Kundschaft mitbestimmt. Und die brauche nicht selten eingehende Beratung, damit das Geschenk nicht zum Bumerang werde. Stichwort Grösse, Farbe oder auch Schnitt. «Wenn das Thema Lingerie zur Sprache kommt, läuft bei Frauen und Männern ein unterschiedlicher Film ab. Männer denken da meist nur an das Verführungsthema, während Frauen oft einfach nur einen gutsitzenden BH suchen, der unter der Kleidung möglichst unsichtbar ist.» Für Furler hat ihr Geschäft daher wenig mit Sexualität zu tun. Letztlich gehe es nicht (nur) um Verführung, sondern vor allem um Tragekomfort. «Doch im Gegensatz zu früher, wo es fast egal war, was frau so drunter trug, soll es heute bequem sein und schön aussehen. Das ist nicht immer einfach.»
1,80 Meter mit 14 Jahren – eine prägende Grösse
Mit ihren 1,80 Metern fällt die attraktive Frau auf und sticht aus der Menge hervor. «Daran musste ich mich sehr früh gewöhnen», erinnert sich Furler. Schon mit 14 Jahren war sie so gross. «Das war damals alles andere als einfach und hat mich sicher auch geprägt.» Sie wächst mit drei Geschwistern auf, in ihrer Freizeit wird viel und frei gespielt, ohne Terminstress, wie ihn heute schon viele Kinder haben. «Eine wunderbare Zeit», schwärmt sie.
Als Teenie spielt Furler Basketball und Volleyball und ist Mitglied in einer Theatergruppe. Heute weiss sie in ihrer Position als CEO besonders ihre Theatererfahrung zu schätzen. Vor einer grossen Gruppe eine Präsentation zu halten, ist seitdem für Furler kein Problem mehr. Die selbstbewusste 47-Jährige weiss Stimme, Gestik und Mimik gewinnend einzusetzen und sie weiss, wie sie ihre Zuhörer in ihren Bann ziehen kann. Ein unschlagbares Kapital in einem Geschäft wie dem ihren.
Bloss die Fehler nicht unter den Teppich kehren
Furler lebt den Beldona-Virus und steckt mit ihrer Begeisterung auch ihre Mitarbeitenden an. Theatererfahrung hin oder her – im wirklichen Leben mag es Furler nicht, wenn Menschen eine Rolle spielen. Emotionen spielen im Arbeitsalltag für sie und den Unternehmenserfolg eine bedeutende Rolle. «Hier soll sich niemand verstellen müssen», sagt die Chefin. Sie plädiert für eine Kultur, in der man auch Fehler ohne Angst zugeben kann.
Furler sieht die Dinge durchweg entspannt; für ihre Mitarbeiter ist sie der berühmte Fels in der Brandung. Authentizität ist ihr wichtig, sie zieht keine CEO-Maske an, ist ganz und gar Mensch. Und es ist nicht schwer zu erraten, dass sie so leicht nichts aus der Ruhe bringt. Sie habe mit der Zeit gelernt zu unterscheiden, wann es sich lohnt, sich aufzuregen, und wann nicht, meint sie. Als eine Mitarbeiterin ihr gesteht, dass das wichtigste Give-away für einen glanzvollen Beldona Event mit hochkarätigen Gästen nicht rechtzeitig bestellt wurde, tröstet sie die Kollegin erst einmal und sucht nach einer schnellen Lösung. Spontan wird aus den 70 Filialen passende Ware in den Hauptsitz zurückgezogen und als Give-away eingesetzt. «Wenn dann die echten Give-aways eintreffen, können wir diese immer noch verkaufen.»
Einen Fehler zuzugeben, ist Furler tausendmal lieber, als wenn Fehler unter den Teppich gekehrt werden und es darunter modert, bis es zu spät ist. «Wenn eine Mitarbeiterin völlig aufgelöst vor Ihnen sitzt und ihr der Fehler offensichtlich leid tut, ist es doch unfair, noch nachzutreten. Da geht es nur noch darum, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.»