HR Today Nr. 3/2021: Im Gespräch

«Dass wir agil und digital durch den Arbeitsalltag flitzen, halte ich für ein Gerücht»

Die bayerische Kabarettistin Monika Gruber nimmt kein Blatt vor den Mund – schon gar nicht in Zeiten von Corona: von fehlendem Menschenverstand in hysterischen Zeiten, Homeoffice, Überakademisierung, schöner neuer Arbeitswelt und warum Lachen immer noch hilft.

In Ihrem neusten Buch «Und erlöse uns von den Blöden» bedauern Sie den «fehlenden Menschenverstand» in hysterischen Zeiten. Waren die Zeiten schon besser?

Monika Gruber: Wer das Gegenteil behauptet, muss die letzten zwölf Monate entweder als Einsiedler in einer Schweizer Berghöhle oder im komatösen Tiefschlaf verbracht haben. Natürlich war auch vor Corona nicht alles gut. Aber diese Krise hat leider auf viele gesellschaftliche Bereiche wie ein Katalysator gewirkt und die Egoisten noch egoistischer, die Hysteriker noch hysterischer, die Blöden noch blöder und die Faulen noch fauler gemacht. Das ist zumindest meine Beobachtung, wenn ich mich draussen umschaue und umhöre, also täglich zwischen 6 und 21 Uhr, wenn ich ­Gassi gehen darf.

Nachdem Corona auch hinterwäldlerische Chefs Homeoffice goutieren liess, wir agil und digital durch den Arbeitsalltag flitzen und über systemrelevante Berufe diskutieren, sind wir wieder auf dem Weg zurück zur Vergangenheit. Woher kommt das?

Leider lässt sich nicht jeder Beruf im Homeoffice ausüben, jedenfalls stelle ich mir das bei einer Krankenschwester, einem Bäcker oder einem Lokführer recht schwierig vor. Und dass wir agil und digital durch den Arbeitsalltag flitzen, halte ich für ein Gerücht. Die meisten Menschen sitzen doch eher in Jogginghose – oder «Null-Bock-Hose», wie mein Neffe sie immer nennt,  im Home­office am Küchentisch, schalten für die Videokonferenz einen virtuellen Bildschirmhintergrund ein, damit man das Chaos aus dreckigem Geschirr und Wäschebergen in der Wohnung nicht sieht, und legen sich mittags ein Stündchen hin. Die Diskussion über die Wichtigkeit systemrelevanter Berufe hat im letzten Frühjahr exakt einen Monat angehalten. Heute sind wir wieder genauso unfreundlich zu all den Supermarkt-Kassiererinnen wie vorher und ich kenne leider keine einzige Altenpflegerin und keinen Pflegebetreuer, die eine Gehaltserhöhung bekommen haben.

Wie erhält man sich den Optimismus?

Mit einer guten Flasche Wein, oder zwei, einem selbstgemachten Schweinsbraten und Gesprächen mit den wenigen Freunden, die sich nicht von der politischen Panikmache und von absurden Verschwörungstheorien haben anstecken lassen.

Zukunftsforscher Matthias Horx wiederholt zurzeit mantramässig, dass Corona uns zusammenrücken lasse und verborgene Konflikte auflöse. Sie halten das, gelinde gesagt, für einen «Schmarrn». Warum?

Weil der Mensch nun einmal ist, wie er ist, und erfahrungsgemäss aus der Geschichte nichts lernt. Das bedeutet, dass die meisten zuerst auf sich schauen, bevor sie sich für andere interessieren. Anstatt uns gegenseitig in dieser Krise zu unterstützen, rufen wir lieber die Polizei, weil der Nachbar mit zwei Freunden am Gartentürl steht und sich unterhält oder weil fünf junge Burschen sich irgendwo in der Walachei auf einem zugefrorenen Weiher zum Eisstockschiessen treffen.

In Ihrem Buch schreiben Sie über die «Überakademisierung der Gesellschaft» und sagen: «Wir brauchen weniger mittelmässige Akademiker.» Was können wir dagegen tun?

Ganz einfach: Uns wieder darauf besinnen, was ein handwerklicher Beruf wert ist. Wir haben unseren Kindern zu lange erklärt, man könne nur mit abgeschlossenem Hochschulstudium ein erfülltes Leben führen – bloss, weil wir dadurch unser eigenes Bildungsdefizit kompensieren wollen. Dabei ist es eher umgekehrt: Ich kenne viele Akademiker, die nebenher Taxi fahren, um sich eine Einzimmerwohnung in München leisten zu können. Andererseits habe ich in den letzten Jahren noch keinen Handwerker getroffen, der nicht über Wochen ausgebucht war und mindestens einen 3er-BMW in der Garage stehen hatte. Ausserdem hilft einem ein Jurist mit Prädikatsexamen oder ein diplomierter Wirtschaftswissenschaftler vermutlich nicht weiter, wenn das Klo verstopft ist oder der Wagen nicht mehr anspringt.

Unser Fachpublikum beschäftigt sich mit Human Resources. Was fällt Ihnen als Kabarettistin bei dieser Begrifflichkeit ein?

Abgesehen davon, dass ich Anglizismen nicht mag, finde ich schon die Wortschöpfung seltsam, weil sie die Mitarbeitenden eines Unternehmens auf ihr Wertschöpfungspotenzial reduziert. Noch schlimmer ist Human Capital, das wie eine andere Geschäftsausstattung beliebig ausgetauscht werden kann, wenn der Shareholder Value nicht erreicht wird.

Gleichstellung, Anti-Diskriminierung: Der Personalbereich probiert, politisch so korrekt wie möglich zu sein …

Vom Moment an, wo man in Stellenanzeigen zusätzlich zu «männlich» und «weiblich» noch «divers» einfügen musste, weil sich Angehörige des dritten Geschlechts möglicherweise ausgegrenzt fühlen, habe ich mich aus der Diskussion ausgeklinkt. Das kann ich kaum mehr ernst nehmen. Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie wichtig es wäre, die Leistung von uns Frauen endlich genauso wertzuschätzen und zu entlohnen wie die der männlichen Kollegen – das ist nämlich häufig immer noch nicht so. Ob sich dieser Zustand verbessert, weil wir statt «Mitarbeiter» künftig gen­dergerecht «Mitarbeitende» sagen, wage ich zu bezweifeln. Darüber hinaus habe ich in meinem Beruf festgestellt, dass Sexismus oft ganz anders daherkommt: Ich werde in manchen vorwiegend männlichen Kreisen immer nur dann ernst genommen, wenn ich bei einer Besprechung mit einem männlichen Manager im Schlepptau erscheine. Ansonsten reden sowohl Redakteure und Autoren als auch Wirtschaftsbosse mit mir als gestandene Frau wie mit einem unartigen Schulmädel. Darüber hinaus wünsche ich mir mehr Solidarität unter uns Frauen. Da gibt es einen gewaltigen Nachholbedarf. Wenn wir Frauen nicht lernen, besser zusammenzuarbeiten, wenn wir uns nicht gegenseitig mehr stützen und fördern, wird uns auch ein Binnen-I nicht viel bringen.

Wie liesse sich die Arbeitswelt humaner ­gestalten?

Indem wir uns stärker darauf besinnen, dass Angestellte menschliche Wesen sind, die nicht wie seelenlose Maschinen funktionieren. Das gilt vor allem für Berufsfelder, in denen die Bezahlung schlecht und der Leistungsdruck umso höher ist. Wenn jeder Chef nur einmal am Tag seine Leute loben und fair behandeln würde, wäre schon viel gewonnen. Schauen Sie: Mein Friseur ist gerade wie alle Friseure in Kurzarbeit und muss mit 60 Prozent seines Nettoeinkommens auskommen, was ohnehin hinten und vorne nicht reicht. Sein Chef wollte ihm jetzt noch – coronabedingt – den Jahresbonus für 2020 streichen. Er kam Gott sei Dank nicht damit durch. Aber wie dumm und peinlich ist das? Einen fleissigen, fähigen Mitarbeiter, der dem Chef viele gute Kunden verschafft, zu bestrafen anstatt zu unterstützen, obwohl dieser aktuell kaum über die Runden kommt!

Eine weitere Frage, die das HR umtreibt ist: Wie wollen wir künftig arbeiten. Was ist Ihre Meinung dazu?

Wenn ich mich so umschaue, denke ich oft: am liebsten gar nicht. Natürlich wird sich die Arbeitswelt verändern und sich vieles verlagern: Messen und Kongresse werden künftig vorwiegend virtuell abgehalten, Videocalls ersetzen Dienstreisen. Auch wenn ich nicht jeden Flug von München nach Zürich für notwendig halte, um dort an einer Tagung teilzunehmen und sich am Abend mit den anderen Teilnehmenden die Lampe auszuschiessen, lassen sich persönliche Gespräche und Kontakte durch nichts ersetzen. Und für meinen Beruf hoffe ich inständig, dass ich eines Tages wieder in lachende Gesichter blicken darf und nicht in Masken oder noch schlimmer, einen leeren Saal und eine Kamera.

Zur Person

Monika Gruber kam in der Nähe von Erding (D) zur Welt. Aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof, besuchte sie die Schauspielschule Zerboni in München. Ihre ersten kabarettistischen Soli schrieb sie 2004 in ihrer Figur als «Kellnerin Monique». Der Durchbruch gelang ihr mit ihrem zweiten Bühnen-Solo «Hauptsach g’sund». Mit ihren Auftritten füllt sie seit Jahren die Hallen und ist regelmässig im TV und in Kinofilmen zu sehen. Zudem verfasst sie Bücher. Ihr jüngstes Werk «Und erlöse uns von den Blöden» hat sie gemeinsam mit dem deutschen Journalisten Andreas Hock verfasst.

Buchtipp:

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Was sind das nur für Zeiten?
Innerhalb weniger Jahre ist aus uns eine hysterisch-­hyperventilierende Gesellschaft geworden, in der sich ­Wutbürger und Weltverbesserer, vermeintlich Ewiggestrige und Meinungsmissionare feindselig gegenüberstehen. Die gegenwärtige Krise hat keineswegs zur Verbesserung des Miteinanders geführt, sie hat die Blödheit einiger eher noch verschlimmert. Monika Gruber und Andreas Hock gehen dem kollektiven Wahnsinn auf den Grund. Mit Selbstironie und schwarzem Humor begeben sie sich auf die Suche nach dem gesunden Menschenverstand – eine unterhaltsame Reise durch die Gegenwart, die beweist: Lachen hilft!

Und erlöse uns von den Blöden, Monika Gruber & Andreas Hock, Piper Verlag, 240 Seiten, 2020.

 

 

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Christine Bachmann 1

Christine Bachmann ist Chefredaktorin von Miss Moneypenny. cb@missmoneypenny.ch

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