HR-Umfrage von Deloitte

Demographischer Wandel als Chance?

Die vorliegende Analyse der 2. Deloitte HR-Umfrage zeigt auf, wie Personalabteilungen in der Öffentlichen Verwaltung und in Spitälern in der Schweiz den demographischen Wandel adressieren.

Demographischer Wandel: Herausforderung oder Chance?

Zürich (pd). Die überwiegende Mehrheit der Befragten bestätigt, dass ihre Organisation aufgrund des demographischen Wandels in Handlungszwang gerät. Allerdings zeigt sich, dass die Entwicklung hin zu mehr Flexibilisierung und Individualität auch als Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb um Talente dienen kann.

«Work & care» als Fortsetzung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements

Aktuell engagiert sich die überwiegende Mehrheit der befragten Organisationen aktiv im Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM). Es werden aber auch zahlreiche Massnahmen offeriert, die eine bessere Vereinbarkeit von Angehörigenpflege oder Kleinkinderbetreuung und Berufstätigkeit unterstützen. Hier besteht noch grosser Aufklärungsbedarf, um Mitarbeitende über ihre Optionen und Wahlmöglichkeiten zu informieren.

Erfolgskriterium «work & care»

«Work & care» gehört nach Meinung von Deloitte auf die Zukunftsagenda von Personalverantwortlichen. Ein Praxisbeispiel zeigt, wie fortschrittliche Organisationen «work & care»-Programme erfolgreich umgesetzt haben und welche positiven Effekte diese Programme auf die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Organisation haben. Abschliessend stellt Deloitte sein Karrieremodell der individualisierten Karriereplanung vor, in welches «work & care»-Massnahmen eingebettet werden sollten.

Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage

  • Weiterhin berichten 77% (Q1: 80%) der Befragten von grossen Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Fachpersonal. Zugleich sehen Personalverantwortliche in den Bereichen demographischer Wandel, Arbeitgeberattraktivität und BGM aktuell grossen Handlungsbedarf.
  • Trotz limitierter personeller und finanzieller Ressourcen konnten erste Fortschritte in den drei oben genannten Bereichen erreicht werden. Allerdings bleibt die Liste der in den nächsten 3 Jahren umzusetzenden Initiativen lang.
  • Es besteht zudem grosser Aufklärungs- und Informationsbedarf: Zwar sind 90% der Personalverantwortlichen mit BGM (sehr) vertraut, aber fast 50% sind mit «work & care» nur wenig oder nicht vertraut. Auch gaben 45% der Kunden von Personalabteilungen an, noch nicht zu wissen, was «work & care» ist.
  • Ein Drittel der Befragten plant kurz- und mittelfristig «work & care»-Programme auszubauen. Anhand von einem Praxisbeispiel werden Erfolgsmethoden veranschaulicht.

Die HR-Umfrage von Deloitte im Überblick

Zum zweiten Mal dieses Jahr führte Deloitte von Ende Oktober bis Mitte November 2012 die HR-Umfrage durch, um besser zu verstehen, wie die Öffentliche Verwaltung und Spitäler mit demographischem Wandel umgehen. Der Schwerpunkt der Umfrage lag dieses Mal auf «work & care» als Konzept zur besseren Vereinbarkeit von Angehörigenpflege oder Kleinkinderbetreuung und Berufstätigkeit.

Zielgruppe der Umfrage waren Personal- und Finanzverantwortliche des Bundes auf der Ebene der Departemente, der Kantone, der Städte und bundesnaher Betriebe sowie von Schweizer Spitälern. Insgesamt beantworteten 101 der 250 angeschriebenen Umfrageteilnehmer den aus offenen und geschlossenen Fragen bestehenden Fragenkatalog. Ein Drittel der Teilnehmenden ist hierbei in Spitälern tätig und 7% der Antworten stammen von Teilnehmenden aus der französischsprachigen Schweiz. (pd)

Wie begegnen Spitäler und Öffentliche Verwaltungen dem demographischen Wandel?

Bereits in der letzten HR-Umfrage sahen die Personalverantwortlichen demographischen Wandel, Arbeitgeberattraktivität und BGM als grosse Anforderungen an ihre Organisationen, insbesondere im Hinblick auf den fortwährenden Fachkräftemangel.

Abbildung 1 verdeutlicht, dass der Kampf um Talente andauert. So geben immer noch 77% aller Befragten an, nicht ausreichend geeignete Bewerbungen für Spezialistenpositionen zu erhalten und auch Führungspositionen scheinen künftig nur schwer zu besetzen.

Insgesamt bestätigen 90% der Umfrageteilnehmer, dass der demographische Wandel ihre Organisation vor grosse Herausforderungen stellt. Um diese adäquat zu adressieren, planen die befragten Personalverantwortlichen in den kommenden drei Jahren die Realisierung zahlreicher Initiativen.

Dabei scheint BGM vielerorts als Patentrezept für die Bewältigung des demographischen Wandels gesehen zu werden.

62% der Befragten planen beispielsweise kurz- und mittelfristig einen Ausbau von BGM-Massnahmen obgleich sie bereits Initiativen wie betriebliche Gesundheitsförderung, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Absenzmanagement und Case Management durchführen.

Weiter wurden 33% der Führungskräfte zum Umgang mit Absenzen geschult und auch Rückkehrergespräche haben sich in einem Grossteil der befragten Organisation als BGM-Massnahme bewährt.

Abbildung 2 zeigt, dass weiterführende Konzepte wie beispielsweise «work & care», welche eine Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflege von Angehörigen oder Kleinkindern vorsieht, noch nicht in allen Personalabteilungen bekannt sind.

So geben zwei Drittel aller Befragten, die ihre Organisation durch den demographischen Wandel unter Zugzwang sehen, an, mit BGM sehr vertraut zu sein. Währenddessen ist knapp die Hälfte dieser Gruppe noch nicht oder wenig vertraut mit «work & care»- Programmen.

Was sind die wichtigsten Initiativen im Personalbereich für die nächsten 3 Jahre?

  • «Absenzen senken und Personalstabilität erhöhen»
  • «Ausbau des Personalmarketings und Positionierung als attraktiver Arbeitgeber»
  • «Gezielter Ausbau des Gesundheitsmanagements»
  • «Neue Arbeits(zeit)modelle»
  • «Generationenmanagement»
  • «Konkurrenzfähige Anstellungsbedingungen»
  • «Innovation und Flexibilität»

Beispielantworten aus der 2. HR-Umfrage. (pd)

Was macht eine erfolgreiche Umsetzung von «work & care»-Massnahmen aus?

Die Ergebnisse der Umfrage belegen, dass Mitarbeitende aktuell bereits von einigen Angeboten im Bereich «work & care» profitieren.

Wie Abbildung 3 illustriert, sind Pensumsreduktionen und Jahresarbeitszeitkonten sowie die Möglichkeit, unbezahlten Urlaub zu nehmen in der Praxis bewährte Massnahmen.

Es zeigt sich aber auch, dass weiterhin grosses Verbesserungspotential besteht.

Eine Kooperation oder die Bereitstellung von betriebseigenen Kinderkrippeplätzen ist in der Öffentlichen Verwaltung noch nicht soweit fortgeschritten wie in den Spitälern, wobei diese wiederum noch Nachholbedarf bei der Einführung von Jahresarbeitszeitkonten haben.

Die Umfrage kam zu dem bemerkenswerten Ergebnis, dass Mitarbeitende oftmals nur schlecht oder unzureichend über ihre Handlungsoptionen informiert sind. So scheinen fast 45% der befragten Mitarbeitenden im Unklaren darüber zu sein, ob und wenn ja welche «work & care»-Programme ihr Arbeitgeber anbietet (vgl. Abbildung 4).

Hier lässt sich im Hinblick auf die noch fehlende Sensibilisierung und Bekanntheit der möglichen Optionen grosser Handlungsbedarf ableiten. Insbesondere das Thema Angehörigenpflege scheint vielerorts noch nicht mit der notwendigen Dringlichkeit thematisiert zu werden. Martin Tschopp, Leiter Personal-, Organisations- und Kulturentwicklung im Eidgenössischen Departement des Innern EDI, fasst die Problematik folgendermassen zusammen: «Work & care» ist weiterhin ein Tabuthema, obgleich Studien davon ausgehen, dass 27% der Mitarbeitenden von Angehörigenpflege im Sinne des ‘work & care’-Konzepts betroffen sind. Oftmals spielt Scham eine grosse Rolle und in vielen Fällen wird das Thema erst angesprochen, wenn sich bereits eine verminderte Leistungsfähigkeit zeigt.»

Befragt nach ihren Beweggründen gaben unsere Umfrageteilnehmer an, dass die erwünschten Effekte von erfolreichen «work & care»-Programmen neben vorteilhafter Arbeitgeberattraktivität und einer gestiegenen Motivation auch in verringerten Fehlzeiten und niedrigerer Fluktuation zu sehen sind (vgl. Abbildung 5).

Warum «work & care»-Programme fortschrittliche Organisationen auszeichnen

Obgleich die Mehrheit der Umfrageteilnehmer viele gute Gründe für ein zukunftsorientiertes Engagement im Bereich BGM nennt, fehlt es oftmals noch an einer konkreten Strategie für die Implementierung zukunftsfähiger «work & care»-Programme.

Folgende Schritte zur Umsetzung ihrer «work & care»-Strategie hat das Eidgenössische Departement des Innern EDI bisher unternommen: «Bereits seit 20 Jahren gewährleistet das EDI die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für seine Mitarbeitenden. Schon heute übernehmen viele Mitarbeitende Pflegeaufgaben für Eltern, Geschwister, kranke Kinder, Nachbarn oder Lebenspartner.

Es stellte sich daher die Frage was das EDI tun kann, um diese Mitarbeitenden zu unterstützen, damit sie Beruf und die Betreuung der Angehörigen unter einen Hut bringen können. Eine bereits umgesetzte Massnahme ist die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Durch die Einführung von Jahresarbeitszeitkonten können Mitarbeitende geplant und in Notfällen in Abstimmung mit ihren Vorgesetzen auch ungeplant Pflegeaufgaben wahrnehmen.

Darüber  hinaus galt es Wissenslücken zu schliessen und sowohl Mitarbeitende als auch Führungskräfte zu beraten und zu sensibilisieren. Hierfür wird eigens eine Informationsplattform über ‘work & care‘ im Intranet geschaffen. Weiter haben sich beispielsweise im GS-EDI zwei Personen auf das Thema ‘work & care‘ spezialisiert, sodass Mitarbeitende auch eine personalisierte Beratung erfahren können. Geplant ist voraussichtlich für 2013 auch eine Mitarbeitendenbefragung, um besser zu verstehen, wie viele Mitarbeitende genau von der ‘work & care‘ -Problematik betroffen sind und auch erste Erfahrungen darüber zu erhalten, wie Mitarbeitende mit dieser Doppelbelastung umgehen.»

Warum sollten sich Organisationen Ihrer Meinung nach in den Bereichen BGM und «work & care» engagieren?

  • «Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird immer wichtiger»
  • «Gesundheitlicher Ansatz zur Förderung der Leistungsfähigkeit und Mitarbeitendenzufriedenheit»
  • «Gemeinsames Interesse des Arbeitgebers und Arbeitnehmers: Dient der Mitarbeitendenmotivation sowie der Personalretention und senkt den Knowhow-Verlust und die Fluktuationsrate»
  • «Um Absenzen zu reduzieren und Kompetenzen in der Unternehmung zu behalten»
  • «Weil damit grosse Kosten vermieden werden könnten»
  • «Die gesellschaftliche Entwicklung erfordert dies!»

Beispielantworten aus der 2. HR-Umfrage. (pd)

Wie in diesem Praxisbeispiel veranschaulicht, planen gemäss Abbildung 6 ein Drittel der Befragten, ihr Engagement im Bereich «work & care» unmittelbar oder mittelfristig auszubauen.

Zugleich bleibt Optimierungspotential bestehen, vor allem im Hinblick auf die hohe Zahl von Umfrageteilnehmern, die momentan für ihre Organisation noch keine Massnahmen vorgesehen haben.

Individualisierte Karriereplanung als Erfolgsmethode

Die Ergebnisse unserer Umfrage belegen, dass die befragten Organisationen die Zeichen der Zeit erkannt und entsprechende Programme geplant haben. Allerdings wird auch deutlich, dass BGM und «work & care»-Massnahmen einen HRM-Ansatz nicht nur flankieren sollten, sondern individualisierte Karrierepfade das Rückgrat einer zukunftsfähigen Personalpolitik bilden.

In der 1. HR-Umfrage hatten zwei Drittel der Befragten erklärt, dass nicht-traditionelle Karrierewege wie beispielsweise der Wechsel zwischen Abteilungen, trotz erheblicher Probleme bei der Bindung von Mitarbeitenden wie auch bei der Stellenbesetzung nicht aktiv gefördert werden.

Als möglichen Ansatz hierfür hat Deloitte ein neuartiges Karrieremodell entwickelt, um eine langfristige Lebens- und Karriereplanung mit flexiblen Arbeitsstrukturen zu verbinden. Die beiden Deloitte-Beraterinnen Cathleen Benko und Anne Weisberg beschreiben «Mass Career Customization» in ihrem Buch als ein innovatives Karrierekonzept basierend auf der Erkenntnis, dass die traditionelle Vorstellung von firmeninternen Karriereleitern überholt ist.

Karrieren verlaufen heute nicht mehr nur linear aufwärts, sondern enthalten je nach Lebensphase und -situation auch bewusste Seitwärts- und Abwärtsbewegungen. Anstelle einer Karriereleiter sollten fortschrittliche Organisationen daher ein Karrieregitter aufbauen, das sowohl Aufstieg als auch Querbewegungen oder sogar einen planmässigen Abstieg ermöglicht. Dadurch wird Karriereplanung besser auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zugeschnitten.

In Anbetracht der Umfrageergebnisse wird es spannend sein zu sehen, welche Organisationen den demographischen Wandel als Chance hin zu einer individualisierten Laufbahnplanung wahrnehmen. Die im Zusammenhang mit «Mass Career Customization» unternommen Anstrengungen versprechen, reich belohnt zu werden, da sie nicht zuletzt ein entscheidendes Wettbewerbskriterium beim Kampf um die besten Talente sind. (pd)

Was ist Mass Career Customization (MCC)?

Das Konzept leitet sich von «Mass Product Customization» ab. Unternehmen wie Starbucks oder Apple entwickeln schon lange Verkaufsstrategien, die einen hohen Grad an Individualisierung als zentrales Verkaufsargument bieten (wie beispielsweise iTunes, Kaffee, Klingeltöne etc.) Dies hat es ihnen ermöglicht, die Profitabilität zu erhöhen sowie Kosten zu reduzieren und die Kundenloyalität auszubauen.

Mass Career Customization verfolgt ähnliche Ziele: Grössere Mitarbeitendenzufriedenheit und Kosteneinsparungen aufgrund von geminderter Fluktuation. Nicht zuletzt ermöglicht MCC Mitarbeitenden, sich unabhängig von ihrer momentanen privaten Lebenssituation beruflich weiterzuentwickeln. (pd)

Die Deloitte HR-Umfrage wird zweimal im Jahr durchgeführt. Die nächste Umfrage ist für das 2. Quartal 2013 geplant. Wenn Sie an einer Teilnahme oder an den Ergebnissen interessiert sind, kontaktieren Sie bitte das Umfrage-Team unter chhrsurvey@deloitte.ch

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