HR Today Nr. 7&8/2019: Praxis – Predictive Recruiting

Die Zukunft heisst Predictive Recruiting

Noch scheinen Schweizer Unternehmen nicht auf den Zug aufgesprungen zu sein. Doch die Recruiting-Zukunft liegt im Kampagnen-Denken. Um Kampagnen erfolgreich zu gestalten, kann Predictive Recruiting hilfreich sein. Wir haben mit Experte Felix Mall darüber gesprochen.

Das Sammeln von Daten scheint in Mode zu sein – Stichwort: Big Data. Felix Mall, sammeln wir nur um des Sammelns Willen?

Felix Mall: Grundsätzlich ist es nichts Schlechtes, wenn ich als Unternehmen Daten sammle. Aber sammeln, ohne das Gesammelte auszuwerten, bringt nichts. Idealerweise sollte ich vorher überlegen, weshalb ich Daten sammle, zu welchem Zweck und mit welchem Ziel. Nicht einfach um der Menge Willen.

Dank der gesammelten Daten können Unternehmen nicht nur vergangenheits-bezogene Schlüsse ziehen, sondern auch solche für die Zukunft – das Kernelement des Predictive Recruiting …

Genau, man könnte vielleicht auch von Data Driven Recruiting sprechen. Es geht darum, in Bezug auf die Rekrutierung die kurzfristige Zukunft bestmöglich vorauszusagen. Die Daten aus der Vergangenheit bringen mir sehr viel, wenn es darum geht, meine Zielgruppe möglichst genau anzusprechen. Erstens geht es um Effektivität: Wenn ich die Zielgruppe genau kenne, habe ich häufig weniger Aufwand, weil ich weiss, wie ich meine Zielgruppe am besten ansprechen kann. Zweitens: «time to hire». Je besser ich meine Zielgruppe anspreche, desto schneller kann ich meine Stelle besetzen.

Drittens geht es auch um die Kosten und die Effizienz: Je mehr ich unnötig ausschreibe, weil ich meine Zielgruppe nicht kenne, desto mehr Geld gebe ich aus. Dann investiere ich wahrscheinlich in die falschen Stellenplattformen oder den falschen Printtitel. Predictive Recruiting hilft, eine Zielgruppe zu erreichen und entsprechend richtige, effiziente Massnahmen für die Rekrutierung einzusetzen. Diese Methode sagt so genau wie möglich voraus, wie ich optimal an meine Zielgruppe herankomme, um diese anzusprechen.

Können Sie Beispiele nennen?

Ärzte sind beispielsweise frühmorgens auf Stellenportalen unterwegs – bevor ihre Schicht beginnt. Als Recruiter heisst das, dass ich dann wach sein sollte, um etwa einer Ärztin eine Frage zur Stelle zu beantworten. Und wenn ich als Active Sourcer einen Arzt für eine Stelle begeistern möchte, muss ich frühmorgens anrufen und nicht erst gegen Mittag. Für IT-Fachleute hingegen beginnt der Tag eher gegen 9 oder 10 Uhr. Predictive Recruiting setzt bei Tag Null einer Mitarbeitersuche an: Aufgrund der Vergangenheitsdaten weiss ich, welche Plattformen ich für welche Zielgruppe mit welcher Strategie bespielen muss, damit ich einen möglichst brauchbaren Rücklauf erhalte.

Spätestens nach fünf Tagen Laufzeit kann Predictive Recruiting aufgrund der vergangenen Daten sagen, ob die Strategie stimmt. Beispielsweise weiss ich aufgrund meiner Daten, dass ich für eine ausgeschriebene IT-Stelle in Zürich innerhalb einer Woche rund 25 Bewerbungen erhalten sollte. Sind es nur fünf, dann stimmt etwas nicht und ich muss beispielsweise die Performance der verschiedenen Medienkanäle genauer anschauen und allenfalls mehr Reichweite generieren.

Wie weit sind die Schweizer Unternehmen, wenn es um Predictive Recruiting geht?

Wahrscheinlich müsste man zuerst einen Schritt früher ansetzen: beim Kampagnen-Denken. Schweizer Unternehmen und auch Recruiter sind nicht genügend darauf sensibilisiert, dass jetzt und künftig noch vermehrt Rekrutierungskampagnen von Nöten sind, um eine Stelle optimal zu besetzen. Zu einer solchen Kampagne gehört auch das Predictive Recruiting. Um ein Kampagnen-Setup zu machen, braucht es zuerst vorausschauende Annahmen.

Unternehmen wie Prospective können hier aber sehr gut unterstützen. Über unser Multiposting-System werden enorme Mengen an Stellenausschreibungen abgewickelt und jetzt schon relevante Performancedaten erfasst. Diese können wir unseren Kunden dann anonymisiert für eine optimale Zielgruppenansprache zur Verfügung stellen. Diese Daten können dann noch mit unternehmensspezifischen KPI ergänzt werden. Solche Daten sind jedoch rar: Aktuelle Zahlen einer unserer Erhebungen zeigen, dass erst 50 Prozent der Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden überhaupt Daten sammeln. Hier gibt es also noch einiges an Nachholbedarf.

Wieso hat dieses Umdenken noch nicht stattgefunden?

Die Recruiter werden bei der Auswahl der geeigneten Kanäle für ihre Stellenausschreibung häufig allein gelassen. Unternehmen nehmen in Kauf, dass der Rücklauf nicht perfekt ist, denn die Eine oder der Andere wird schon dabei sein, um die freie Stelle zu besetzen. Andererseits fehlen den Unternehmen häufig die Technik und das technische Knowhow, um effiziente Recruiting-Kampagnen auf die Beine zu stellen.

Aber eigentlich braucht es keine komplette Umrüstung. Wenn ein Unternehmen nur schon das Potenzial seines Stellenmarkts auf der Webseite ausnützt, könnte es viel erreichen. Diese Seite muss aber einige Kriterien erfüllen. Sie sollte inhaltlich zielgruppengerecht aufgebaut sein und ständig überprüft und aktiv vermarktet werden. Und vor allem auffindbar sein – denn ein relevantes Einfallstor zur Stellensuche ist noch immer die Google-Suchfunktion.

Recruiting Convention Zürich 2019

Die Recruiting Convention Zürich findet am 1. Oktober 2019 bereits zum neunten Mal statt. Auch dieses Jahr dreht sich am Zürichsee wieder alles um Recruiting und Personalmarketing: Erfahrene Spezialisten aus der Schweizer und Deutschen Personalmarketing- und Recruiting-Szene plaudern aus dem Nähkästchen. Ebenso wird das Thema Employer Branding zu einer immer wichtigeren Disziplin in der Rekrutierung. Mithilfe von Praxisbeispielen erfahren Sie, wie Sie mit diesen Themen umgehen müssen.

 

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Online-Redaktorin, HR Today. es@hrtoday.ch

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