Eine positive Weltsicht ist wichtig für die Zukunft der Pensionskassen
Die Herausforderungen für Pensionskassen werden nicht weniger. Tiefe Renditen, Forderungen nach ethisch korrekten Anlagen und die Ängste der Jugend sind grosse Themen für Georg Staub, Präsident der Stiftung 2. Säule swissstaffing.
«Gerade bei den jungen Leuten steht die Sorge um ein Alter ohne Armut heute zuoberst.» (Bild: Shutterstock)
Herr Staub, weshalb sind Sie Präsident der Stiftung 2. Säule swissstaffing?
Georg Staub (lacht): Ja, weswegen wird jemand Präsident einer Stiftung? Er wird in dieses Amt gewählt. Es ist ein sehr vertrauensvolles Amt und es ist auch ein Amt, das man jemandem übergibt, der Gewähr dafür bietet, dass er um die Sozialversicherungen und deren Bedeutung weiss. Als Präsident sollte man sich der Verantwortung bewusst sein, die man übernimmt. Und mit Freude, aber auch mit fachlichen Kenntnissen ans Werk gehen. Ich darf nun seit drei Jahren die Stiftung 2. Säule swissstaffing präsidieren.
Die Stiftung wurde 1985 gegründet. Aus welchem Grund?
Mit der Einführung des BVG-Obligatoriums stand die Temporärbranche vor der Frage, was sie für die Versicherung der temporären Mitarbeitenden tun möchte. Wählt sie eine Versicherungslösung oder schliesst sie sich einer Sammelstiftung an? Die Branche entschied sich damals, eine eigene Kasse zu gründen. Das war ein mutiger Schritt, der sich ausgezahlt hat.
Was ist so besonders an der Versicherung der temporären Mitarbeitenden?
Bei temporären Mitarbeitenden stellt sich die Frage, wann jemand in die Pensionskasse eintritt oder eben der Koordinationsabzug erreicht wird. Unsere Idee, dass der Koordinationsabzug nicht auf den Jahreslohn gerechnet wird, sondern auf den Stundenlohn, war ein Geniestreich. Es hatte zur Folge, dass die Stiftung im Prinzip eine bessere Versorgung der temporären Mitarbeitenden gewährleistet, wie das BVG-Obligatorium gemäss Gesetz. Das System hat sich im Laufe der Zeit bewährt und die Administration enorm vereinfacht. Von den anfangs 10 000 Ein- und Austritten sind wir heute bei über 30 000 pro Jahr angelangt. Das muss eine Pensionskasse zuerst einmal bewältigen.
Der Koordinationsabzug auf die Stunde hat es der Stiftung erlaubt, zu einer der besten Kassen zu werden – unter anderem in Bezug auf die administrativen Kosten. Wir stehen heute sehr gut da, mit einem Anlagevermögen von rund 600 Millionen Franken. Mit unserem hohen Deckungsgrad weisen wir eine gute Risikofähigkeit auf, um die Konkurrenten uns beneiden. Bei kühler Betrachtung der Ausgangslage kann ich sagen: Es spricht absolut nichts dafür, nicht bei der Stiftung 2. Säule swissstaffing angeschlossen zu sein (schmunzelt).
Wohin fliesst das Anlagegeld der Pensionskasse?
Die Konzeption der zweiten Säule beruht darauf, dass wir drei Beitragszahler haben: den Arbeitnehmer, den Arbeitgeber und die Kapitalrendite. Es ist jetzt ein wenig zynisch, wenn ich von der guten alten Zeit spreche. Aber die Zeiten risikoloser Anlagerenditen der damals erwarteten 4 bis 5 Prozent sind definitiv vorbei. Wir haben bereits sehr früh darauf geschaut, dass wir nie in eine Unterdeckung kommen und sanieren müssen. Unter anderem auch mit dem Beitragsprimat, das die Stiftung von Anfang hatte.
Unser Anlagemix ist sehr breit und wir haben unseren Anteil an nicht-festverzinslichen Anlagen im Laufe der letzten Jahre stark erhöht. Das können wir tun, weil unsere Kasse mit dem Deckungsgrad von aktuell 143 Prozent eine enorme Risikofähigkeit aufweist. Wir dürfen uns jedoch nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Ein hoher Deckungsgrad ist ein Korrelat zum Risiko, das wir bewusst eingehen, um den dritten Beitragszahler zu einem bedeutenderen Beitragszahler zu machen. In Verantwortung zu den Versicherten und Rentnern müssen wir eine Risikopolitik fahren, die dem Deckungsbeitrag angemessen ist. Es ist also ein Risiko, das wir bewusst eingehen.
Welche Bedrohungen existieren für die Pensionskasse?
Bei vielen Kassen findet eine Umverteilung von den jungen Beitragszahlern zu den älteren Versicherten und Rentnern statt. Weil eben der dritte Beitragszahler fehlt und Leistungen versprochen werden, die nicht mehr mit den Alimentierungsmöglichkeiten korrelieren. Das ist nicht fair und muss bereinigt werden. Aber die Politik hat Mühe mit der Übermittlung der weniger angenehmen Seiten einer Korrektur dieser Ausgangslage. Und diejenigen, die davon profitieren, haben wenig Lust, an dem Ast zu sägen, auf dem sie sitzen. Deshalb ist es schwierig, hier zu neuen Lösungen zu gelangen. Aber es muss gelöst werden. Gerade bei den jungen Leuten steht die Sorge um ein Alter ohne Armut heute zuoberst. Politiker, die solche Sorgen in der Bevölkerung nicht ernst nehmen, bestraft das Leben. Wir müssen darauf reagieren, denn es ist ein berechtigtes Anliegen der jungen Generation.
Hat die Pensionskasse besondere Chancen für die Zukunft?
Viele temporäre Mitarbeitende stellen erfreut fest, dass ihre Vorsorge so gut geregelt ist. Gerade bei Mitarbeitenden, die vom Ausland zugezogen sind und bei uns versichert waren, ist ein Alterskapital ein sehr willkommener Zustupf. Insbesondere, wenn sie wieder zurück ins Heimatland gehen. Gleichzeitig stellen auch die Festangestellten unserer Mitglieder fest, dass die Versicherung bei swissstaffing einen guten «Batzen» einbringt. Sie beginnen häufig in jungen Jahren bei uns und können eine stattliche Freizügigkeitsleistung an den neuen Ort mitnehmen. Das ist auch ein Beitrag an die positive Wahrnehmung unserer Branche.
Die Stiftung ist auch bei der Diskussion zum Thema Teilzeit im Bereich der zweiten Säule ein sehr gutes Vorbild. Hier stellen wir tagtäglich unter Beweis, dass man mit einer kreativen Konstruktion der Kasse durchaus auch für Teilzeitangestellte und Nicht-Lebensangestellte wie zum Beispiel Gig Workers einen vernünftigen Beitrag in der zweiten Säule leisten kann.
Was macht Ihnen als Schweizer Bürger Sorgen?
Es bereitet mir Sorgen, dass sich so viele junge Menschen mit der Sicherheit beschäftigten. Dass sich ältere Menschen Sorgen machen, ist das Privileg des Alters. Junge Familien sollten mit grosser Freude entscheiden, Kinder zu haben. Das ist eine äusserst optimistische Art und Weise, dem Leben Ausdruck zu geben. Sollten immer mehr junge Menschen Angst vor dem Alter und der Finanzierung ihres Lebensmodells bekommen und entscheiden, keine Kinder mehr zu haben, ist das tragisch.
Es ist eine Tendenz, die in modernen westlichen Gesellschaften vorhanden ist. Und es ist natürlich auch eine Tendenz, die grossen Einfluss auf die langfristige Betrachtung der Pensionskassen hat. Die berufliche Vorsorge geht davon aus, dass es die Menschheit versteht, reicher zu werden, weniger Diskrepanzen, weniger Hunger und mehr Sicherheit zu haben im Umgang mit anderen Kulturen und Nationen. Letztlich muss es der Politik gelingen, die optimistische Weltschau – die uns im Moment ein wenig verloren scheint – wieder aufleben zu lassen. Wir müssen wieder zu einer positiveren Weltsicht finden und dann sind auch die Pensionskassenmodelle für die Zukunft sichergestellt.
Über die Stiftung 2. Säule swissstaffing:
Gegründet wurde die Stiftung 2. Säule swissstaffing 1985, um Personaldienstleistern eine einfache und kostengünstige Versicherungslösung für ihr Personal zu ermöglichen. Die Stiftung versichert temporäres wie auch festangestelltes Personal der swissstaffing-Mitglieder. Die Pensionskasse ist finanziell sehr stark: Sie hat einen Deckungsgrad von 143 Prozent und versichert alle Altersguthaben mit 3 Prozent. Mehr dazu