Talentmanagement

Einen Unterschied machen, statt sich hinter Gleichheitsfloskeln zu verstecken

«Richtiges» Talentmanagement ist ein schwieriges Unterfangen. Das beginnt schon mit der Frage, was Talent bedeutet und wer ein Talent ist. «Wir machen da keinen Unterschied, bei uns sind alle Mitarbeiter Talente» – ein Statement, das man oft hört, das aber wenig mit Talentmanagement zu tun hat.

Dies ist nicht unbedingt falsch. Vor allem ist es gut gemeint. Denn natürlich haben wir alle Talente, also besondere Fähigkeiten und Stärken, die uns zu dem machen, was wir sind. Die gute Absicht allein ist aber für unternehmerisches Handeln in dynamischen Umwelten nicht hinreichend. Heutzutage kann es sich ein Unternehmen im Wettbewerb nicht leisten, alle Mitarbeiter über einen Kamm zu scheren und seine finanziellen Ressourcen zu deren Entwicklung und damit zur Sicherung des wirtschaftlichen Überlebens mit der Giesskanne zu verteilen.

Es gibt da einen kleinen, aber zentralen Unterschied: (Talent-)Haben ist nicht gleich (Talent-)Sein! Wie viele begabte Menschen gibt es, die es trotz ihrer hervorragenden Talente nicht schaffen, erfolgreich zu sein? Mit anderen Worten: Es sind eben nicht alle gleich.

Talente: die wirklich erfolgskritischen Mitarbeiter im Unternehmen

Für HR stellt sich demnach eine zweifache Aufgabe: erstens, zu lernen, jene Menschen als Talente zu identifizieren, die in der Lage sein werden, das Unternehmen erfolgreich zu machen. Zweitens, den Mut aufzubringen, begründete und begründbare Unterschiede zu machen und sich nicht hinter gut gemeinten Gleichheitsfloskeln zu verstecken. Talente, das sind die wirklich erfolgskritischen Mitarbeiter und Führungskräfte im Unternehmen. Sie gilt es gezielt auf anspruchsvollere, mit höherer Komplexität verbundene Positionen vorzubereiten.

Mit dem Mut zur Differenzierung verbindet sich aber auch die Frage, was ein Talent eigentlich von den anderen unterscheidet und wie im besten Fall die Bestimmung dieser Unterschiede geschehen soll.

Talente bringen den Willen zu «Mehr» zum Ausdruck

Verbreitet sind in der Praxis 4- oder 9-Felder-Grids mit den Dimensionen Performance und Potenzial und deren jeweiligen Ausprägungen (niedrig/mittel/hoch). Die Performance-Beurteilung geht von der impliziten Hoffnung der Beurteilenden aus, dass die Leistung der Mitarbeiter in der Vergangenheit und Gegenwart auch auf die Zukunft extrapoliert werden kann.

Aber da sich Talente oft erst im Zuge neu auftretender Herausforderungen entfalten, steht neben der Leistung das Potenzial der Mitarbeiter im Fokus der Beurteilung. Potenzial bedeutet dabei, mit höherer Komplexität von Aufgaben und Rollen umgehen zu können. Dies zu beurteilen, fällt erfahrungsgemäss schwer.

Hier haben sich folgende drei Talent-Dispositionen als hilfreich herausgestellt: Die Lern- und Reflexionsfähigkeit gibt an, wie differenziert Menschen mit neuen Situationen und Aufgaben umgehen. Dazu muss ein Talent auch Durchsetzungskraft besitzen, um Widerstände zu überwinden und ambitioniert die Übertragung neuer Aufgaben zu verlangen. Dies bringt den Willen zu «Mehr» zum Ausdruck. Hinzu kommt schliesslich die Innovationskraft, also die Fähigkeit, selbst über den Tellerrand hinauszuschauen, ausgetretene Trampelpfade der Gewohnheit und Routine zu verlassen oder dies bei anderen zu fördern oder diese gar mitzureissen.

Und wenn Manager nur ihresgleichen als Talente nominieren?

Die Identifizierung der «richtigen» Talente steht und fällt mit der Qualität der Beurteilung durch die direkten Führungskräfte und damit mit deren Kompetenzen, die Talent-Dispositionen zu erkennen und einzuschätzen. Wir können viele Beispiele nennen, in denen es auch bei Führungskräften an Kompetenz und Mut fehlt, begründete Unterschiede zwischen ihren Mitarbeitern zu machen.

Das Postulat, die Führungskraft müsse als Talent-Entwickler agieren, also Talente identifizieren und deren Handlungsrahmen gestalten, ist leicht aufgestellt. Die Frage ist allerdings, was HR tun kann, damit die Manager – wie es häufig zu beobachten ist – nicht nur ihresgleichen suchen und einen ganz speziellen Typus von Talenten nominieren. Hierauf gibt es keine einfache Antwort. Es geht darum, eine Kultur und einen Talent-Prozess zu etablieren, die Vielfalt unter den Talenten sicherstellen und den Führungskräften den Freiraum zugestehen, auch Nominierungen von Talenten vorzunehmen, die auf den ersten Blick fragwürdig erscheinen. Ein Blick in die «lernende Organisation» von P. Senge mag hier helfen: Es geht um das Öffnen unterschiedlicher Nominierungswege, um «organisationale Vielsprachigkeit», um Diversity – regional, fachlich, altersmässig und nicht zuletzt differenziert nach Frauen und Männern. Hier haben gerade Schweizer Unternehmen noch einen ausgeprägten Nachholbedarf.

Wenn sich die Anforderungen rasch ändern, die Märkte, Kunden und Mitarbeiter an ein Unternehmen stellen, braucht dieses Unternehmen auch Mitarbeiter und Führungskräfte, die sich mental auf diese Veränderungen vorbereitet haben. Albert Einstein sagte dies treffend: «Ich habe keine besonderen Begabungen, aber ich bin leidenschaftlich neugierig.»

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Stephan Laske, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik, Universität Innsbruck, seit 2009 im «aktiven Ruhestand». Mitglied des Vorstands und wissenschaftlicher Beirat der Transformation 
Management AG.

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Martin Sonnert studierte Wirtschafts- und Wirtschaftsingenieurwissenschaften, war in diversen Kaderfunktio-nen tätig und ist Mitglied des Vorstandes der Transformation Management AG.

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