«Es ist ein Kommen und Gehen»
Die Executive-Search-Branche ist in Bewegung. Die Einstiegshürden sind niedrig, Anbieter treten in den Markt ein und wieder aus. Das ist auch deshalb möglich, weil heute Mandate weniger aufgrund von gewachsenen Beziehungen vergeben werden. Zwei erfahrene Headhunter lassen sich über die Schulter schauen und erklären, worauf es wirklich ankommt.
Nicht immer ist die Nadel im Heuhaufen derart leicht zu finden. (Foto: iStockphoto)
Die Abgrenzung von Executive Search zur «normalen Personalvermittlung» ist denkbar schwierig. Das Geschäft kann sehr unterschiedliche Gesichter haben, nicht immer muss es sich um hierarchisch hoch gestellte Mitarbeiter mit einem «C» im Titel handeln. «Das darf man nicht so eng sehen», findet Kurt Sidler von Fluris Consulting aus Luzern. Im Fokus stehen Fach- und Führungspositionen.
Von Executive Search spricht man aber auf jeden Fall dann, wenn es sich um Direktansprache handelt. Das so genannte Headhunting also, bei dem Kandidaten identifiziert und dann direkt kontaktiert werden. Meist während sie noch in einer anderen Firma in Lohn und Brot stehen. Auch das Gehalt ist ein Kriterium: «Ab 200 000 bis 250 000 Franken macht eine Direktansprache für mich Sinn», sagt Claudia Bucheli Ruffieux, Partnerin von Amrop, einem internationalen Anbieter mit 20 Mitarbeitern in der Schweiz. «Es gibt auch Funktionen, in denen die Leute es nicht gewohnt sind, von Headhuntern angesprochen zu werden. Beispielsweise bei Controlling-Mitarbeitern, da wäre es nicht sinnvoll, über eine Direktansprache zu suchen», so Bucheli.
Die Chemie muss stimmen
Der Markt ist extrem heterogen. Grosse Anbieter wie Amrop mit seinen Niederlassungen in 57 Ländern, die alle Branchen abdecken, tummeln sich neben kleineren so genannten Boutiquen. Von Boutique spricht man, wenn die Firma sich bei der Suche mehr oder weniger auf spezielle Segmente oder Branchen spezialisiert hat. Kurt Sidler hat mit Fluris Consulting seit 2004 eine auf den IT-Sektor sowie mittelständische Unternehmen spezialisierte Boutique. «Ich hatte selbst mehrere Jahre lang klassische Führungsrollen in mittleren Unternehmen inne. Dort habe ich das beste Verständnis», so Sidler. Eine UBS oder eine CS würden wohl eher nicht auf eine Boutique setzen, sondern sich von den grossen globalen Playern am Markt unterstützen lassen.
Vermehrt ist in der Branche davon zu hören, dass Personalvermittler aus dem Massengeschäft versuchen, in den Bereich Direktansprache vorzudringen. Das ist nachvollziehbar, denn je höher und spezieller die zu besetzende Position, desto einträglicher das Geschäft. Doch Headhunting will gelernt sein: «Ich sehe dem Druck von aussen gelassen entgegen. Unser Research ist so aufwendig, das lässt sich nicht einfach kopieren», konstatiert Sidler. «Die Vertreter aus dem Massengeschäft haben auch gar nicht die Glaubwürdigkeit für die Top-Positionen.»
Doch die Branche hat sich in den letzten Jahren verändert: «Es ist ein Kommen und Gehen», so Sidler. Anbieter steigen in den Markt ein und verlassen ihn auch wieder. Die Eintrittshürden sind niedrig. Ein Computer genügt und jeder kann sich Executive Searcher nennen, wenn er es denn möchte. So gibt es mehr spürbare Konkurrenz, die Preise seien ebenfalls «sicher nicht gestiegen», wie es Sidler vorsichtig ausdrückt. Auch Claudia Bucheli findet, dass die Kundenloyalität in den letzten Jahren abgenommen hat. «Die Mandate werden heute nicht mehr unbedingt aufgrund gewachsener Beziehungen vergeben, sondern in so genannten Shoot-outs.» Sich differenzieren, sich behaupten ist in diesem umkämpften Markt schwer. Erfahrene Searcher können sich über die reine Dienstleistung kaum mehr differenzieren. Was zählt, ist in vielen Fällen der persönliche Eindruck: «Das Bauchgefühl», wie eine HR-Leiterin es formulierte. Auch Claudia Bucheli spricht in diesem Zusammenhang von «Chemie», die für alle Beteiligten stimmen muss.
So sieht es auch Sidler. Tritt er bei einem potenziellen Kunden gegen andere Anbieter zu einem so genannten Pitch an, versucht er vor allem herauszustreichen, wie seine Kompetenzen zum Anliegen des Kunden passen, welche spezifischen Kenntnisse und Erfahrungen er bei ähnlichen Kunden mitbringt. «Natürlich muss ich schauen, dass ich anders bin, doch letztlich ist es ein Peoples Business. Ich habe keinen Markennamen, dem man vertraut, sondern muss mit meiner Person überzeugen.»
Search von Anfang bis Ende
Den typischen Prozess gibt es nicht. Jeder ist anders. Doch ein paar Dinge laufen immer nach dem gleichen Schema ab. Am Anfang steht logischerweise die Vakanz. Nicht irgendeine Vakanz, sondern eine tendenziell vom HR schwer zu besetzende. Ein CEO wird gesucht, eine Führungspersönlichkeit oder eine rare technische Fachkraft.
Oft führen die Unternehmen dann einen so genannten Pitch durch, bei dem mehrere Executive Searcher sich und ihre Dienstleistung vorstellen dürfen. Gut, wenn man ein Ohr am Markt hat und von solchen Vakanzen erfährt. Dazu gehört neben einem exzellenten Netzwerk natürlich auch immer eine Portion Glück.
Wird man sich einig, kann die Suche beginnen. Die meisten Executive Searcher bedingen sich exklusive Mandate aus. Das heisst, der Kunde greift nur auf die Unterstützung eines einzigen Anbieters zurück und lässt nicht gleich mehrere Sucher aktiv werden.
Zu Beginn des Suchprozesses steht ein ausführlicher Besuch beim Kunden. Es gilt herauszufinden, wie das Unternehmen tickt, wie die Kultur ist, wie attraktiv die Position. Denn die Position ist letztlich das Produkt, das der Executive Searcher den Kandidaten schmackhaft machen muss. Dazu gehört nicht nur das Gehalt (hier ist sicher mehr besser), sondern beispielsweise auch der Arbeitsort (hier steht Glarus hinter Zürich zurück), das Aufgabengebiet, die Entwicklungsmöglichkeiten und natürlich das Image der Firma.
Gesucht wird meist mithilfe hauseigener Datenbanken, die über die Jahre immer umfangreicher und wertvoller werden, des Internets (Xing, LinkedIn) und natürlich über das persönliche Netzwerk. Die so identifizierten Kandidaten werden kontaktiert, zuerst meist ohne Namensnennung der Firma. Ist ein Kandidat interessiert und auch nach der Kontaktnahme noch interessant, kommt er auf die Longlist.
Dem Kunden wird dann eine Auswahl gezeigt. Einige operieren hier mit Longlists und Shortlists. Die Longlist umfasst zwischen 6 und 12 Namen. In der Regel sind das schon Kandidaten, die vom Searcher interviewt wurden und auch Interesse haben. Auf die Shortlist schaffen es zwischen 2 und 6 Kandidaten, die dann auch für Gespräche und Assessments beim Kunden eingeladen werden. Drei Monate dauert der Prozess im Idealfall, er kann sich aber auch mal bis zu einem halben Jahr hinziehen.
Das HR ist nicht immer involviert
Sidler hat dabei offensichtlich Erfolg, denn 80 Prozent seiner Kunden sind wiederkehrende Kunden. Das vereinfacht die Sache insofern, als er die Unternehmenskultur und das Business bereits versteht. Jeder Kontakt intensiviert das gegenseitige Vertrauen, lässt die Bedürfnisse klarer werden und vereinfacht so letztlich die Suche. Denn sein erster und wichtigster Job ist es, den Kunden zu verstehen: «Ich muss die Strategie kennen, die Erfolge, die Misserfolge, die Challenges. Idealerweise bin ich mit meinen Kunden regelmässig im Kontakt, nicht nur während des Rekrutierungsprozesses», so Sidler.
Wie weit beim Search-Prozess das HR involviert ist, hängt nach Angaben der beiden Searcher vor allem vom Stellenwert des HR in der Firma ab. Zusammengefasst: Ein HR, das nicht in der GL vertreten ist, sucht auch kein neues GL-Mitglied. «Natürlich ist das Thema Rekrutierung auf dem Tisch der Personalabteilung. Aber je nach Position ist eher der CEO oder sogar der Verwaltungsrat mein Ansprechpartner», so Sidler. Die HR-Abteilung begleite aber oft den Prozess, wählt in vielen Fällen den Dienstleister aus und ist bei den Gesprächen dabei. Es gibt jedoch auch Unternehmen, wo HR den Lead über den ganzen Prozess hat.
Der Aufwand hängt stark von der zu besetzenden Position ab: «Manchmal suchen wir wirklich die Nadel im Heuhaufen, beispielsweise bei Stellen mit technischem Hintergrund oder wenn das Unternehmen ausserhalb des Ballungszentrums liegt. Dann kann es passieren, dass wir 70 bis 80 Personen anrufen», erklärt Claudia Bucheli, die seit acht Jahren im Business ist und rund 100 Stellen besetzen konnte. Bei VR-Mandaten seien es naturgemäss deutlich weniger Ansprachen: «Potenzielle Kandidaten sagen eher zu, denn da handelt es sich auch nicht um eine hauptamtliche Tätigkeit.»
Die Garantie für die Probezeit
Die Honorare im Executive Search sind wie alle anderen Komponenten individuell: Zwischen 25 und 35 Prozent des Bruttogehalts sind üblich. Für Sidler machen hingegen Fixbeträge viel mehr Sinn: «Sonst besteht die Versuchung, den Kandidaten mit dem höchsten Lohn zu vermitteln», erklärt er. Die Bezahlung erfolgt meist in drei Tranchen: beim Start, in der Hälfte des Prozesses und nach Abschluss. Wenn innerhalb der Probezeit etwas schiefgeht, greift bei den seriösen Anbietern eine Art Garantie: Sie suchen so lange, bis die richtige Person gefunden ist.
Damit dieses Risiko möglichst gering gehalten wird, sorgt Amrop für ein sorgfältiges Onboarding. Gerade in den ersten Monaten nach Stellenantritt sei die Verantwortung des Headhunters gegenüber dem Kandidaten besonders gross, sagt Bucheli. «Wir sind interessiert zu erfahren, ob alles funktioniert und der Job den Vorstellungen entspricht», so die Headhunterin.
Das Schönste an ihrem Job: die spannenden Menschen. Das Frustrierendste: «Dass man sich den passenden Kandidaten nicht backen kann und wir nicht direkt entscheiden können.» Denn das liegt letztlich beim Kandidaten.