HR Today hat eine Reihe von Personalverantwortlichen gefragt, was sie gerne von einem Headhunter wissen wollen. Die zwei am häufigsten genannten Fragen: Haben Sie jemals einen Manager abgeworben, den Sie vorher selbst platziert hatten? Kommt es vor, dass Sie von einem Unternehmen, mit welchem Sie gerade in einem Mandatsverhältnis stehen, Kaderleute abwerben?
Das sind in der Tat sehr gute Fragen. Ich befolge den Grundsatz, dass ich zwei Jahre lang keine Kaderperson im Unternehmen eines Kunden abwerbe. Nach dieser Sperrfrist ist der Fall theoretisch möglich, aber doch eher selten. Zur ersten Frage: Es ist schon vorgekommen, dass ich denselben Kandidaten drei- oder viermal platziert habe. Aber ich erlaube mir nur dann eine Kontaktnahme, wenn er das alte Unternehmen bereits verlassen hat. Ich halte jedoch den Kontakt zu praktisch all meinen ehemaligen Kandidaten stets aufrecht.
Auf welche Weise?
Ich bin durch und durch Netzwerker. Meine Kontakte sind für mich eine Art Familie. Ich widme ihnen viel Zeit – auch deshalb liebe ich meinen Beruf. Sie geben mir viel Feedback und sind auch meine wichtigste Informationsquelle.
Leute, die mit Ihnen zusammengearbeitet haben, bestätigen, dass Sie im zwischenmenschlichen Bereich enorme Fähigkeiten besitzen. Ist dies das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Ja, das Zwischenmenschliche ist sehr wichtig. Man muss die Menschen mögen und mehrere Sprachen sprechen.
Wie man hört, informieren Sie Ihre Kunden sehr regelmässig über den Verlauf der Suche.
Das ist Vertrauenssache. Der Kunde bezahlt schliesslich viel Geld für mich – obwohl ich persönlich finde, dass ich nicht teuer bin, aber lassen wir das … Übrigens möchte ich betonen, dass ich auch für Nichtregierungsorganisationen rekrutiere, und zwar gratis. Doch zurück zu meinen Kunden: Sie müssen über den Stand der Rekrutierung stets im Bild sein und wissen, wofür ich meine Rechnungen stelle. Es ist ein permanenter Hochseilakt zwischen kandidatenseitiger Vertraulichkeit und kundenseitiger Transparenz.
Sie melden sich also täglich bei Ihren Kunden?
Nein, nur wenn ich etwas zu sagen habe. Ich versuche immer, als Erster anzurufen. Man muss schliesslich immer einen Schritt voraus sein.
Stimmt es, dass Sie grossen Wert auf das Äussere der Kandidaten legen?
Das stimmt nur bedingt. Ein Kandidat muss in die Unternehmenskultur passen und dem Anforderungsprofil des Kunden entsprechen. Nur das zählt. Im Verlaufe meiner Tätigkeit habe ich Personen jeder Grösse und jeden Aussehens platziert.
Ist ein Besuch beim Kunden vor Ort unerlässlich, damit Sie die Kultur und die Bedürfnisse des Unternehmens richtig einschätzen können?
Im Prinzip schon. Es gibt jedoch Rekrutierungsmandate, die so vertraulich sind, dass ich es nicht wage, vor Ort aufzutauchen. Sonst brodelt sofort die Gerüchteküche. Ein Beispiel: Ich bin daran, den Nachfolger für den CEO eines grossen Schweizer Konzerns zu rekrutieren. Der aktuelle CEO weiss davon nichts. Es ist deshalb sehr wichtig, dass es keine Lecks gibt. Trotzdem informiere ich mich via mein Netzwerk über den Kunden.
Zur Person
Bjørn Johansson, 64, hat die CEO, CFO und HR-Verantwortlichen zahlreicher Schweizer und ausländischer Grosskonzerne rekrutiert. Aber er zieht es vor, keine Namen zu nennen, um Diskretion zu wahren. Bjørn Johansson hat eine offene und herzliche Art, auf die Menschen zuzugehen. Sein prachtvolles Zürcher Büro liegt direkt am See. Auf seinem Bürotisch stehen Familienfotos, unter anderem ein Hochzeitsbild mit seiner zweiten Frau auf dem legendären Golfkurs von St. Andrews in Schottland. «Golf ist für mich der perfekte Ausgleich und gibt mir innere Zufriedenheit. Ich spiele alleine oder mit meiner Gattin.»
Je höher man in der Hierarchie steigt, desto weniger wissenschaftlich sind die Assessment-Methoden …
Das stimmt.
Welche Methode wenden Sie an, um die Fähigkeiten eines Kandidaten zu evaluieren?
Ich nutze diverse Methoden – als Erstes meine Intuition. Nach dem ersten Händedruck weiss ich bereits ziemlich genau, ob ja, nein oder vielleicht. Als Zweites frage ich mich: Welche Vergangenheit hat er? Die Vergangenheit ist der beste Indikator für die Zukunft. Hat ein Kandidat zum Beispiel Erfahrungen im Bereich Restrukturierungen, Krisenmanagement oder Geschäftsentwicklung in China, so ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass er diese Herausforderungen auch in einem zukünftigen Job bewältigen wird. Danach gilt es, den richtigen Kandidaten für das vom Kunden gewünschte Profil zu finden. Im Verlaufe des Prozesses hole ich formelle und informelle Referenzen ein. Dabei sind die informellen Referenzen stets ergiebiger. Und dann ist da noch die «Mundpropaganda» – was sagt die Konkurrenz, der Markt? Ist der Kandidat erfolgreich tätig? Ist er glaubwürdig?
Wie schätzen Sie den Schweizer Headhunter-Markt und den Einfluss der Sozialen Medien ein?
Der Schweizer Markt ist gesättigt. Alle grossen Headhunter-Unternehmen haben eine Filiale in der Schweiz. Das Internet und die Sozialen Medien sind eher für die Rekrutierung des mittleren Managements wichtig. Im obersten Marktsegment – also da, wo ich mich positioniert habe – sind diese Kanäle weniger angesagt. Vielmehr gilt es hier, die Leute persönlich zu treffen, ihnen die Hand zu geben, ihnen in die Augen zu schauen. Das erste Gespräch kann per Telefon oder per Videokonferenz erfolgen, aber danach ist ein Treffen unumgänglich. Ich bin überzeugt, dass dies auch immer so bleiben wird.
Und wie sieht es bei der internationalen Konkurrenz aus, also etwa aus Frankreich oder Deutschland?
Wir leben in einer globalisierten Welt. Bei den 30 grössten in der Schweiz ansässigen Firmen sind 70 Prozent der CEO und 80 Prozent der CFO Nichtschweizer. Die Globalisierungswelle Ende der 1990er-Jahre hat unsere Managementstrukturen grundlegend verändert. Die Topmanager in der Schweiz sind heute Engländer, Deutsche, Franzosen, Amerikaner, Skandinavier. Natürlich ist angesichts der höheren Tarife und Löhne die Schweiz für einen Headhunter sehr interessant. Aber wie gesagt, der Markt ist gesättigt. Was mir Sorgen bereitet, ist nicht so sehr die Zahl der Konkurrenten als vielmehr die rückläufige Dienstleistungsqualität einiger Unternehmen. Bei vielen Headhuntern vermisse ich die Leidenschaft für ihren Beruf. In den 1980er-Jahren war es geradezu ein künstlerischer Akt, Topmanager zu rekrutieren. Heute ist es nur noch seelenlose Routine.